Über den Zusammenhang zwischen Stillzeit und Lebenserfolg Über den Zusammenhang zwischen Stillzeit und Lebenserfolg

Gesellschaft

Ich hab's ja immer schon vermutet: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Stillzeit und Lebenserfolg. Dieser Verdacht hat gerade durch eine brasilianische Sozialstudie neue Nahrung bekommen.

Am Strand von Kontxa in Spanien - Baby an der Brust seiner Mutter.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Am Strand von Kontxa in Spanien - Baby an der Brust seiner Mutter. Foto: Joxemai (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

23. März 2015
1
0
2 min.
Drucken
Korrektur
Für den Nachweis fängt diese Wissenschaft erstmal an zu zählen: Sie nimmt 3500 Probanden, ermittelt 1., ob und wie lange sie von ihren Müttern gestillt wurden, unterzieht sie 2. als 30jährige Erwachsene einem Intelligenztest und checkt 3. ihr aktuelles Monatseinkommen.

Dann setzt sie die Ergebnisse aus 1. bis 3. in eine Tabelle ein, behauptet einen qualitativen Zusammenhang zwischen den ermittelten Zahlenkolonnen, wühlt im Handbuch für empirische Sozialforschung nach einem Korrelationskoeffizienten, mit dem sich die Signifikanz dieses Zusammenhangs mathematisch einwandfrei berechnen lässt – und schon kommt dabei raus:

„Menschen, die als Babys gestillt wurden, sind nach einer neuen Studie im Fachmagazin 'Lancet' im Erwachsenenalter intelligenter und bekommen zudem höhere Gehälter”. Etwas genauer vielleicht? Bitte sehr: „Ein Mensch, der als Baby mindestens ein Jahr lang gestillt wurde, legte nach der Studie durchschnittlich um vier IQ-Punkte zu, wies 0,9 Jahre mehr an Schulbildung auf und hatte ein um 341 brasilianische Real (98 Euro) höheres Monatseinkommen als diejenigen Studienteilnehmer, die kürzer als einen Monat gestillt worden waren.”

Je Stillzeit, desto schlauer, je schlauer, desto Einkommen – endlich wissen wir Bescheid: Nicht der Arbeitgeber entscheidet über meinen Lohn, sondern meine Intelligenz. Und die ist umso höher, je länger ich gestillt wurde. Wer ist also schuld, wenn's nicht so klappt wie gedacht: Mutter! Hätte sie mich doch länger stillen sollen, dann gäb's heute mehr Kohle und ich wäre mindestens Leiter einer sozialwissenschaftlichen Forschungsgruppe…

Aber echt besorgt bin ich, wenn ich im selben Artikel lesen muss, dass die „Nationale Stillkommission (!), ein am Bundesinstitut für Risikobewertung (!!) angesiedeltes Expertenkomitee” feststellen muss, dass die bundesdeutsche Mutter im Schnitt nur 7,5 Monate stillt. Mindestens viereinhalb zu wenig! Und überhaupt stillen nur 82% der Mütter! Wenn das keine Verschwendung von nationalem Potential ist! Einerseits. Auf der anderen Seite: Wenn sie jetzt alle stillen wie die Weltmeister – wer bekommt dann eigentlich noch die Billiglöhne, mit denen Deutschlands Kapitalisten ihre Konkurrenz untereinander führen?

Berthold Beimler

Alle Zitate aus: (F.A.Z. vom 19.3.2015)