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Curveball – Wir machen die Wahrheit

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Curveball – Wir machen die Wahrheit Egal, Hauptsache Krieg!

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Kultur

„Curveball – Wir machen die Wahrheit“ berichtet, wie im Vorfeld des Irakkriegs auch hierzulande fleissig nach Beweisen für Massenvernichtungswaffen gesucht wurde und dafür die Wahrheit recht grosszügig ausgelegt wurde.

Der deutsche Schauspieler Sebastian Blomberg spielt in dem Film die Rolle des BND-Biowaffenexperten Wolf.
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Der deutsche Schauspieler Sebastian Blomberg spielt in dem Film die Rolle des BND-Biowaffenexperten Wolf. Foto: Michael Thurm (CC-BY-SA 2.0 cropped)

Datum 16. November 2024
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Lesezeit4 min.
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Das ist schockierend und unterhaltsam zugleich, die Satire entlarvt die Beteiligten als skrupellos oder inkompetent, manchmal auch beides.

BND-Biowaffenexperte Wolf (Sebastian Blomberg) ist sich sicher: Der Irak hat Massenvernichtungswaffen. Er weiss nur nicht wo. Da trifft es sich doch vorzüglich, als sein Vorgesetzter Schatz (Thorsten Merten) ihn als Führungsoffizier für den irakischen Asylbewerber Rafid Alwan (Dar Salim) einteilt. Denn der behauptet, als Ingenieur an Saddam Husseins geheimem Biowaffenprogramm beteiligt gewesen zu sein. Also muss Wolf ihm nur diese Informationen entlocken und stünde damit als Held da, haben doch nicht einmal die USA Ahnung davon, wo sich die vermuteten Waffen befinden. Die Sache hat nur einen Haken: Alwan, der den Decknamen Curveball trägt, weiss selbst, wie wichtig solche Informationen wären, und ist deshalb fest entschlossen, sie zu seinen Zwecken zu nutzen …

Egal, Hauptsache Krieg!

Derzeit ist das Debakel um den Rückzug aus Afghanistan in allen Medien. Da passt es irgendwie ganz gut, wenn nach zahlreichen Verschiebungen Curveball – Wir machen die Wahrheit doch noch in unsere Kinos kommt. Dort geht es jedoch nicht um den verlorenen Krieg, der nach den Anschlägen am 11. September 2001 seinen Anfang nahm. Stattdessen dreht sich alles um den darauffolgenden ebenfalls desaströsen Irakkrieg. Der Unterschied: Während der Krieg in Afghanistan seinerzeit mehr oder weniger unvermeidbar war, weil die tief getroffenen USA eine tatkräftige Antwort auf das Trauma brauchten, und deshalb alle beteiligten Länder ohne gross nachzufragen Ja sagten, sah das zwei Jahre später schon anders aus. Der Einmarsch im Irak basierte auf derart fadenscheinigen Argumenten, dass plötzlich viele Länder ihre Gefolgschaft verweigerten.

Curveball – Wir machen die Wahrheit ist jedoch kein Film darüber, wie die US-Amerikaner mit sehr grosszügig interpretierten „Erkenntnissen“ einen Krieg rechtfertigten. Schlimmer, aus deutscher Sicht: Hierzulande sah das nicht besser aus. Genauer erzählt Regisseur und Co-Autor Johannes Naber davon, wie aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus kräftig an der Wahrheit herumgedeutet und herumgepfuscht wurde. Alwan sagt, was die Leute hören wollen, in der Hoffnung, dass er dann in Deutschland bleiben darf. Wolf hört, was er hören will, weil das seiner Karriere förderlich ist. Und auch diverse andere mischten dabei kräftig mit, machten die Geschichte aufgrund von Skrupellosigkeit, manchmal auch einfach Inkompetenz, noch schlimmer, als sie hätte sein müssen.

Der Politiker als dankbares Feindbild

Dass Naber diese charakterlichen Mängel gnadenlos ausschlachtet, dürfte niemanden verwundern, der seinen Film Zeit der Kannibalen kennt. Dort waren es Unternehmensberater, die mit viel Spass an böser Satire und einer Vorliebe fürs Absurde an den Pranger gestellt wurden. Bei Curveball – Wir machen die Wahrheit sind es eben Politiker, als Feindbild funktionieren die ebenso gut. Sie funktionieren vielleicht sogar noch ein bisschen besser, denn während Berater einen, unabhängig davon, wie man zu diesen steht, im Leben meist nur beiläufig betreffen, sind die Entscheidungen der Politik von einer grösseren Tragweite. Wer dort Mist baut oder sich selbst bereichern möchte, der tut das auf Kosten der Allgemeinheit. Und wo es einen selbst betrifft, da hört der Spass auf.

Wobei man natürlich durchaus seinen Spass an Curveball – Wir machen die Wahrheit haben kann. Denn so ärgerlich bis schockierend die Vorgänge hinter den Kulissen sein mögen, Unterhaltungsfaktor haben diese schon. Gerade Hauptdarsteller Sebastian Blomberg (Der Staat gegen Fritz Bauer) brilliert in der Rolle des verbissenen Waffenexperten, der sich nichts sagen lassen will – ausser, das Gesagte passt in seinen Plan. Und es ist eben auch die schiere Absurdität der Geschichte, die einen am Ball bleiben lässt. Im direkten Vergleich mit Zeit der Kannibalen mag die Kriegssatire, die auf der Berlinale 2020 Premiere feierte, nicht ganz so griffig sein.

War dort das Geschehen sehr eng umgrenzt, franst das diesmal wegen der zahlreichen beteiligten Leute, Gruppierungen und Interessenslagen etwas aus. Andererseits darf man deswegen auch besonders fassungslos sein, wie weit die Kreise dieser recht eigenen Wahrheitsfindung sich zogen. Geahnt hat man das immer. Am Ende war es schlimmer.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Curveball – Wir machen die Wahrheit

Deutschland

2020

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109 min.

Regie: Johannes Naber

Drehbuch: Johannes Naber, Oliver Keidel

Darsteller: Sebastian Blomberg, Dar Salim, Virginia Kull

Produktion: Amir Hamz, Christian Springer, Fahri Yardım

Musik: Johannes Naber

Kamera: Sten Mende

Schnitt: Anne Jünemann

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.