Gangster in Key Largo Robinson vs. Bogart
Kultur
Auch heute ist „Gangster in Key Largo” noch ein absolut sehenswerter Film, der durch seine Charakterdarsteller glänzt und auch in den Nebenrollen durchaus gut besetzt ist.
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26. Oktober 2024
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Der Ex-Major Frank McCloud (Humphrey Bogart) fährt nach Key Largo in Florida, um James Temple (Lionel Barrymore) über die Umstände des Todes des Sohnes von Temple im zweiten Weltkrieg zu erzählen. Mit dem Sohn war Frank befreundet. Temple betreibt ein kleines Hotel an der Küste. Er sitzt im Rollstuhl und lebt dort mit seiner Schwiegertochter Nora (Laureen Bacall). Temple besitzt Boote, die Touristen für den Fischfang oder für Tauchfahrten mieten können.
Als Frank in Key Largo ankommt, scheint das Hotel fast menschenleer. Nur ein paar Männer treiben sich an der Bar herum, und eine betrunkene Frau names Gaye Dawn (Claire Trevor), die Frank zu einem Glas einlädt, während die Männer, u.a. ein gewisser Toots (Harry Lewis) und einer mit Namen Curly (Thomas Gomez), auf Frank eher abweisend reagieren. Temple und Nora freuen sich über Franks Besuch, der ihnen vom Tod des Sohnes in Italien erzählt.
Es ist furchtbar schwül in Key Largo. Zudem kündigt sich ein schwerer Sturm an. Und die Polizei, Sheriff Wade (Monte Blue) und sein Deputy Clyde (John Rodney), suchen zwei Indianer, die in irgendeine krumme Sache verwickelt sein sollen – nichts Schlimmes, wie Temple meint, der einen guten Draht zu den Indianern auf den Key Largo vorgelagerten Inseln hat.
Im Hotel befindet sich noch jemand – ein Mann, den noch niemand richtig zu sehen bekommen hat, weil er die ganze Zeit auf dem Zimmer verbracht hat. Doch kurz nach Franks Ankunft erscheint er in der Hotelhalle. Und jetzt wird auch klar, warum er sich bislang verborgen hielt. Es handelt sich um Johnny Rocco(Edward G. Robinson), einen der früher führenden, bekannten Gangster in den Staaten, der vor Jahren ausgewiesen worden war und jetzt illegal wieder eingereist ist. Frank erkennt ihn sofort. Und im nächsten Augenblick sind er und die Temples Geiseln von Rocco und seinen Leuten, die natürlich bewaffnet sind.
Temple ist erzürnt, kann sich kaum beherrschen, nennt Rocco eine feigen Schurken; und Frank hat alle Mühe, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Rocco will sich mit anderen Gangstern in Key Largo treffen, um lukrative, natürlich illegale Geschäfte zu machen, um danach Richtung Kuba zu verduften. Als der Hurricane immer näher kommt, müssen alle im Haus bleiben – nur die Indianer, die zum Schutz vor dem Sturm von den Inseln gekommen sind, lässt Rocco aus in seiner Sicht verständlichen Gründen nicht ins Haus.
Für Frank und die Temples scheint es keine Möglichkeit zu geben, sich aus ihrer Geiselsituation zu befreien. Und dann verlangt Rocco von Frank, der sich mit Booten auskennt, auch noch, ihn nach Kuba zu bringen, weil sein eigenes kleines Schiff im Hurricane untergegangen ist ...
Huston erzählt eine relativ simple Geschichte, die allerdings in der Charakterdarstellung einem guten Theaterstück gleicht. Parallel mit dem herannahenden Hurricane verschärft sich auch die Situation im Hotel. So, wie es trotz des Sturmes immer schwüler wird, wird die Atmosphäre immer brenzliger. (Einer der Polizisten wird von den Gangstern ermordet. Später erschiesst der Sheriff aus Versehen die zwei Indianer, die er für die Mörder seines Deputies hält.)
Im Zentrum aber stehen fünf Personen und deren verschiedene Konflikte: Frank, der zunächst nichts tun will, um irgend jemandem im Hotel zu helfen, der nur seine eigene Haut retten will, und deshalb von der schönen Nora kritisiert wird; Temple, der über die Anwesenheit der Gangster so erbost ist, dass er sich manchmal nicht beherrschen kann; Gaye, die alkoholabhängige Geliebte Roccos (der sie jedoch inzwischen verachtet), die am Ende zu sein scheint. In dieser Konstellation entwickeln sich u.a. Konflikte zwischen Frank und Rocco. Frank bleibt in jeder noch so zugespitzten Situation äussert ruhig und gelassen und versucht, Rocco bei Laune zu halten, um sich, dann aber auch die anderen, v.a. Temple und Nora nicht zu gefährden. Als Nora Rocco ins Gesicht spuckt, weil der ihr eindeutige Angebote macht, wird es gefährlich. Aber auch hier weiss Frank Rocco bei seinem Gangsterimage zu packen, um ihn wieder zu beruhigen.
Edward G. Robinson präsentiert sich in einer seiner besten Rolle als machthungriger, skrupelloser und eitler Gangsterboss. Er spielt Rocco als einen Mann, der sich nach aussen als allmächtig gibt, als unsterbliche Seele seiner Art, sozusagen, als einer, der selbst seine Kumpane und erst recht die Trinkerin Gaye verachtet. Hinter dieser egozentrischen Person Rocco allerdings verbirgt sich ein Mann, der nichts mehr fürchtet, als dass es ihm an den Kragen geht. Besonders eindrucksvoll ist jene Szene, in der der Hurricane sehr nahe ist und das Haus erschüttert. Gläser fallen aus den Regalen. Und Robinsons Rocco horcht auf den Sturm, schaut gebannt und angsterfüllt an die Wände und an die Decke, ob das Haus wohl hält oder ihn demnächst der Sturm hinwegfegt. Frank merkt dies genau, lächelt über den wahren, feigen Charakter dieses „grossen“ Gangsters.
In Frank findet er sein geeignetes Gegenüber. Bogart spielt Frank McCloud als kühlen, besonnenen Kopf, der viel Menschenkenntnis besitzt und genau weiss, wie er Rocco nehmen muss. Er packt ihn vor allem bei seiner Eitelkeit. Rocco reagiert auf ihn neiderfüllt; er weiss, dass ausschliesslich der Besitz der Schusswaffen ihn gegenüber Frank überlegen macht. Für Robinson und Bogart nicht nur zwei Paraderollen; v.a. in der Kombination ihrer Rollen liegt die Würze des Geschehens.
Daneben glänzt der grosse, alte Lionel Barrymore in der Rolle des an den Rollstuhl gefesselten James Temple. Und obwohl der in seiner Bewegung eingeschränkt ist, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Barrymore spielt einen dieser alten, liebevollen Männer, die das Leben sehr genau kennen, einen der den Indianern der Inseln ebenso zugetan ist, wie er seine Schwiegertochter wie eine leibliche Tochter liebt, einen, der zwischen Recht und Unrecht genau zu unterscheiden weiss, den sein Zorn aber oft in heikle Situationen bringt. Auch Claire Trevor weiss die Trinkerin Gaye exzellent zu spielen, ihre Verzweiflung, Hilflosigkeit, ihren aussichtslosen Kampf um Anerkennung durch Rocco. Last but not least ist natürlich Lauren Bacall zu erwähnen – in ihrem vierten Film an der Seite ihres Ehemannes Humphrey Bogart (nach „Haben und Nichthaben“, 1944, „Tote schlafen fest“, 1946, und „Die schwarze Natter“, 1947)–, die eine selbstbewusste junge Frau spielt, die zwar Angst vor den Gangstern hat, aber deshalb trotzdem zu allem bereit ist, um dieser Situation zu entkommen. Dass sich zwischen Frank und ihr im Verlauf der Geschichte Liebe einstellt, dürfte niemanden verwundern.
Die über weite Strecken klaustrophobische Atmosphäre löst sich erst am Schluss – nach dem Sturm – auf. Und die lebensrettende Lösung für Frank ergibt sich aus einem völlig nachvollziehbaren Verrat.
Auch heute ist „Key Largo” noch ein absolut sehenswerter Film, der durch seine Charakterdarsteller glänzt und auch in den Nebenrollen durchaus gut besetzt ist.
Gangster in Key Largo
USA
1948
-100 min.
Regie: John Huston
Drehbuch: Maxwell Anderson, Richard Brooks, John Huston
Darsteller: Humphrey Bogart, Edward G. Robinson, Lauren Bacall
Produktion: Jerry Wald
Musik: Max Steiner
Kamera: Karl Freund
Schnitt: Rudi Fehr