Es ist Sylvester, 21 Uhr. Maitre Emile Martinaud (Michel Serrault) wurde vorgeladen, weil er die Leiche eines achtjährigen Mädchens entdeckt hatte – nachdem man einige Wochen zuvor bereits die Leiche eines gleichaltrigen Mädchens am Strand gefunden hatte. Beide Kinder wurden missbraucht. Inspektor Gallien (Lino Ventura) und sein Kollege Belmont (Guy Marchand) verhören den angesehenen Notar – zunächst nur als Zeuge. Doch die Überheblichkeit des Maitre Martinaud und vor allem seine teilweise widersprüchlichen Aussagen machen ihn in den Augen Galliens bald zu einem Verdächtigen.
Das Verhör zieht sich hin. Martinaud behauptet, mit dem Hund eines Nachbarn unterwegs gewesen zu sein, als er das zweite Opfer gefunden hatte. Aber Zeugen hatten ihn nur allein gesehen. Und: Wenn er einen Hund dabei gehabt hätte, hätte der nicht die Leiche des Kindes zuerst finden müssen? Wieso war sein Mantel sauber, als er die Leiche entdeckte – an einem Ort, an dem er sich durch Sträucher kämpfen und durch Dreck gehen musste?
Auch in der Nacht, als das erste Kind ermordet worden war, war Martinaud in der Nähe des Tatorts. Angeblich hatte er seine kranke Schwester besucht, hielt sich dann eine Weile in einem Bistro auf, um sich dann mitten in der Nacht einen Leuchtturm anzusehen und schliesslich in das Haus seiner Schwester zurückzukehren. Doch dabei hätte er am Strand entlang gehen und die Leiche des ersten Opfers finden müssen. Um Mitternacht erscheint auf dem Polizeipräsidium Martinauds junge Frau Chantal (Romy Schneider) – und sie belastet ihren Mann schwer. Gallien weiss inzwischen von Martinaud selbst, dass die Ehe der beiden am Ende ist. Seit zehn Jahren schlafen Martinaud und Chantal in getrennten Schlafzimmern. Chantal aber nennt als Grund dafür etwas, was Martinaud verschwiegen hatte: An einem Weihnachtsabend habe sich der Maitre intensiv mit seiner kleinen Nichte Camille beschäftigt. Und sie, Chantal, habe den Eindruck gehabt, beide hätten wie Mann und Frau miteinander gesprochen. Das habe sie dem Gesicht des Kindes angesehen. Seit dieser Zeit habe sie sich von ihrem Mann zurückgezogen. Zudem habe sie einen Beweis gegen ihren Mann: den Abholschein einer Reinigung, zu der Martinaud seinen verdreckten Mantel am Tag nach dem Fund der zweiten Leiche gebracht habe. Gallien scheint Martinaud nun in die Enge treiben zu können ...
Tatsächlich trifft Wainwrights Romantitel – Gehirnwäsche – gleich in mehrfacher Hinsicht auf diese Geschichte zu. Die Verhörsituation für Martinaud, in ihrer Intensität forciert von Inspektor Gallien, kommt einer Gehirnwäsche sehr nahe. Denn Gallien gibt sich mit nichts zufrieden, was der Maitre aussagt. Das mag seinen Grund in den „kleinen” Widersprüchen und Halbwahrheiten haben, die der Notar von sich gibt. Aber sehr schnell wird klar, dass Gallien und Belmont – weil sie den Notar für den Mörder der Mädchen halten – ihn darüber hinaus zu einem Geständnis zwingen wollen. Das In-die-Enge-Treiben bezieht sich nämlich nicht nur auf die Aufklärung der Mordfälle. Ruhig, ja gelassen, hört sich Gallien an, was Martinaud in vielen Einzelheiten über seine (gescheiterte) Ehe mit Chantal sagt – Dinge, die mit dem Fall eigentlich nichts zu tun haben.
Aus Martinauds Sicht sind diese Geschichten letztlich eine Kapitulationserklärung. Er macht sich lächerlich, ja, die Polizisten sehen in ihm bald nicht mehr den angesehenen Notar, den Maitre Martinaud, sondern nur noch einen feigen, erbärmlich wirkenden, sich selbst erniedrigenden Mann, der bezüglich seiner Ehe nicht die Kraft aufgebracht hat, die Dinge ins Reine zu bringen. Auch dies – diese andere Sicht auf den angesehenen Bürger der Stadt – veranlasst Belmont schliesslich, als Gallien gerade einmal den Raum verlassen hat, auf Martinaud loszugehen, ihm ein paar zu verpassen. Es ist nicht so sehr der Verdacht, eher diese Erbärmlichkeit Martinauds, die Belmont dazu verleitet, auf den Maitre einzuschlagen.
Martinaud „gesteht”, wegen des Scheiterns seiner Ehe des öfteren Prostituierte aufgesucht zu haben. Und so gibt er schliesslich zu, im Zeitpunkt des ersten Mordes nicht den Leuchtturm besucht zu haben, sondern eine Prostituierte.
Man weiss nicht genau, was der Vorfall mit seiner Nichte bei Chantal alles ausgelöst hatte. Sicher ist nur, dass seit diesem Zeitpunkt die Kommunikation des Paares empfindlich gestört war – zehn Jahre lang. Der Verdacht Chantals gegen den Maitre, das tiefe Misstrauen und die psychischen Defizite, die dadurch ausgelöst wurden, verdoppeln sich in einem tragischen Sinn in dem Verhör selbst. Martinaud versteht zwar, dass Gallien ihn als Mörder verdächtigt; aber eigentlich beschäftigt ihn ganz anderes: nämlich ausschliesslich er selbst. Er, der Maitre, ist sein einziges Interesse – in seiner gescheiterten Ehe wie im Verhör.
Hier erweist sich eine andere Bedeutung von „Gehirnwäsche”. Das Denken des Martinauds kreist ausschliesslich um ihn selbst. Immer „enger” werden seine Gedanken in dieser Hinsicht, immer weiter schnürt sich sein Leben zu auf die Frage seiner gescheiterten Ehe. Selbst in dem Verhör interessiert er sich nur für diesen Punkt – sein eigenes Scheitern. Martinaud quält sich selbst.
Michel Serrault spielt in überzeugender und ausdrucksstarker Weise einen Mann, der nur nach aussen als angesehen und selbstbewusst, stark und mächtig wirkt. Das begreifen Gallien und Belmont sehr schnell. Während Gallien als erfahrener, mit allen Wassern gewaschener Bulle, der sich nichts so schnell vormachen lässt, daran arbeitet, Martinaud in die Ecke zu drängen – mit allen Mitteln –, platzt Belmont der Kragen: für ihn „kombinieren” sich die Schwäche dieses Mannes, der ihm da erst zynisch und arrogant, dann kleinlaut und erbärmlich gegenübersitzt, und die vermeintliche, für Belmont sichere Täterschaft des Notars zu einem explosiven Gemisch.
Martinaud äussert nach dem gewalttätigen Vorwurf, ein spontaner Ausbruch wie der von Belmont sei ihm lieber als die erniedrigenden Verhörmethoden Galliens. In diesen Worten steckt mehr Wahrheit über den Maitre, als man vielleicht glauben mag. Lieber lässt er sich schlagen, als erniedrigen – als ob dies eine wirkliche Alternative wäre! Doch Martinauds Charakter kommt dies sehr nahe. Für ihn ist auch das Verhalten Chantals – Romy Schneider in ihrer vorletzten Rolle vor ihrem Tod – eine permanente Erniedrigung. Er war und ist nicht fähig, entweder mit ihr zu sprechen oder sie zu verlassen. Der Masochismus dieses Mannes scheint grenzenlos. Der Vorfall mit seiner Nichte ist in dieser Hinsicht weniger ein Zeichen für eine mögliche Neigung des Notars, sich über kleine Mädchen herzumachen. Diese Hinwendung zu Camille, die Chantal so verletzt zu haben schien, hat ihre Bedeutung eher darin, dass Martinaud nur gegenüber einem Kind erwachsen reagieren kann. Nur in diesem Kind kann er Erwachsensein akzeptieren und damit – aber eben auf verquere Weise – umgehen. Genau dies, ist zu vermuten, hatte Chantal anlässlich des Vorfalls erkannt, erschreckt, verletzt und in die Distanz zu ihrem Mann getrieben.