Eine allgemeinen Verrohung der Gesellschaft? Überall Messer

Gesellschaft
Hamburg, Duisburg, selbstverständlich in Berlin und sonst potenziell überall, immerzu: Messer, Messer, Messerattacke. Ein Polizeisprecher spricht von einer allgemeinen Verrohung der Gesellschaft.
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Messerattacke am 28. Juli 2017 im Hamburger Stadtteil Barmbek. Foto: TheAmerikaner (CC-BY-SA 3.0 unported - cropped)

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Behaupten kann man – einfach mal so, oder gezielt – vieles. Denn wo die Panikmache medial oft genug wiederholt wird, wird Wahrheit von Behauptung im Ergebnis nicht unterscheidbar. Dazu braucht es gar keine rechtsradikalen Hetzer: Das erledigt die PR-Strategie des Bundesinnenministeriums lieber gleich selbst. Irgendwelche Zahlen lassen sich dafür immer an den Haaren herbei zitieren. Und ohne jeden Zweifel ist es tragisch, wenn eine mti Sicherheit psychisch völlig zerstörte Person wie am Hamburger Hauptbahnhof austickt und wahllos um sich sticht.
Psychische Probleme und soziale Probleme – diese sind es, die Aggression und willkürliche Gewalttaten hervorbringen. Für beide Kategorien gibt es Ansatzpunkte, um sie real herunter zu kochen.
Der vom autoritären Konservatismus produzierte Diskurs zielt aber auf dreierlei anderes ab: Erstens, auf die weitere Verunsicherung der Bevölkerung, um Gelder und Befugnisse der Sicherheitsbehörden auszuweiten. Zweitens der tägliche Nervenkitzel am Kiosk oder beim Blick ins Nachrichtenportal im Smartphones, um sich ja zu versichern, wie barbarisch und schlecht der Mensch ist, weshalb man sich selbst gefälligst dem staatlichen Gewaltmonopol zu unterwerfen hat.
Drittens – mit beidem verbunden – die Erweiterung von polizeilicher Überwachung, Kontrolle, Zwang und Gewalt mit dem Ziel einer aktiven Unterwerfung eventuell widerspenstiger Leute.
Bitter-ironisch dabei: Wo psychische Probleme nicht bearbeitet und soziale Probleme abgemildert werden, ist es den ausrastenden Täter*innen scheissegal, welche Strafen auf ihre Aggressionen stehen. Ganz im Gegenteil, der fortschreitende Ausbau des staatlichen Gewaltmonopols und die weitere Regulierung aller Lebensbereiche steigert die Aggressivität von dafür anfälligen Menschen, die sich auf die eine oder andere Weise Bahn brechen wird.
Dennoch richtet sich der stigmatisierende Messer-Gewalt-Diskurs, der aktuell wieder grassiert gar nicht primär an potenzielle Gewalttäter*innen – sondern wie gesagt an die Normal-Bürger*innen, welche brav und gehorsam bleiben sollen. Nicht, weil sie sonst abgemessert, sondern von Polizei erschossen werden könnten.
Wer dagegen professionell mit dem Gewalthandwerk zu tun hat – ob als Gangmitglied, Kampfpost-Fan oder militanter Faschist – wird wie eh und je nüchtern Kosten und Risiken abwägen, sich den Verordnungen anpassen und sie zu umgehen wissen.
Interessanterweise sind die Repressionsbehörden nicht gerade hinterher, wenn es darum geht, zu verfolgen, wer von ihren Kolleg*innen sich an den Munitionskisten bedient, hier und da mal wieder eine Knarre verschwinden lässt oder Karteien von potenziell zu beseitigenden Mitbürger*innen anlegt.
Wer darüber nachdenkt, wird feststellen, dass es bei zyklisch wieder aufgewärmten den Messer-Debatten nicht darum geht, Waffengebrauch allgemein zu beschränken – sondern sicher zu stellen, dass dieser im staatlichen Sinne geschieht.