Hans-Christian Ströbele trifft Edward Snowden Von der Unmöglichkeit, Gutes zu tun

Gesellschaft

Der Grünen Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hat den NSA-Whitsleblower Edward Snowden in Russland getroffen.

Edward Snowden am 9. Oktober 2013 in Moskau.
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Edward Snowden am 9. Oktober 2013 in Moskau. Foto: https://www.youtube.com/user/TheWikiLeaksChannel (CC BY 3.0 unported - cropped)

7. November 2013
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Ich finde, das ist eine sehr gute Sache. Ströbele kann als Mitglied des Bundestages Dinge tun, die den meisten Menschen unmöglich sind. Er kann nach Russland reisen und geniesst dort eine gewisse diplomatische Immunität. Er kann den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nutzen, um Rechtsgutachten zur Snowden-Frage erstellen zu lassen. So kann er klären, ob Snowden nach Deutschland kommen könnte, um als Zeuge auszusagen. Er kann die Einberufung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zum NSA-Skandal betreiben (wobei das aufgrund der sehr kleinen Opposition im Falle einer grossen Koalition vielleicht scheitert).

Ströbele setzt all diese besonderen Befugnisse für eine gute Sache ein. Er verschafft dem NSA-Skandal Aufmerksamkeit. Er entkriminalisiert Snowden indem er ihn als Zeugen statt als Angeklagten aufsucht. Vielleicht schafft er es sogar, die Regierung zu etwas genaueren Einlassungen zum NSA Skandal zu nötigen. Bisher waren diese Einlassungen von geradezu alberner Einfältigkeit und dokumentieren lediglich das völlige Versagen unserer Medien in dieser Sache. Zudem ist Ströbele von allen Bundestagsmidtgliedern jenes, dem ich am meisten moralische Integrität zutraue.

Tu Gutes; nicht um darüber zu reden

Und genau darum gruselte es mich ein bisschen, als ich die Bilder von Ströbeles Besuch bei Snowden sah. Edward Snowden braucht Aufmerksamkeit um seinen grossen Mitteilungsdrang zu stillen (was ich nicht abwertend meine). Doch Snowdens Anwalt meint, Snowden könne auf keinen Fall nach Deutschland. Ströbele ist als Direktkandidat der Grünen beruflich völlig von der Medienaufmerksamkeit abhängig. Und darum kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser ganze Besuch in erster Linie eine Show für die Medien war, eine Show, die den Beteiligten die nötige Aufmerksamkeit liefert. Und die nebenbei den Wein der guten Sache gründlich verwässert.

Dabei glaube ich in diesem Fall, dass es Ströbele und Snowden um eine gute Sache geht und sie das Aufmerksamkeitsspiel um der Sache willen spielen. In anderen Fällen – wenn es z.B. Westerwelle statt Ströbele wäre – würde ich darauf eher nicht kommen. Unser ganzes politisches System ist so von Geld, Lobbyismus und der Aufmerksamkeitsökonomie korrumpiert, dass es den Akteuren immer schwerer wird, überhaupt noch etwas Gutes zu tun, das um seiner selbst willen als solches wahrgenommen wird.

Die allgemein verbreitete Meinung dazu ist, dass das egal ist – wenn denn letztlich das Richtige dabei herauskommt. “Tu Gutes und rede darüber”. Doch ich glaube, dass das falsch ist. Zwar ist es richtig, Gutes zu tun und darüber zu reden. Doch es ist falsch, Gutes zu tun, nur um darüber reden zu können.

Menschlich Mächtig

Wir sind darauf angewiesen, Entscheidungen zu delegieren. Die einzige Alternative zu Macht-Delegation ist Basisdemokratie in der einen oder anderen Form und bisher konnte kein basisdemokratisches System demonstriert werden, das skaliert. Das bedeutet, Basisdemokratie funktioniert bisher ausschliesslich in kleinem Rahmen und bricht schon bei mittleren Organisationen zusammen.

Wenn Macht delegiert wird, entsteht automatisch eine Führungsperson, die für andere Entscheidungen trifft. Und hier kommt unsere Menschlichkeit ins Spiel. Ein menschlicher Führer kann Menschen nur auf eine ganz bestimmte Art führen. Er muss Entscheidungen treffen, die die anderen respektieren. Und er muss relativ durchgängig so handeln, dass die anderen das respektieren können. Tut er dies nicht, kann er zwar prinzipiell dennoch führen, doch wird er dann nie von den anderen akzeptiert. Er wird stattdessen als – überlegener – Gegner aufgefasst.

Mein Respekt für das mediale Kasperle-Theater hält sich in Grenzen. Wenn es bei uns mal jemand schafft, als politische Führungsperson menschlich respektiert zu werden, schafft er dass nicht wegen unseres Systems sondern trotzdem. Entsprechend selten geschieht dies. Wir haben ein unmenschliches Politik-System geschaffen, das seine Delegierten und Konstituenten fast zwangsläufig zu Gegnern macht.

Schrotie