Die Liebe zur Arbeit Alle schwer auf Arbeit
Gesellschaft
Höchststand! Wir haben Rekordbeschäftigung im Land. Allerorts wird wie wild gebaut, wacker gerackert, fleissig produziert und ordentlich was geleistet.


Agentur für Arbeit. Foto: Lupus in Saxonia (CC-BY-SA 4.0 cropped)
Beinahe alle sind drauf, chronisch: „Eine seltsame Sucht beherrscht die Arbeiterklasse aller Länder, in denen die kapitalistische Zivilisation herrscht, eine Sucht, die das in der modernen Gesellschaft herrschende Einzel- und Massenelend zur Folge hat. Es ist dies die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung der Individuen und ihrer Nachkommenschaft gehende Arbeitssucht.“ (Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit)
Dem Arbeitsminister reicht all das nicht. Teilzeitjunkies sind ihm ein Dorn im Auge. „Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen“, will der Minister gegensteuern. Freilich wird sogleich zur Verteidigung der Angegriffenen ausgeritten. Sie würden ja nur zu gerne ins Lager der Vollzeitbeschäftigten wechseln, könnten sie nur etwaige Sorgeverpflichtungen besser delegieren. Nun sei hier keinesfalls gegen kompetente Unterstützung auf diesen Gebieten argumentiert, allein dem unterstellten, quasi natürlichen Drang zum Arbeitsmarkt möchten diese Zeilen widersprechen. Sie sind eindeutig als Aufruf zu lesen, sein Leben und Denken gerade nicht am Dienst der kapitalistischen Selbstzweckbewegung auszurichten.
Arbeit ist vermarktbare Tätigkeit. Was im Kapitalismus zählt, lässt sich in mehr Geld verwandeln, was bloss gebraucht wird, zählt nicht. Dabei spielt es keine Rolle, was getan wird, es geht alleine um die unendliche Vermehrung von Geld um seiner selbst willen. Staat und Kapital hängen an der Arbeit. Wir alle hängen an der Arbeit, solange unser materielles Leben und Überleben an das gekoppelt bleibt, was bei der Mehrung des Geldes für uns abfällt. Unmengen an Zeit und Energie werden verschwendet, um das marode Werkel irgendwie am Laufen zu halten. Arbeit ist das zentrale Zwangs- und Vermittlungsprinzip unserer Gesellschaft, gleichzeitig reproduzieren wir vermittels Arbeit gesellschaftlichen Ausschluss, weil sich die Arbeit vieler schlicht nicht (mehr) verwerten lässt.
Längst sollten im Interesse von Umwelt, physischer wie psychischer Gesundheit und nicht zuletzt einer lebenswerten Zukunft auf diesem Planeten, alle alimentiert werden, die sich dem entziehen, wo und wann immer möglich. Es soll ja auch für nicht bestellte Felder Ausgleichszahlungen geben oder dafür, gefundenes Öl oder Gas eben nicht aus der Erde zu holen. Nichts Neues im Prinzip. Und auch nur als erster Schritt, solange die Mehrheit partout an der bestehenden Produktionsweise und ihren arbeitsgesellschaftlichen Verrücktheiten festhalten will.
Hoffen wir auf „die Müssiggänger“, auf alle, die vom guten Leben träumen. Schliessen wir uns zusammen. Vielleicht macht uns die Musse kreativ, jedenfalls produziert sie weniger Dreck. Sammeln wir unsere Kräfte, um all den Schrott zu entsorgen, einander zu umsorgen, die Schäden zu reparieren und die Verletzungen zu lindern. Wir haben allemal Besseres zu tun als zu arbeiten.
Zuerst erschienen auf streifzuege.org
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