Obgleich das Geld weniger wert wird, werden Lohn und Gehalt als Selbstbedienungsladen gehandhabt: Die Steuerbelastung steigt mit der Inflation der Löhne, die Sozialabgaben werden erhöht bei sinkenden Leistungen und es ist auch immer wieder in der Diskussion, dass länger gearbeitet werden soll bis zum Erreichen der Rente.Alles das ist offenbar kein Grund zur Aufregung und zum Protest. Vielmehr wird eher nachgefragt, was auf einen zukommt, und so signalisiert, dass man bereit ist, sich auf alles einzustellen. Doch dieses Arrangement ist auch mit Kosten verbunden, es geht auf Kosten der Gesundheit, die landläufig als das höchste Gut bezeichnet wird.
Das Zurechtkommen als Stress
Dass die Anstrengungen mit allen Mühen des Alltags zurechtzukommen, die Gesundheit ruinieren, ist kein Geheimnis, sondern abzulesen an den Gesundheits- bzw. Krankheitsstatistiken. Es führen bei den Krankheits- wie Todeszahlen die sogenannten nicht übertragbaren Krankheiten, also Krankheiten, die nicht durch Viren oder Bakterien verursacht werden: „NCDs (nicht übertragbare Krankheiten) verursachen weltweit 70 Prozent aller Todesfälle, in Deutschland sogar über 90 Prozent. Die Ursachen sind komplex – oft hängen sie mit individuellem Verhalten, Lebensbedingungen und globalen Faktoren zusammen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen und Diabetes stehen im Vordergrund, eine wichtige Rolle spielen aber auch psychische Störungen und Suchterkrankungen.“Sie werden auch Zivilisationskrankheiten genannt, was kein gutes Licht auf diese Sorte Zivilisation wirft, die krank macht. Spitzenreiter sind da in der Tabelle die Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Deren Ursache ist kein Geheimnis: Wenn der Mensch sich anstrengt – ob körperlich oder geistig – dann steigt der Puls und der Blutdruck, ein normaler körperlicher Anpassungsprozess. Wird der Mensch ständig beansprucht, dann hat er ständig hohen Blutdruck, was auf Dauer die Gefässe ruiniert. Dort lagern sich dann Blutfette an und verstopfen die Blutversorgung von Organen wie die des Herzens – Herzinfarkt – oder des Gehirns – Schlaganfall. Dass die Herz-Kreislauferkrankungen die Volkskrankheit Nr. 1 darstellt, zeigt, dass viele Menschen den Belastungen des Alltags mit Arbeit, Familie, Haushalt nicht gewachsen sind und sich mit dem Zurechtkommen mit diese Anforderungen gesundheitlich ruinieren. All diese Anforderungen verbergen sich hinter dem Stichwort Stress, das den Zustand des körperlichen wie psychischen Angespanntseins kennzeichnet. Und an dem mangelt es nicht. Es gibt den Arbeitsstress, den Freizeitstress, den Stress durch Familien- und Haushaltspflichten. Schliesslich muss immer mehr gearbeitet werden, um eine Familie durchzubringen. Deshalb braucht es Kita-Plätze und schulische Ganztagsbetreuung, weil die Familienzeit schrumpft und Profis sich um den Nachwuchs kümmern müssen.
Das Angebot in den Supermärkten für Fertiggerichte signalisiert, dass kaum Zeit ist, um zu kochen, da muss es schnell gehen. Man kann ja beim Essen den Fernsehköchen zusehen. Die Hektik morgens vor den Schulen bei der Anlieferung der Schüler durch die Mutti-Taxis spricht eine eigene Sprache. Schliesslich dauert ja auch ein normaler Arbeitstag nicht acht Stunden, sondern auch bei einer tariflichen Arbeitszeit von 35 oder 39 Stunden liefern viele eine Vielzahl von bezahlten und unbezahlten Überstunden ab. Hinzu kommt die Zeit der oft nicht eingehaltenen Pausen, die Wegezeiten vielfach im Stau, so dass die private Zeit für so entspannende Tätigkeiten wie Einkauf, Putzen etc. knapp ist.
All das manifestiert sich dann in den Herz-Kreislauferkrankungen, die die Medizin nicht heilen, sondern nur begleiten kann. Dann schlucken die Betroffenen Blutdrucksenker und Betablocker gegen den Bluthochdruck, Statine, damit die Blutfette nicht die geschädigten Gefässe verstopfen und Blutverflüssiger, damit auch bei verengten Gefässen die Organe noch versorgt werden. Auch so lässt sich leben und sich mit den Verhältnissen arrangieren.
Leben in einer vergifteten Welt
Doch nicht nur Medikamente schlucken die Bürger, sondern auch viele andere Gifte durch die Luft oder die Nahrung. So finden sich nicht nur im Bier Glyphosat sondern auch im Urin und im Blut. In der Leber und im Fettgewebe reichern sich Dioxine an.Die „Ewigkeitschemikalie“ PFAS –Per-und polyfluorierte Alkylverbindungen – sind in vielen Formen in Produkten wie Kleidung, Pfannen aber auch in der Luft oder im Boden zu finden und gelangen so in die Nahrungskette und ins Blut. Sie wirken sich auf den Hormonhaushalt und die Körperfette aus und gelten als krebserregend. Das Blut enthält nicht nur einen ganzen Cocktail an Chemikalien sondern auch Nanoplastik, dass sich in den Organen und im Gehirn ablagert.
Das sind nur einige wenige der Stoffe die bis in die Zellkerne eindringen können und dort die DNA angreifen, so dass diese mutiert und bösartige Gewebeneubildungen entstehen: Krebs, die zweithäufigste Erkrankung und Todesursache: „Sicher ist jedoch, dass eine zunehmende Anhäufung von Schäden des Erbguts gesunder Zellen ein ungebremstes Zellwachstum auslösen kann." Doch nicht nur Gifte greifen die Zellkerne an, sondern auch Strahlungen. Auch wenn die Atomkraftwerke abgeschaltet sind, strahlt der Müll weiter und bislang ist die Entsorgung ungeklärt.
Die Hälfte der Bevölkerung wird im Laufe ihres Lebens von Krebs befallen. Schliesslich gibt es nicht nur die oben angeführten Stoffe, die den Körper belasten, sondern eine Vielzahl mehr. Von ca. 150 Millionen bekannten Chemikalien und chemischen Verbindungen sind nur wenige auf die Wirkung auf den menschlichen Körper untersucht. Untersuchungen, die meist erst stattfinden, wenn Krankheiten oder Todesfälle in grösserem Umfang bekannt werden. Die EU verlangt erst seit einigen Jahren, dass bei Neueinführung einer chemischen Verbindung auf den Markt, diese von den Herstellern auf die Wirkung auf den menschlichen Körper untersucht werden: „Das REACH-System (EU-Chemikalienverordnung) basiert auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung der Industrie.“ Sie hat damit den Bock zum Gärtner gemacht. Mit Grenzwerten für Stoffe, deren Schädlichkeit bekannt ist, soll der Schaden in der Bevölkerung begrenzt werden, schliesslich wird die in ihren verschiedenen Funktionen als Arbeitskraft, Polizist, Lehrer oder Unternehmer noch gebraucht. Wie der Name schon sagt, begrenzen Grenzwerte den Schaden, schliessen diesen jedoch nicht aus. Bei der Bestimmung der Grenzwerte orientieren sich Gesundheitspolitiker weitgehend den Grenzen für eine akute Vergiftung.
Viele Gifte wie Dioxin oder Pfas lagern sich aber im Körper an und entwickeln so ihre Wirkung im Laufe des Lebens, weswegen Krebs auch als Alterserkrankung gilt, obgleich Krebs auch viele junge Menschen bis hin zu Kindern trifft. Hinzu kommt, dass die Gifte einzeln auf ihre Wirkung im menschlichen Körper untersucht werden, die Menschen sind aber immer einem ganzen Cocktail von Giften ausgesetzt. Zu den Giften, die über die Nahrung aufgenommen werden, kommen noch viele Schadstoffe aus der Kleidung, Raumtextilien, Farben etc.
Schliesslich orientiert sich die kapitalistische Produktion nicht einfach an dem Gebrauchswert eines Gutes, sondern seine wahre Qualität besteht darin, einen Gewinn damit zu erzielen. Um dem eigenen Produkt eine besondere Qualität zu verleihen, wird viel technischer und chemischer Aufwand betrieben, damit er sich von anderen Produkten unterscheidet und möglichst auf eine zahlungskräftige Kundschaft zielt. Die ist aber begrenzt, daher findet eben auch die Konkurrenz um die Kundschaft über den Preis statt. Für die Massen müssen daher Produkte hergestellt werden, die wenig kosten. Auch da kann Technik und Chemie viel beitragen, damit die Produkte auch dann noch gut aussehen, wenn sie minderer Qualität sind. Mittels Chemie kann die Produktion vielfach vereinfacht und die Produkte haltbarer gemacht werden. Für die im Produktionsprozess anfallenden Gifte gibt es in vielen Fällen die kostengünstige Entsorgung über die Luft, in den Boden oder ins Wasser der Flüsse.
„Dioxine entweichen aus Anlagen der Metallindustrie, aus Müllverbrennungsanlagen und privaten Kaminen in die Luft.“ (https.//de.wikipedia.org/wiki/Polychlorierte-Dibenzodioxine-und-Dibenzofurane ) Auch wenn viele Hochöfen inzwischen stillgelegt und in Müllverbrennungsanlagen bessere Filter eingebaut wurden, ist die Umwelt umfassend vergiftet und wird auch weiter vergiftet. Die Resultate finden sich daher im menschlichen Körper wieder. Gemessen wird dort nur das, was man sucht. Nach vielen Schadstoffen wird aber gar nicht gesucht. Schliesslich lässt sich das Resultat auch anders erfassen. Dafür gibt es das Robert-Koch Institut (RKI), das die Erkrankungen und Todesfälle in der Bevölkerung statistisch erfasst und die Politik über den Stand der Gesundheitsschädigungen der Bevölkerung am Laufenden hält. So geht eben die Sorge um die Gesundheit der Untertanen.
Geistige Vergiftung
Für die umfassende Ruinierung der Gesundheit, gibt es eine seltsame Erklärung, die der Bürger erst einmal schlucken muss: „Einige der wichtigsten Risikofaktoren und Hauptursachen für das Entstehen von Volkskrankheiten sind: Ungesunde Ernährung….Bewegungsmangel…Rauchen und Alkoholkonsum…Stress.“ Augenfällig ist zunächst, dass es die gleichen Mittel gegen ganz unterschiedliche Krankheiten geben soll. Verwiesen wird auf Risikofaktoren wie Ursachen, was einen grossen Unterschied macht.Während Ursachen auf biochemische oder physikalische Gründe verweisen, wie z.B. die Wirkung von Giften auf den Zellkern, sind Risikofaktoren statistisch ermittelt und können auf sinnvolle Zusammenhänge hinweisen wie unsinnige Zusammenhänge suggerieren. So ist zum Beispiel Stress ein Zustand der Anspannung und kein Grund. Die Gründe für den Stress liegen in der Überbeanspruchung durch die Arbeit, dem Zeitmangel der auch das private Leben belastet und Erholung kaum zulässt. Verzicht auch Alkohol und Rauchen kann Krebs durch Nanoplastik nicht verhindern. Zudem stellt sich die Frage, warum die Menschen, die keine Berge besteigen oder Marathon laufen wollen, ständig sich bewegen und trainieren sollen.
Offenbar verlangt der kapitalistische Alltag einen trainierten Körper, um die ständige Überlastung halbwegs zu ertragen. Zudem ist es schwierig gesunde von ungesunder Ernährung zu unterscheiden. Picken doch auch Bio-Hühner Dioxine auf und findet sich der Stoff in den Eiern. Glyphosat bleibt auch nicht nur dort, wo es gespritzt wird, sondern weht auch auf andere Felder. Deshalb wehren sich Bio-Bauern gegen strengere Grenzwerte bei ihren Produkten, denn auch sie können der umfassenden Vergiftung der Umwelt nicht entgegenwirken. Deshalb wird zwischen vermeidbaren und nicht vermeidbaren Risikofaktoren unterschieden und damit die Ursache den Betroffenen zugeschoben. Deren Rauchen, Alkoholgenuss, Essen und Trägheit ist vermeidbarer Grund für all die Volkskrankheiten, während die umfassenden Schädigungen durch Industrie und Handel unvermeidbar sind, weil für den Geschäftserfolg der Nation notwendig. Und an dem will ja keiner rütteln, also muss man das ganze schlucken.



