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Armageddon | Untergrund-Blättle

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Armageddon Von Bruce, dem Weltenretter

Kultur

„Armageddon“ hat durchaus einige, allerdings wenige spannende Momente. Doch was uns Bay und Bruckheimer über 144 lange Minuten ansonsten abliefern ist: dramaturgischer Nonsens.

Der US-amerikanische Regisseur Michael Bay am Set von «Transformers».
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Der US-amerikanische Regisseur Michael Bay am Set von «Transformers». Foto: Larry A. Simmons (PD)

19. August 2020
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Ich mag ja nun wirklich Bruce Willis. Und wie er mit seiner Filmtochter Liv Tyler anfangs in „Armageddon“ als völlig überbesorgter Vater umspringt (bzw. mit deren Filmliebhaber Ben Affleck), ist ganz nett anzuschauen. Auch Billy Bob Thornton hat es mir angetan. Seine Leistungen in „The Man Who Wasn't There“ (2001) und „Monster's Ball“ (2001) waren hervorragend. Nur in dem 1998 gedrehten Halb-Sciencefiction, Halb-Katastrophenfilm, den Kriegsfilmproduzent Jerry Bruckheimer („Pearl Harbor“, „Black Hawk Down“, „Bad Company“) und Regisseur Michael Bay auf die Leinwand warfen, werden nicht nur sie, sondern ebenso die anderen Schauspieler mächtig unterfordert.

Ein Meteoritenhagel hat eine Raumfähre der NASA völlig zerstört. Wenig später verwüsten Meteoriten Teile der Ostküste der USA, u.a. auch New York. Ein Hobby-Astronom entdeckt einen riesigen Asteroiden, der sich mit einer Geschwindigkeit von 40.000 Stundenkilometern der Erde nähert. Die NASA und ihr Chef Dan Truman (Billy Bob Thornton) errechnen, dass bei einem Aufprall des Asteroiden die gesamte Erde verwüstet würde: „Niemand würde überleben, nicht einmal Bakterien.“ Die Zeit ist knapp. Weniger als zwei Wochen bleiben, um die Richtung des Asteroiden zu ändern. Ein Team, das Truman zusammenstellt, sieht nur eine Möglichkeit:

Der Beschuss durch Nuklearwaffen hätte keinen Erfolg. Ein Wissenschaftler erklärt, was zu tun ist: Wenn man einen Silvesterkracher in der ausgestreckten Hand explodieren lasse, führe das nur zu geringen Verletzungen. Lasse man ihn allerdings in der geschlossenen Hand krachen, würde die Hand zerfetzt. Genau das müsse mit dem Asteroiden geschehen. Ein Expertenteam soll aufgeteilt auf zwei Raumschiffe auf den Asteroiden gebracht werden, um dort ein 250 Meter tiefes Loch zu bohren, in das Nuklearsprengköpfe versenkt werden. Nach der Fernzündung der Sprengköpfe würde der Asteroid in zwei Teile gespalten, die dann knapp „rechts“ und „links“ an der Erde vorbei sausen würden. Und alles wäre wieder in Butter.

Gesagt. Aber wie getan? Da kommt nur einer in Frage: der langjährig erfahrene für die Ölindustrie tätige Bohrexperte Harry Stamper (Bruce Willis), der sich gerade über Umweltschützer mokiert und damit beschäftigt ist, seinem „besten Freund“ A. J. Frost (Ben Affleck) die Leviten zu lesen, sprich: auf ihn zu schiessen, weil der es seit einem halben Jahr mit seiner über alles geliebten Tochter Grace (Liv Tyler) treibt. Ein Hubschrauber unterbricht die Ballerei. Stamper und Frost sind selbstverständlich bereit, mitzukommen und die Erde zu retten. Stamper verlangt allerdings von Truman, ein eigenes Team zusammenzustellen, das ihm bei der schwierigen Bohrung auf dem Asteroiden hilft. Je drei professionelle Astronauten pro Raumschiff und die im Schnelldurchgang ausgebildeten Bohrexperten, die aus allen Teilen der USA zusammengekratzt werden müssen, starten. Unterwegs machen sie Halt an einer russischen Raumstation, um zu tanken. Da tauchen die ersten Probleme auf: Die Benzinleitungen sind undicht. Es besteht Explosionsgefahr ...

Eines kann man Jerry Bruckheimer nicht absprechen. Er hat ein Gespür für Kriegsfilme, auch wenn momentan gerade mal kein irdischer Feind in Sichtweite ist. Denn „Armageddon“ ist tatsächlich das, was man einen Ersatzkriegsfilm nennen könnte. Die Story ist dermassen dünn und hanebüchen aufgebaut, dass es einen graust. Aber alles, was zu einem richtigen Kriegsfilm dazu gehört ist vorhanden: Der Feind ist ausnahmsweise mal keine terroristische Vereinigung. Auch kriegslüsterne Sowjets gibt es nicht mehr. Man gibt sich neutral und steigert die Untergangsstimmung gleich in extremo. Ein Asteroid, der u.a. während des Films Paris dem Erdboden gleichmacht, gefährdet die Erde und das Leben als solches.

Und in Gefahr und grösster Not, bringen es nur die Amerikaner fertig, dem Sensenmann aus dem All die Leviten zu lehren. Amerikanische Bohrexperten, amerikanische Raumfahrtbehörde usw. Kein Schwein auf der ganzen Welt, das nicht vielleicht auch einen Beitrag leisten könnte. Oder doch? Was ist mit Lev Andropov (Peter Storemare), dem einsamen russischen Cowboy auf der Raumstation? Der ist durch das lange Alleinsein etwas All-trunken und im übrigen kann man sich auf russische Technologien sowieso nicht verlassen: Die Pipelines an Bord sind natürlich defekt, und nur um Haaresbreite entkommen Amerikaner und Russe dem Tod im All.

Ich will ja nicht allzu giftig werden. Aber diese Geschichte schlägt doch fast jede Kriegsfilminszenierung. Europäer, Asiaten, Afrikaner, Lateinamerikaner – all die Milliarden Menschen auf der Erde spielen in „Armageddon“ nur das ideologische Opfer-Material für Bruckheimers Weltuntergangs-US-Rettungsszenario. Zweifellos: Die NASA und die US-Wissenschaftler sind Experten, auf die man angesichts solcher Bedrohungen (oder auch welche der weniger drastischen Art) sicherlich nicht verzichten kann. Aber das war's dann auch schon? Wie sang Franz Zappa, Ur-Amerikaner griechisch-italienischer Herkunft doch so schön: „I love monster movies. I really adore monster movies. And the cheaper they are, the better they are.“

OK, das alles wäre ja halb so wild, wenn die Geschichte nicht derart gravierende logische Schwächen hätte. Die Astronauten und Bohrleute z.B. laufen auf dem Asteroiden herum, als wenn sie sich zu einem Bier in Chinatown/New York getroffen hätten. Schwerelosigkeit ist hier jedenfalls nicht angesagt. Vorher hiess es noch: Überall scharfe Kanten auf dem Asteroiden. Davon merkt man ein halbe Stunde später nichts mehr. Ben Affleck kann zaubern: Er und zwei andere Überlebende des ersten der beiden Raumschiffe, das abgestürzt ist, fahren in einer Art Mond-Shuttle auf dem Asteroiden spazieren. Da spielt Schwerelosigkeit dann plötzlich wieder eine Rolle. In einem Wahnsinns-„Ritt“ sausen die drei zum anderen Raumschiff, als wenn das auf einem solchen 40.000 km/h-schnellen Asteroiden nichts weiter wäre als eine etwas schwierige Abfahrt in den Alpen auf Skiern.

Nicht nur das. Die Kumpels auf dem Asteroiden scheinen angesichts der Bedrohung nicht nur ihren Mut nicht zu verlieren. Sie scherzen, was das Zeug hält und knobeln zum Schluss aus, wer denn bitte schön da bleiben und sein Leben lassen darf, um wegen der zerstörten Fernsteuerung für die Nuklearsprengköpfe diese per Hand zur Explosion zu bringen. Der absolute Nonsens bekommt dann noch die Krone aufgesetzt: Bevor Bruce den Knopf drückt, söhnt er sich ein letztes Mal mit Töchterchen Liv Tyler aus, die im Film zwar attraktiv anzusehen ist, sonst aber mimisch wenig zu bieten hat. Wie auch? Bei dem Drehbuch?

Aber vielleicht soll Liv uns auch nur sagen: Seht mal, wie schade wäre doch ein Weltuntergang – bei solchen Frauen! Ähnlich Undramatisches gilt für Affleck, Buscemi und Storemare. Die beiden letzteren haben zwar so ihre paar witzigen Minuten (eher Sekunden), doch ansonsten ... Affleck ist der good guy von nebenan, was soll's. Und Billy Bob Thornton sieht aus wie Sam Shepard als General Garrison in „Black Hawk Down“: Beide verfolgen den drohenden Weltuntergang hier, den drohenden Untergang der US-Soldaten in Somalia dort – kritische Miene zum bösen Spiel – am Bildschirm. Wie wir. Nur: „Hautnah dabei“ ist man in keinem der beiden Filme.

Wenn Bruckheimer recht hat, gibt es zumindest einige Landsleute, die das Wort „Panik“ oder „Angst“ oder „Entsetzen“ nicht kennen. Das wären dann Leute, die sich bei keinerlei Gelegenheit vor Angst in die Hosen machen würden. Solche Männer braucht die Welt. Oder doch nicht?

Nicht zuletzt die Dialoge können kaum mehr überzeugen. Beispiele: „Jungs, die Uhr tickt.“ Oder: „Das alles hat sich in einen surrealistischen Alptraum verwandelt.“ Buscemi bekommt auf dem Asteroiden seinen eigenen Alptraum, sprich er dreht leicht durch – fast die einzige mir verständliche Reaktion in dem ganzen filmischen Desaster.

„Armageddon“ hat durchaus einige, allerdings wenige spannende Momente. Doch was uns Bay und Bruckheimer über 144 lange Minuten ansonsten abliefern ist: dramaturgischer Nonsens. Was letztendlich, sozusagen als Kern der Sache, nach all den wild zusammen geschnittenen Action- und Zerstörungssequenzen bleibt, lässt sich auf einen Nenner bringen: Bruce Willis ist unser neuer Gott. Sein Zeigefinger rettete die Welt, die Gott mi dem seinen schuf. Was will man mehr?

Ulrich Behrens

Armageddon

USA

1998

-

151 min.

Regie: Michael Bay

Drehbuch: Jonathan Hensleigh, J. J. Abrams

Darsteller: Bruce Willis, Billy Bob Thornton, Ben Affleck

Produktion: Jerry Bruckheimer, Gale Anne Hurd, Michael Bay

Musik: Trevor Rabin, Harry Gregson-Williams

Kamera: John Schwartzman

Schnitt: Chris Lebenzon, Mark Goldblatt, Glen Scantlebury

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