Alle Fahrraddemos auf Autobahnen verboten Autos wichtiger als Grundrechte

Gesellschaft

Am kommenden Samstag, 5. Juni, wollten bis zu 1000 Radfahrende gegen den Weiterbau der A39, das neue Gewerbegebiet Scheppau und die Folgen des Auto- und LKW-Verkehrs insgesamt für Mensch, Umwelt und Klima demonstrieren.

Stau auf der Autobahn A5 in Heidelberg.
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Stau auf der Autobahn A5 in Heidelberg. Foto: Radosław Drożdżewski - Zwiadowca21 (CC BY-SA 3.0 cropped)

1. Juni 2021
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Die Versammlungsbehörden haben aber nun die Nutzung von Autobahnen für diese Demos untersagt. Dabei würden ihre Begründungen aber völlig weltfremd wirken, kritisieren Organisator*innen der Versammlungen den Bescheid. So werde in der Verfügung, die das Verbot des Befahrens der A2 und der A39 enthält, behauptet "die Bundesautobahnen sind von ihrem eingeschränkten Widmungszweck her von vornherein demonstrationsfrei". Dieser Satz widerspräche nicht nur der aktuellen Rechtslage, sondern sei auch von jedermensch als Unsinn erkennbar, da andernorts solche Demonstrationen stattfänden.

Der Versuch, Autobahnen als demo-freie Zonen zu erklären, erinnere an die wenige Monate zurückliegenden Behauptungen der Versammlungsbehörde in Wolfsburg, Strassen seien generell nicht für Versammlungen da. Weltfremd erscheine auch die Ausführung, nach der auch die Gegenfahrbahn gesperrt werden müsse, weil sonst Gaffer eventuell Unfälle bauen würden. "Autobahn und Autofahrer*innen werden hier als ständige Gefahrenquellen benannt. Wäre das so, müssten alle Autobahnen sofort gesperrt werden!" heisst es von den Demoorganisator*innen. Ebenso unsinnig seien Verweise auf Gefahren, die auf Autobahnen alltäglich sind. "Eine spezifische Gefahr durch die Demo sei nirgends benannt worden".

Die Anmelder wollen Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. "Angesichts von Klimawandel und Unfalltoten sind die ständigen Sonderprivilegien des Autoverkehrs nicht mehr zu ertragen. Spätestens mit dem Klimaurteil des Verfassungsgericht sollte auch in Städten, die bisher dem Autoverkehr sehr viel Vorrang einräumten oder sogar nur deshalb gebaut wurden, die Wichtigkeit der Verkehrswende bekannt sein. Freies Autofahren höher einzuräumen als das Grundrecht auf Versammlung, zeigt erhebliche Lernresistenz".

Der Aufruf zur Demo

Braunschweig, 20. Mai 2021

Zum Weltumwelttag: Fahrraddemo auf Autobahn A2 und A39 für Verkehrswende

Für Samstag, den 5.6.21 laden Klimaschutz- und Verkehrsinitiativen zu einer Fahrraddemo über die Autobahnen A2 und A39 bis Wolfsburg ein. Beginn ist um 9:30 am Schlossplatz. Für Interessierte, die nicht so weit radeln können, stehen Busse zur Verfügung (um Anmeldung wird gebeten unter info@braunschweig.greenpeace.de).

Die Verkehrswende sei überfällig, so Pauline Hömmen von Fridays for Future: „Hunderttausende Bäume und ganze Ökosysteme werden jährlich für Autobahnbau geopfert, für die A39 von Wolfsburg bis Lüneburg, für die parallele A14, für die A49 im Danni usw. und z. B. auch im Kreuz Süd in Braunschweig. Ganze 850 km Autobahnneubau stehen im Bundesverkehrswegeplan, während Bahnstrecken immer noch stillgelegt statt ausgebaut werden. Mit Vollgas in die Klimakatastrophe – das muss ein Ende haben!“

Harald Walsberg vom VCD Niedersachsen ergänzt: „Die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft und des Verkehrs kann nur gelingen, wenn endlich umgesteuert wird von der selbstzerstörerischen Verschwendungs- in eine überlebenssichernde Nachhaltigkeitsgesellschaft. Das bedeutet eine neue Genügsamkeit im Güteraustausch und Personenverkehrsaufkommen und die Verlagerung des Restverkehres weitestgehend auf die Schiene. Diese Kombination kann die drei Nachhaltigkeits-Kriterien Suffizienz, Konsistenz und Effizienz erfüllen. Der Erfolgsweg lautet somit: ein dichtes neues Schienennetz statt Autobahnen schaffen, erstklassigen Kundenservice aufbauen, einen Teil der Autofabrikation auf Schienenfahrzeugfabrikation und Gleisbau umstellen. Langfristig sichere Arbeitsplätze sind damit ganz nebenbei geschaffen.“

Um 12:25 ist eine Kundgebung an der Abfahrt Scheppau geplant. Dazu Jurij Koschmann von der BI Gegenwind Scheppau: „Mitten zwischen Naturschutzgebieten, fernab von jedem Radschnellweg, öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen planen CDU, SPD & Co. aus Braunschweig, Wolfsburg, Wolfenbüttel und Helmstedt für ein riesiges neues Grossgewerbegebiet 186 Hektar Wald, Grün- und Ackerland zu versiegeln - während andernorts viele Industrieflächen brach liegen. Artensterben made in Germany!“

Birgit Huvendieck von der BI Baumschutz pflichtet bei: „Die Auswirkungen auf die Klimakatastrophe wären unverhältnismässig hoch. Das würde durch einen Ausbau der A39 exponentiell verstärkt. Neue Strassen und Gewerbegebiete auf der grünen Wiese ziehen neuen Verkehr an und erzeugen damit noch mehr Unfälle, Verletzte und Tote. Davon haben wir in unserer Autoregion schon viel zu viele!“

Um 15 Uhr, nach 37 km langsamer Fahrt mit drei Pausen wollen sich die Klimaschützer:innen in Wolfsburg an der Citygalerie mit einer Fahrraddemonstration des BUND gegen den geplanten Ausbau der A39 vereinigen. Gemeinsam soll es weiter gehen über die A39 bis zur Abschlusskundgebung in Jembke, wo sich die Bewohner:innen gegen eine geplante grosse Tank- und Rastanlage wehren.

Dr. Britta Hirschberger von Extinction Rebellion erklärt: „Die Aktionen sind Teil eines bundesweiten Aktionswochenendes gegen Autobahnbau. Warum? 1053 Verletzte und 8 bis 9 Tote pro Tag allein in Deutschland. Dazu die 13.000 jährlich, die an Luftverschmutzung sterben. Plus die, die unter dem Lärm leiden und die, die deswegen früher sterben. Die, die nicht mehr draussen spielen oder sich erholen können, weil fast alle Flächen von parkenden und fahrenden Autos blockiert sind. Rohstoffverbrauch mit Vernichtung ganzer Regionen für Öl-, Gas-, Lithium- und anderen Metallabbau, inklusive Vertreibung bis hin zu zahlreichen Morden. Riesige Flächen versiegelt, Wälder gerodet, Täler zerschnitten, Dörfer getrennt, Tiere totgefahren und lebensfeindlich asphaltierte Städte. Zu 25% Ursache der Klimakatastrophe, die unser Aussterben binnen ca. vier Generationen bedeutet, wenn wir nicht noch die Kurve kriegen. Was braucht es noch an Argumenten für eine Verkehrswende?“

Wer möchte, könne in Jembke übernachten und am Sonntag, den 6.6.21 weiter demonstrieren, so die Veranstalter:innen. Die Tour soll 22 km bis Wahrenholz führen, dann mit der Bahn nach Lüneburg und dort um 12:00 Uhr auf eine Fahrraddemonstration treffen, die wiederum auf der A39 bis nach Winsen und zurück führen wird. Informationen zu den Demos gibt es in einer offenen Telegram-Gruppe unter https://is.gd/w8co5W und auf den Internetseiten der erwähnten Initiativen.

Zu der bisherigen Verweigerungshaltung der Versammlungsbehörde verdeutlicht Klimaschützer Edmund Schultz, der die Demo angezeigt hat: „Mit unserer Aktion unterstützen wir, genauso wie das Bundesverfassungsgericht, die Bundesrepublik Deutschland darin, ihrer mit dem Pariser Klimaabkommen eingegangenen Verpflichtung nachzukommen. Insofern ist unsere Aktion gesetzeskonform, gemeinnützig, förderungswürdig und verhältnismässig. Wir werden die Demonstration auf den Autobahnen durchsetzen und uns nötigenfalls durch alle Instanzen klagen. Was seit dem Widerstand gegen den Bau der A49 im "Danni" an vielen Orten in Deutschland möglich war (Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Köln, Hessen, …), gilt auch für unsere Region und auch für die A2. Es ist höchste Zeit! Jeder Tag, den die Verkehrswende dadurch früher kommt, rettet Menschenleben!“

pm