Rezension zum Film von Daniel Ragussis Imperium

Kultur
„Imperium“ erinnert nicht nur daran, dass im Schatten des islamistischen Terrors auch vor der eigenen Haustür Terror droht, sondern zeigt auch auf erschreckende Weise, wie Wahrnehmung und Realität auseinanderklaffen können.


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Graham Dean. Foto: ngc981 (CC BY-SA 2.0 cropped)

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Man kann ja von den diversen Teilen von Harry Potter halten, was man will, aber es ist faszinierend, in welchem Genrespektrum sich Daniel Radcliffe im Anschluss infolge seines Ruhms aufhalten kann. Wenn er nicht gerade in Horrorstreifen mitspielt (Horns, Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn) oder Indie-Liebeskomödien (The F-Word – Von wegen nur gute Freunde!), dann ist er als verklemmter, homosexueller Intellektueller (Kill Your Darlings – Junge Wilde) oder als furzende Leiche (Swiss Army Man) zu sehen. Warum also nicht auch mal als FBI-Agent, der sich mitten in den Wahnsinn rechtsextremistischer Gruppen wirft und droht, von diesem angesteckt zu werden?
Die Wandlungsfähigkeit des Schauspielers, die Intensität beim Umgang mit dem Stoff, ist dann auch eines der grössten Argumente, sich den Beitrag vom Fantasy Filmfest 2016 einmal anzuschauen. Es ist aber nicht das einzige. Zuletzt durften wir ja mit Sorge bis Entsetzen feststellen, wie sich rechtes Gedankengut immer weiter in die Mitte der Gesellschaft geschoben hat, dass das populistische Hetzen gegen Ausländer in einer Form salonfähig wurde, wie man es heutzutage nicht mehr für möglich halten wollte. Und so mancher wird sich bei vergangenen Wahlen gefragt haben, was das für Menschen sein mögen, die da ihr Kreuz hinter den so offensichtlich dümmlichen Parolen gesetzt haben. Eine Antwort darauf hat der auf einer Geschichte des ehemaligen FBI-Agenten Michael German basierende Film. Und es ist eine, die einen tatsächlich Angst und Bange machen kann.
Ja, es gibt sie, die glatzköpfigen Schlägertypen, die schon die pure Anwesenheit eines andersfarbigen Menschen als Provokation empfinden, da gerne mal die Fäuste sprechen lassen. Oder die Eisenstange. Verstörender sind jedoch die Menschen, denen man ihre Überzeugungen nicht ansieht, die ein grundsolides Leben führen, mit einem Lächeln durch die Gegend laufen. Menschen mit denen man durchaus befreundet sein könnte. Gerade auch weil Nate diesen Menschen immer näherkommt, sich Sympathien entwickeln und man nicht mehr so genau sagen kann, wo die von ihm gespielte Rolle aufhört und der echte Nate beginnt, wird bei Imperium deutlich, wie fliessend die Übergänge sind. Dass die wahre Gefahr nicht von den lauten und gewalttätigen Extremisten ausgeht, sondern denen, die man kaum wahrnimmt.
Allgemein ist dieses Spiel mit den Wahrnehmungen in dem Film sehr interessant: Wie nehmen die Menschen mit den kruden Weltansichten sich wahr? Wie nimmt der Rest sie wahr? Der Kampf gegen den islamistischen Terror wird hier plötzlich mit einer eigenen Terrorgefahr gleichgesetzt. Aber auch der Kampf gegen den rechten Terror ist hier nicht so eindeutig, wie man es vielleicht erwarten würde, denn am Ende sind Worte und Taten doch nicht gleichzusetzen. Wer mit der Gewalt flirtet, muss sie nicht automatisch ausüben, manche Abscheulichkeit kann auch reine Gedankenlosigkeit sein. Das Finale macht die diversen klugen Gedanken zwar teilweise unnötig wieder rückgängig, insgesamt aber ist Imperium eine spannende Auseinandersetzung mit dem Abgrund vor der eigenen Haustür.
Imperium
USA
2016
-109 min.
Regie: Daniel Ragussis
Drehbuch: Daniel Ragussis
Darsteller: Daniel Radcliffe, Toni Collette, Sam Trammell
Produktion: Daniel Ragussis, Dennis Lee, Simon Taufique, Ty Walker
Musik: Will Bates
Kamera: Bobby Bukowski
Schnitt: Sara Corrigan
Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.