Rezension zum Film von Uli Edel Der Baader Meinhof Komplex

Kultur

„Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heisst, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“

Kulisse von «Der Baader Meinhof Komplex» im Bavaria Filmstudio.
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Kulisse von «Der Baader Meinhof Komplex» im Bavaria Filmstudio. Foto: Aconcagua (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

20. Mai 2009
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Das sind die Worte von Ulrike Meinhof, Intellektuelle, Journalistin, Mutter von zwei Kindern und Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) kurz nach deren Gründung. Mit «Der Baader Meinhof Komplex», benannt nach dem Buch von Stefan Aust, ist Uli Edel ein für deutsche Verhältnisse mitreissender, actiongeladener Film über ein Phänomen gelungen, von dem die meisten jungen Menschen heute nicht die geringste Ahnung haben. Chronologisch vorgehend, schafft es der Regieseur mit der nötigen Distanz einen relativ guten Überblick über die Geschehnisse zu verschaffen.

Nur manchmal ist der Plot vielleicht zu vollgestopft, so dass dem Zuschauer kaum Zeit zum Nachdenken bleibt. Wahrscheinlich ist das aber sogar gewollt, denn ganz nach postmoderner Manier ist eine klare Meinung gar nicht der Inhalt des Streifens. Gut und Böse, Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge, sind nicht klar umrissen und würden vermutlich auch niemand im Publikum interessieren. In einer Zeit in der Hollywood jeden Krieg zu einem Effektfeuerwerk verkitscht und eine Doku von Michael Moore genauso lustig wie Borat empfunden wird ist der Zuschauer von zu viel Authentizität gelangweilt. Die Geschichte wurde ohnehin schon tausende Male erzählt: Die Zeit der 68er, Ermordung von Benno Ohnesorg, Radikalisierung, Brandanschläge, Verurteilungen, Befreiungen, Bombenattentate, wieder Verhaftungen, Entführungen, Selbstmord, Mord, Friede, Freude, Selbstgerechtheit.

Uli Eidel will mit diesem Film nicht aufklären. Weder ideologiekritisch in dem er erklärt was denn die angesprochene Hauptlinie der selbsternannten maxistisch-lenistischen Stadtguerilla gewesen sein soll, noch empirisch in dem er die Fakten genauer unter die Lupe nimmt. Das wäre von einem Spielfilm von 150 Minuten Dauer auch zu viel verlangt, man will das Puplikum ja nicht überfordern.

Der Interpretationsspielraum des Regisseurs lag vor allem in der Darstellung der Charaktere die er grossteils recht überzeugend umgesetzt hat. Nur Baader (Moritz Bleibtreu) als um sich schiessender und ständig fluchender Rock'n'Roller fand ich etwas naiv und verkürzt in Szene gesetzt. Ansonsten kann man die Leistung der zahlreichen Schauspieler nur loben. Vor allem Stipe Erceg als gequälter und sterbender Holger Meins hat wieder einmal sein ausserordentliches Talent unter Beweis gestellt. Die Kameraführung war recht konventionell. Auflockernd fand ich die Einschnitte mit Berichten aus den 60ern und 70ern, durch die man sich besser in die Zeit (wenn auch nur vor den Fernseher der Massen) zurück versetzt fühlen konnte.

Zum Schluss bleibt alles offen und irgendwie sinnentleert. War die Radikalisierung von jungen Menschen mit der Perspektive auf eine Revolution eine unvermeidliche Folge aus der Repression des Staates, oder war es eher umgekehrt? Ohne RAF keine Rasterfahndung und andere Befugnisse für Polizei und Justiz in Richtung Überwachungsstaat. In ihren Anfängen waren noch über 30% der deutschen Zivilbevölkerung laut Umfragen dazu bereit RAF-Guerillas bei sich zu Hause zu verstecken. Als sich der „Befreiungskampf“ immer mehr zu einem Privatkrieg mit den deutschen Behörden entwickelte und namhafte linke Intellektuelle der RAF ihre Berechtigung absprachen, rannten die Revolutionäre in eine Sackgasse. War ihre Vision eine Illusion? Klar war, dass man es verabsäumt hatte eine breitere Basis an Unterstützung zu bekommen und jetzt ziemlich alleine da stand.

Ob nun die Todesnacht von Stammheim ein Mordkomplott oder Selbstmord unter staatlicher Aufsicht war ist nach wie vor eine Frage die im Raum steht. Fakt ist, dass die Vision von Baader, Ensslin und Meinhof zu diesem Zeitpunkt schon gescheitert und ihr Tod quasi die letzte Konsequenz aus der Form ihres Protests war. Doch bevor ich das Thema zerrede und den Film uninterresant mache, gebe ich das Wort an jemand ab, der ein besseres Resumee getextet hat:

„Nun kämpfen die Menschen nur noch für Hunde und Benzin,
folgen irgend nem Zlatko und nicht mehr Baader und Ensslin,
die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten,
für sie herrschen sorglose Zeiten,
da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschäfte zu betreiben,
endlich ham sie keine Angst mehr,
verkaufen fröhlich ihre Panzer,
jeden Tag sieben Kinder abschieben,
und dann zum Essen mit dem Kanzler… “

(Jan Delay, Die Söhne Stammheims)

Parker
film-rezensionen.de

Der Baader Meinhof Komplex

Deutschland

2008

-

144 min.

Regie: Uli Edel

Drehbuch: Bernd Eichinger

Darsteller: Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Johanna Wokalek

Produktion: Bernd Eichinger

Musik: Peter Hinderthür, Florian Tessloff

Kamera: Rainer Klausmann

Schnitt: Alexander Berner

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.