Sie gehören fest zum Repertoire bei Netflix: Dokumentationen über Berühmtheiten. Dieses Jahr gab es mehrere, die einem die Stars aus den verschiedensten Bereichen der Unterhaltungsindustrie näherbringen wollen. In Victoria Beckham durfte die Pop-Sängerin und Mode-Designerin auf ihr Leben zurückblicken. Bei aka Charlie Sheen durften wir mehr über den bekannten Schauspieler erfahren – grosse Erfolge und grosse Exzesse inklusive. Christopher – A Beautiful Real Life wiederum schilderte, wie der schwedische Sänger damit kämpft, sein Privatleben und das Leben auf der Bühne irgendwie in Einklang zu bringen. Nun gibt es wieder Nachschub aus dem Segment, mit Babo – Die Haftbefehl-Story ist nun ein deutscher Künstler an der Reihe.
Zwischen Lobpreisung und Schock
Dieser hat sicherlich genug erreicht, um einen eigenen Film zu verdienen. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehört Haftbefehl zur Speerspitze des deutschen Raps, landete in den Charts immer weit oben. Die Resonanz beim Fachpublikum war ebenfalls positiv, wobei seine Texte durchaus auch Kritik auf sich zogen, vor allem der Hang zum Antisemitismus wurde immer wieder vorgeworfen. In Babo – Die Haftbefehl-Story wird dieses Thema nicht aufgegriffen, was aber auch nicht zu erwarten war. Solche biografischen Dokumentationen vermeiden es praktisch immer, die porträtierte Person wirklich kritisch zu hinterfragen. Meistens handelt es sich um filmische Lobpreisungen, denen die notwendige Distanz fehlt. Das ist hier nicht wirklich anders, wenn einem immer wieder klargemacht wird, wie unglaublich krass und unangepasst der Rapper ist.Die Interviews mit Haftbefehl, der bürgerlich eigentlich Aykut Anhan heisst, sind da schon interessanter. Wobei man an der Stelle klar sagen muss: Der Mann ist in solchen Gesprächssituation kein geborener Redner, ist weder eloquent noch charismatisch. Tiefgründig ist das auch nicht gerade, was er von sich gibt. Mitunter ist es daher anstrengend ihm zuzuhören. Man kann ihm jedoch kaum vorwerfen, sich zu verstellen oder von einer besten Seite zeigen zu wollen. Babo – Die Haftbefehl-Story spricht etwa von der Zwangseinweisung durch den Bruder, der zuvor die Vormundschaft über ihn erhalten hatte. Und der Film zeigt ihn in seiner aktuellen Form: aufgedunsen, schwerfällig, um Worte ringend. Ein Heldenporträt ist das dann sicherlich nicht.
Inszenierung mit dem Holzhammer
Wobei auch die Direktheit natürlich inszeniert ist. Wenn Regisseur Juan Moreno, der durch seine Spiegel-Enthüllungen bekannt geworden ist, den Protagonisten fragt, warum er nicht abbricht und dieser daraufhin sagt, dass das alles ganz echt sein soll, dann wird schon kräftig der Holzhammer geschwungen. Offensichtlich wird dem Publikum nicht vertraut, eigene Schlüsse zu ziehen, weshalb diesem zugeredet wird. Und auch der Einsatz von Musik ist bei Babo – Die Haftbefehl-Story alles andere als subtil geworden. Das wird dann schon sehr schwülstig, damit auch die letzten verstehen, was sie gerade fühlen sollen. Die hohe Filmkunst ist das nicht gerade.Die Lebensgeschichte an sich ist dabei auch so schon emotional genug. Die Passage etwa, wenn es um die diversen Selbstmorde in der Familie geht, braucht keine Inszenierung, um Wirkung zu erzielen. Auch an anderen Stellen gewinnt der Dokumentarfilm diese raue Unmittelbarkeit, mit der er verkauft wird. Das geschieht nur nicht oft genug. Auch wenn es natürlich bemerkenswert ist, wie sehr Babo – Die Haftbefehl-Story die hässlichen Seiten beleuchtet und damit von anderen Künstlerporträts abweicht: Man würde sich doch wünschen, dass der Film mutiger wäre, ehrlicher, anstatt sich auf diese Weise mit Abgründen schmücken zu wollen. Für Fans ist das sehenswert, auch als Warnung vor dem, was Drogen mit einem anstellen können. Tatsächlich gut ist das Ergebnis aber nicht.



