Grubenunglück in Soma Türkei: Grubenunglück in Soma
Gesellschaft
Nach einem technischen Defekt in einer Kohlemine sterben in der Türkei hunderte Arbeiter. Die linke Bewegung spricht von einem “Massaker”.
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15. Mai 2014
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Eine von der Oppositionspartei CHP angemahnte Sicherheitskontrolle wurde vor wenigen Wochen von Erdogans AKP abgelehnt, und so kam es, wie es kommen musste: Nach einem “technischen Defekt” sind – nach derzeitigem Stand 282 Arbeiter tot, die Zahl steigt aber permanent und über 100 gelten als noch vermisst. Unter den Toten befindet sich allem Anschein nach auch ein 15-jähriger, der in der Mine gearbeitet hat.
Während Premier Erdogan betonte, Arbeitsunfälle seien eben “normal” und es habe sie immer und überall gegeben: “Wenn wir in die Geschichte gehen, sind in England 204 Menschen im Jahr 1862 gestorben. 361 Menschen im Jahr 1866. Wieder in England 290 Menschen im Jahr 1894.”
Er hätte gar nicht ins England des 19. Jahrhunderts sehen müssen. Seine eigene Regierungszeit bietet genug Beispiele: Am 22.November 2003 sterben in Karaman-Ermenek bei einer Gasexplosion 10 Arbeiter; am 8. September 2004, Kastamonu- Küre, sind es 19 Arbeiter, 2. Juni 2006, Balıkesir-Dursunbey, Gasexplosion: 17 Arbeiter, am 10. Dezember 2009, Bursa-Mustafakemalpaşa, Gasexplosion, 19 Arbeiter tot. Am 17. Mai 2010 sterben bei einer Gasexplosion erneut 30 Arbeiter, am 8. Januar 2013 in Kozlu sind es 8.
Die Türkei ist bekannt als Land der “Arbeitsunfälle”. Gewerkschaften, Linke und Revolutionäre sehen die Toten als Opfer eines systematischen “Mordes”. Abwegig ist das nicht. Die neoliberale Kapitalakkumulation in der Türkei baut auf der beschleunigten Ausbeutung der Arbeiter auf. Niedrige Löhne, keine Rechte, beschissene Arbeitsbedingungen – das gehört zum Alltag. Den Firmen ist schlichtweg egal, ob es zu Unfällen kommt, sie nehmen es bereitwillig in Kauf, solange der Profit stimmt.
Insofern lautet einer der zentralen Slogans des sich nun nach Soma formierenden Protests: Kader degil, katliam. Nicht Schicksal, sondern ein Massaker. Auf die ersten aufkeimenden Proteste reagierte die Erdogan-Regierung im übrigen wie immer: Mit Gewalt. Schon in Soma, einem eigentlich nicht für eine sonderlich revolutionäre Grundstimmung bekannten Ort, begannen nach der Rede des Premiers Auseinandersetzungen, das Bild des Erdogan-Vertrauten Yusuf Yerkel, der auf einen am Boden liegenden Trauernden eintritt, ging durch die sozialen Medien. Erste Demonstrationen in Ankara und Istanbul wurden wie immer mit Tränengas angegriffen.