UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Bohemian Rhapsody | Untergrund-Blättle

5078

Bohemian Rhapsody Auf den extravaganten Spuren eines Genies

Kultur

„Bohemian Rhapsody“ beleuchtet die Hintergründe der britischen Band Queen, die mit teils sehr experimentellem Rock Musikgeschichte geschrieben haben.

Freddie Mercury in New Haven, November 1977.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Freddie Mercury in New Haven, November 1977. Foto: Carl Lender (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

28. Oktober 2018
0
0
5 min.
Drucken
Korrektur
Dem Biopic selbst fehlt dieser Mut, da wurde viel zusammengestrichen und beschönigt, die Wildheit zusammengestutzt. Das ist sehr konventionell, aber immer noch sehenswert, da sich Rami Malek voller Spielfreude in seine Rolle wirft und viel Musik der Gruppe zu hören ist. Die anderen Mitglieder kommen dabei aber zu kurz.

Es war reiner Zufall, der Freddie Mercury (Rami Malek), Brian May (Gwilym Lee), Roger Taylor (Ben Hardy) und John Deacon (Joseph Mazzello) 1970 zusammenführte. Oder auch Schicksal: Als die vier die Band Queen gründen, konnte keiner ahnen, welche riesigen Erfolge sie einige Jahre später feiern sollten – auch wegen eines bis dato unbekannten Experimentierwillens. Privat kannte Mercury ebenso wenig Zurückhaltung oder Grenzen, was ihm jedoch bald zum Verhängnis wird. So zerbricht seine Beziehung zu Mary Austin (Lucy Boynton) an seinen diversen homosexuellen Affären. Und auch körperlich wird er die Folgen seines ausschweifenden Lebens zu spüren bekommen.

Wenn Filme über Jahre hinweg immer wieder in Arbeit sind, währenddessen Regisseure und Schauspieler munter getauscht werden, dann besteht natürlich immer die Gefahr, dass am Ende nichts Halbes und nichts Ganzes herauskommt. Bei Bohemian Rhapsody durfte man gleich doppelt misstrauisch sein. Nicht nur, dass der ursprünglich als Freddie Mercury vorgesehene Sacha Baron Cohen irgendwann ausstieg, weil ihm die Richtung des Projekts nicht gefiel. Auch Regisseur Bryan Singer (Die üblichen Verdächtigen) wurde, noch während des Drehs, seiner Aufgaben enthoben und durch Dexter Fletcher (Make My Heart Fly – Verliebt in Edinburgh) ersetzt, der den Film abschloss.

Eine Geschichte wie viele andere auch

Die gute Nachricht: Dieser ganze Trubel ist Bohemian Rhapsody nicht anzusehen. Der Film ist durch und durch kompetent, ohne nennenswerte grössere Mängel oder Fehler. Die schlechte Nachricht: Es mangelt dem Biopic dafür an Persönlichkeit. In der Angst, Familien abzuschrecken oder das Ansehen von Mercury zu schmälern, wurde konsequent gebügelt und geglättet, bis am Ende ein stromlinienförmiges Porträt einer Band herauskam, die eben genau das nicht war.

Wobei sich Bryan Singer und Drehbuchautor Anthony McCarten (Die dunkelste Stunde) ohnehin nicht wirklich für die Band interessieren. Natürlich dürfen die drei anderen auftauchen, dann und wann auch ein bisschen zu einem Lied beitragen. Einer der Höhepunkte ist die Aufnahme zu dem bahnbrechenden titelgebenden Bohemian Rhapsody, das Rock und Nonsens-Oper miteinander kreuzte und zu einem der ungewöhnlichsten Rockhits aller Zeiten wurde. Die meiste Zeit über werden die Bandmitglieder aber als Kontrastmittel missbraucht. Auf der einen Seite der alles überstrahlende Mercury, dessen Extravaganz und schillernden Auftritte das Zentrum alles Geschehens sind. Auf der anderen Seite die Statisten an den Instrumenten, die nur als Block auftreten und keinen echten Charakter zeigen dürfen.

Auf den extravaganten Spuren eines Genies

Immerhin: Rami Malek, den meisten als paranoider Hacker aus Mr. Robot bekannt, mag Mercury vielleicht nicht so ganz ähnlich sehen, wirft sich aber mit Leib und Seele in seine Rolle. Ob er nun als stolzer Pfau durch die Gegend stolziert oder er besessen an Details der Musik arbeitet, seine Spielfreude steht in einem starken Kontrast zu dem oft biederen Drumherum. Und natürlich dürfen sich Queen-Fans auf jede Menge Lieder der Ausnahmeband freuen – unter anderem tauchen die Evergreens Love of My Life, We Will Rock You, Radio Gaga und Another One Bites the Dust auf. Wer die notorisch wandelbaren Rocker liebt, der hat dann auch eindeutig mehr vom Film.

Wer die Rocker hingegen kennenlernen möchte, der ist hier entgegen aller Hoffnung nur bedingt gut aufgehoben. Wohl auch auf Druck der überlebenden Mitglieder von Queen wurde hier viel gestrichen und umgeschrieben. Das reicht von kleineren Details bis zur zynischen Umdeutung seiner letztendlich tödlichen AIDS-Erkrankung, die hier als dramatisches Mittel benutzt wird. Nun neigen Biopics oft dazu, sich nicht so ganz an den tatsächlichen Verlauf zu halten und gerne mal aus dramaturgischen Gründen zu verdichten. Und auch eine leichte Glorifizierung ist in diesem Bereich durchaus üblich.

Problematisch wird es aber, wenn wie hier durch die ganzen Änderungen letztendlich auch das Besondere verlorengeht. Bohemian Rhapsody ist ein zwar unterhaltsamer, aber schrecklich konventioneller und ängstlicher Film über eine Band, die mutig Mauern einreissen wollte. Ein Film, der niemandem weh tut, vielleicht auch den einen oder anderen für die Musik hinzugewinnen wird, aber weit davon entfernt ist, selbst Geschichte zu schreiben. Ein Biopic unter vielen, nicht mehr, nicht weniger.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Bohemian Rhapsody

USA

2018

-

135 min.

Regie: Bryan Singer, Dexter Fletcher

Drehbuch: Anthony McCarten, Peter Morgan

Darsteller: Rami Malek, Ben Hardy, Gwilym Lee

Produktion: Graham King, Jim Beach, Robert De Niro, Peter Oberth, Brian May, Roger Taylor

Musik: John Ottman, Brian May, Roger Taylor

Kamera: Newton Thomas Sigel

Schnitt: John Ottman

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.

Mehr zum Thema...
Freddie Mercury in New Haven, November 1977.
Bohemian RhapsodyFreddie ist zurück

06.12.2018

- In „Bohemian Rhapsody“ wird die Geschichte von Freddie Mercury und seiner legendären Band „Queen“ nachgezeichnet.

mehr...
Die Beach Boys live im Central Park, Juli 1971.
Biopic von Bill PohladBeach Boys: Love & Mercy

19.10.2015

- Wer ist Brian Wilson? Eine wirkliche Antwort bietet „Love & Mercy“ nicht, dafür konzentriert sich der Film zu sehr auf sein [...]

mehr...
Freddie Mercury live in New Haven 1977.
Musiker und Mega-StarsIronie des Schicksals

17.02.2015

- Ich habe eben einen Mitschnitt von einem Freddy Mercury Tribute Konzert gesehen. Ich war früher Queen Fan, also habe ich da mal rein-geschaut.

mehr...
FUZZY-Filmtipps Cinema Quadrat, Mannheim K1 / ab Juni jeden Samstag: Sommerkino Open Air / jeweils 22:00 Uhr mit [...]

01.06.2022 - Ab Juni jeden Samstag: Sommerkino Open Air auf der Dachterrasse des Cinema Quadrat in Mannheim K1 mit musikalischem Rahmenprogramm und passenden Getränken/Cocktails Bei schlechtem Wetter laufen die Filme in unserem Kinosaal. Einlass ab 20:30 Uhr Eintrittspreis: 10 Euro / erm. 8 Euro / Mitglieder Cinema Quadrat e.V. 7 Euro 04.06.2022 / 22:00 Uhr Bohemian Rhapsody USA/GBR 2018 R: Bryan Singer.

Erinnerung an Freddy Mercury

15.02.2021 - AIDS: Wir erinnerten uns an die Hollywood-Legende Rock Hudson, den „Queen“-Frontmann Freddie Mercury und den AIDS-Aktivisten Napoleon Seyfarth, die alle an bzw. mit dem Virus gestorben sind.

Dossier: Psychiatrie
Klinikenhöxter (   - )
Propaganda
Helene Fischer: Von Kinderhand für mich gemacht

Aktueller Termin in Frankfurt am Main

Demokratie & Eigentum

Symposium zum 175. Jubiläum der Paulskirchenversammlung von 1848. Fr. 21.04. – Sa. 22.04. 2023

Mittwoch, 22. März 2023 - 09:00 Uhr

Studierendenhaus, Mertonstraße 26, 60325 Frankfurt am Main

Event in Berlin

Die Veranstaltungist für alle offen

Mittwoch, 22. März 2023
- 18:00 -

Zielona Góra

Grünberger Str. 73

10245 Berlin

Mehr auf UB online...

Der Parteivorsitzende der Grünen Partei in Frankreich Yannick Jadot (links), Januar 2022.
Vorheriger Artikel

Europas grüne Parteien auf bellizistischen Irrwegen

Mehr Krieg, um den Krieg zu beenden?

Sandra Bullock (hier 2013 in London) spielt in dem Film die Rolle von Jean Cabot.
Nächster Artikel

L.A. Crash

Das Fremde im Eigenen

Untergrund-Blättle