Bekannte Gesichter in Flensburg Hunderte Gruppengründungen der esoterisch-neurechten Akademie Engelsburg bundesweit

Gesellschaft

Bundesweit bildeten sich im letzten Monat mehrere hundert Regionalgruppen der Akademie Engelsburg, nachdem deren Gründer Martin Laker per telegram dazu aufgerufen hatte.

Rezept für eine Eso-Fascho-SexismusVerschwörungsSekten-Suppe.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Rezept für eine Eso-Fascho-SexismusVerschwörungsSekten-Suppe. Foto: subtilus.info

23. Juni 2021
20
5
7 min.
Drucken
Korrektur
Laker wirkt auf den ersten Blick wie ein anstrengender Ökoguru, ein in einem anderen Jahrtausend steckengebliebener Sektenprophet. Aber was er sagt ist nicht ausschliesslich phrasenhafte Esoterik. Er vertritt vielmehr zutiefst sexistische und rassistische Positionen, verbreitet Reichsbürger-Ideologie und Q-Anon-Mythen. Über allem sieht er Anastasia – jene strahlende Romanheldin des russischen Autors Wladimir Megre, die heute Vorbild für eine religiöse, antisemitische, völkische Siedlungsbewegung ist. Auch in Deutschland gibt es rund 20 solcher Siedlungen, deren Bewohner*innen gut vernetzt sind in die sonstige extreme Rechte Deutschlands.

Anastasia untergeordnet, erklärt Laker, sei dann Q mit seinen Q-Anons, den „digital soldiers“ der Bewegung, wie sich Laker auch selbst beschreibt. Anastasia habe „den ganz obersten Plan gemacht“ und das Ziel sei, das jetzige „satanische Konstrukt“ abzubauen und dann, nach einer mehrjährigen Phase der Militärdiktatur, ein deutsches Reich zu errichten.

Die Videos

Werfen wir einen Blick auf die Engelsburger Neuigkeiten, ein regelmässiges Videoformat mit Laker alleine vor einer Reichsflagge. Diese Videos haben zum Teil bis zu mehrere zehntausend Views pro Folge.

In der Ausgabe vom 29. Mai 2021 behauptet Laker Deutschland sei „das am schlimmsten misshandelte und unterdrückte Land auf dem Planeten“. Wie er auf diesen absurden, geschichtsvergessenen Dreck kommt wollen wir euch nicht vorenthalten:

„Eine Aussage von Professor William Toel gestern im Vortrag: Man hat in unserer Sprache zweitausend Worte komplett gestrichen und eliminiert. Die kennen wir nicht. Weder das Wort, noch die Bedeutung. Und das waren ganz wichtige Worte für unsere Kommunikation. Daher bin ich ein ganz, ganz grosser Vertreter davon, dass wir wieder unsere alte Sprache reaktivieren. Unsere alte Sprache wieder wirklich leben. Und Meister unserer Muttersprache werden. Und nicht nur ich, sondern am liebsten alle Menschen auf dem Planeten. Dass wir alle, das wär doch so schön, wenn wir alle die gleiche Sprache sprechen, egal wo wir hinkommen. Wir können uns immer in unserer Muttersprache austauschen. Und die Muttersprache auf dem Planeten war früher theodisch. Daher kommt übrigens auch das Wort deutsch. Das war die göttliche Sprache und wir waren die göttlichen Völker. Deswegen hat man uns doch so extrem unter die Knute genommen. Deshalb sind wir auch das am schlimmsten misshandelte und unterdrückte Land auf dem Planeten.“ (Zitat M.Laker)

Uns bleibt nur, den Kopf zu schütteln, wenn wir so einen Dünnschiss hören. Dass sich deutschlandweit, euphorisch hunderte von Engelsburg-Regionalgruppen innerhalb weniger Wochen gegründet haben, weil (oder mindestens obwohl) ihr Oberguru solche Aussagen tätigt, hinterlässt uns sprachlos. In der Folge der „Engelsburger Neuigkeiten“ vom 15.6. äussert sich Laker dann u.a. zu Israel. Er habe nichts gegen die Israelis und sei vermeintlich völlig wertungsfrei. Dann folgt jedoch: Er sähe keine Zwei-Staaten-Lösung und Israel sei durch „Machenschaften der Tiefstaaten“ entstanden und „schon immer“ das Land der Palästinenser gewesen.

Laker sagt:

„Ich denke, ich spüre, dass es auch wieder an die Palästinenser zurück geht und sie sich dort dann endlich ihr freies Land aufbauen können, so wie alle anderen ihre Länder ebenfalls aufbauen werden“.

Es ist offensichtlich: Das Existenzrecht Israels zu leugnen ist ziemlich exakt das Gegenteil von „wertungsfrei“. Ohne die zahlreichen sich jetzt aufdrängenden Fragen auch nur anzureissen, (geschweige denn sie zu beantworten) bezeichnet Laker direkt anschliessend die Corona-Pandemie als „False-flag-Ereignis“ und leitet zu wieder neuem Unsinn über.

In einem weiteren Video interviewt Laker, Traugott Ickeroth zu Geopolitik und aktuellem Zeitgeschehen. Ickeroth fantasiert dort etwas von einem Krieg, den „wir“ gewinnen müssten:

„Es ist so wichtig, dass wir endlich den Krieg gewinnen. Wir haben so viele Schlachten verloren. Die Wahrheitssucher im Laufe der Geschichte. So viele wurden umgebracht. Die Bauernkriege und so weiter. Und kommen mit der Wahrheit nie durch. Egal ob das 11. September war, egal was. Immer abblockiert von der Machtelite, von den Medien und so weiter. Das fällt jetzt. Das wird ein überwältigender Sieg“

Es gibt neben den Formaten, in denen Martin Laker alleine vor Reichsflagge redet und Interviews auch noch sogenannte „Stammtischformate“, in denen bis zu vier Menschen miteinander reden. In der Ausgabe „Sind jetzt die Frauen/ Weiber dran?“(Laker bezeichnet Frauen vorzugsweise als Weiber und Männer als Kerle und betont explizit, die Meinung von Frauen würde ihn nicht interessieren) erklärt er, Männer seien richtungsangebende Pfeile und Frauen bewahrende Kreise. Die „E-Mann-zipation“ sei fatal, weil Frauen damit nur versuchen würden, Männlichkeit zu kopieren, und wo kämen wir denn da hin, wenn wir alle Pfeile wären. Das ist einfach durchgebratener, sexistischer Bullshit.

Nicht jedes der Videos von Laker behandelt Q Anon oder das deutsche Reich, nicht immer treten Sexismus und Antisemitismus offen zu Tage. So erfahren wir beispielsweise in dem Video „Auch Helden Zweifeln – wie Martin seine Berufung fand – Heldenreise mit Martin“ viel über Martins mystisch-spirituellen Weg, seine Enttäuschung über die vermeintlich zu „kalten“ Freimaurer und wie wohl er sich hingegen bei den Rosenkreuzern gefühlt habe. Laker habe dann gelernt die Auraschichten seines Gegenübers zu erfühlen, er sei immer schon hochsensibel und feinfühlig und ein intuitiver Mensch gewesen. Und dann habe er den zwischenmenschlichen Energietransfer studiert, nachdem er Energien fliessen sah. Aber genug von diesem esoterischen Geseier.

Wer bewirbt diese Videos?

Auf dem Videoportal bitchute hat ein Nutzer Namens „chembuster“ mit 23 tausend Abos mehrfach Engelsburg-Videos geteilt. Der real erst ab Februar 2020 regelmässig bediente Engelsburg telegram-Kanal hat heute knapp 50 tausend Abonennt*innen. Werbung dafür wurde unter anderem in klassischen Verschwörungschats gemacht. Besonders herausstechend erscheinen uns dabei die Kanäle von Ronald Gehlken und Birgit Doll. Gehlken hat 19 000 Abos, ist verurteilter Nazi, Reichsbürger und antisemitischer Holocaustleugner. Birgit Doll hat 12 000 Abos, tritt mindestens seit 2013 auf Demos von Reichsbürgern auf und verbreitet Q Anon Mythen.

Das Buch

Laker hat auch ein Buch verfasst. Es heisst „Vision Engelsburg. Einfach anders leben“. M. Laker redet in seinem Vorwort von einer angeblichen „Zwangsvereuropäisierung“, behauptet, Politiker seien „Marionetten der Banken“ und Deutschland eine „privatwirtschaftliche Agentur“. Rechte Propaganda, antisemitische Muster und Reichsbürgerideologie bilden also direkt den Einstieg in sein Werk. „Und, Süsse, Lust auf ein Abenteuer?“ ist noch einer der harmloseren ekligen Sprüche, die uns in der Folge begegnen werden. In klassisch esoterisch verklärender Manier, geht es um ein Paar, was der eigenen „Intuition“ statt der Karte folgte, den „Weg des Lichts“ wählt, und schliesslich auf die idyllische Siedlung Engelsburg stösst, in der aufgezeigt werden soll, wie alles vermeintlich besser geht. „Spielende Zicklein“ und „vergnügt grunzende Schweine“ gibt es dort und insgesamt wirkt es, als wolle der Autor M. Laker für seine Anhänger*innen seine eigene Version der Anastasia-Romanwelt erschaffen.

Regionalgruppen

Am 22. Mai 2021 rief Laker in seinem bundesweiten telegram-Kanal mit über 47 000 Abonennt*innen dazu auf, Bundesland-Gruppen von Engelsburg beizutreten „mit dem Ziel, Gleichgesinnte in der Umgebung zu finden.“ In diesen Bundeslandgruppen formierten sich sodann Regionalgruppen.

Innerhalb kürzester Zeit haben sich allein in Schleswig-Holstein Gruppen gebildet in Angeln, Kiel, Ostholstein, Dithmarschen, Flensburg, Nordfriesland, Segeberg, Pinneberg, Mölln/ Ratzeburg, Steinburg, Stormarn und Lübeck. Wer in diesen Gruppen nach Springerstiefeln sucht, wird womöglich nicht auf den ersten Blick fündig, aber die neue Rechte ist dadurch nicht weniger gefährlich. Rassismus in Kombination mit Ökolandbau bleibt Rassismus, Antisemitismus mit Schmetterlings- und Herzchensmileys bleibt Antisemitismus und menschenverachtend und Mythen wie die rund um Q-Anon führen in letzter Konsequenz zu rassistischen Mordanschlägen wie in Halle oder Hanau.

Bekannte Gesichter in Flensburg

Auch ein paar bekannte Gesichter entdeckten wir auf dem Flensburger Gruppen-Gründungs-Treffen: Mehrere der Teilnehmenden waren auch regelmässig bei den Demonstrationen von „Flensburg für Grundrechte“. Wir haben genau deswegen gegen diese Demos und deren Rechtsoffenheit demonstriert: Weil fehlende Abgrenzung der Radikalisierung nach rechtsaussen den Weg ebnet. „Flensburg für Grundrechte“ hat der extremen Rechten Rosen auf den Weg gestreut. Weil es all zu oft mit vermeintlich harmlosen Fragen über Bill Gates und KenFM anfängt und dann nahtlos zu Q Anon und verfestigten rassistischen Weltbildern führt, die auch zu rassistischen Morden führen.

subtilus.info