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Werbung bis zur Kenntlichkeit verändert Was ist Adbusting?

Gesellschaft

Adbusting ist eine Protestform, angesiedelt irgendwo zwischen Kunst und Politik. Diese Spielart der Kommunikationsguerilla, die sich explizit mit dem Umdeuten von Werbung beschäftigt, nennt sich Adbusting.

Adbusting - Bundeswehr-Werbung.
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Adbusting - Bundeswehr-Werbung. Foto: maqui (PD)

11. Januar 2019
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Dieses Kunstwort aus dem englischen Begriffen Advertising (Werbung) und to bust (stören, kaputt machen) beschreibt das gezielte Verändern von Werbung, oder, wie die Adbuster*innen sagen würden: „Wir entstellen die Werbung bis zur Kenntlichkeit“. Was das konkret bedeutet, lässt sich gut beispielhaft an der Werbung der Bundeswehr und den Reaktionen darauf zeigen.

Militär-Werbung bis zur Kenntlichkeit verändert

Seit November 2015 drängt die Bundeswehr mit millionenschweren Werbeaufträgen in den öffentlichen Raum. So verstörend das zunächst erscheinen mag, ist das militärische Streben nach Aufmerksamkeit auch eine Chance für Antimilitarist*innen. Denn wer die Öffentlichkeit sucht, muss sie auch ertragen. Das die Bundeswehr damit ihre Probleme hat, zeigt sich immer wieder bei den polizeistaatlichen Reaktionen auf Proteste anlässlich von öffentlichen Gelöbnissen oder sogenannten „Tagen der offenen Tür“. Ähnlich angreifbar ist die Werbung der Bundeswehr im öffentlichen Raum.

Beispiel: Adbusting am Kriegsministerium

Wie das funktioniert, lässt sich an einer Aktion am Kriegsministerium im Dezember 2017 zeigen. Schräg gegenüber des Bendlerblocks am Lützow-Ufer gibt es eine Plakatwand. Diese wird regelmässig durch die von den Militärs angeheuerte Werbeagentur genutzt, um dort gut sichtbar für alle ministerialen Schreibtischtäter*innen die jeweils aktuelle Militär-Werbung präsentieren zu können. Doch im letzten Dezember überklebten Unbekannte diese Plakate mit antimilitaristischen Verbesserungen.

Auf der Abbildung einer Soldat*in vor einem U-Boot steht nun statt „Nicht jede Führungskraft hat ein Büro“: „Nicht jede Führungskraft befiehlt Schikane“. Das Bild einer Jet-Pilot*in zierte ursprünglich der Spruch „Nicht jeder Entscheider hat einen Dienstwagen“. Nach der Verbesserung heisst es wahlweise „Nicht jeder Entscheider hat die Lizenz zum Töten“ oder „Nicht jeder Entscheider träumt vom Führer“.

Gezielte Überspitzung

Das Beispiel macht deutlich, wie Adbusting-Künstler*innen das Vorgefundene überspitzen. In der Original-Version versuchen die Militärs bei der Suche nach neuen Offiziersanwärter*innen gegen die sogenannte „freie Wirtschaft“ beim Werben um Nachwuchs zu konkurrieren. Dabei übernehmen die Militär-Werber*innen deren neoliberales Gerede von „Führungskräften“ und „Entscheidern“ und die daran gebundenen Vorstellungen von Statussymbolen wie Dienstwagen und Büros.

Da die Bundeswehr aber genau hier nicht mithalten kann, wird die Erwartungshaltung der Betrachtenden gebrochen, indem das Büro durch ein U-Boot und der Dienstwagen durch ein Kampfjet ersetzt wird. Diese Bilder-und Begriffswelt soll auf der einen Seite mit den positiv besetzten Begriffen „Führungskraft“ und „Entscheider“ eine Gleichrangigkeit zu anderen Berufen beanspruchen, gleichzeitig mit dem offensiven Zeigen von Waffen wie U-Booten und Kampfjets deutlich machen, dass der Job beim Bund viel interessanter sei.

Mit dem Arbeiten, was da ist

Diese Trennung von „ziviler“ und „militärischer“ Welt nehmen die Adbustings auf. Doch statt die militärische Welt mit ihrer Waffentechnik und Macht verheissenden Mordsmaschienen positiv zu setzen, wird dieser Effekt ins Gegenteil verkehrt. Der Spruch „Nicht jeder Entscheider hat die Lizenz zum Töten“ erinnert die Betrachter*in daran, dass man in der zivilen Wirtschaft meistens nur indirekt für das Sterben von Menschen verantwortlich ist.

„Nicht jede Führungskraft befiehlt Schikane“ macht der Betrachter*in deutlich, dass es auch Arbeitsverhältnisse gibt, in denen das Einführen von Tampons in den After nicht zum Ausbildungsprogramm gehört. „Nicht jeder Entscheider träumt vom Führer“ erinnert an die sehr wohl regelmässig an die Wehrmacht anknüpfende zweifelhafte Traditionspflege der deutschen Militärs.

Auf der Grenze zwischen Glaubwürdigkeit und Übertreibung

Besonderen Effekt hat ein Adbusting, wenn es den Duktus der zu persiflierenden Werbung aufnimmt, und hart bis an die Grenze der Glaubwürdigkeit überspitzt. Ein Beispiel dafür ist die Veränderung „Nicht jeder Entscheider hat die Lizenz zum Töten“. Der Spruch arbeitet mit der von den Militärs bereits aufgemachten Trennung von „ziviler“ und „militärischer“ Welt, er ändert jedoch die Konnotation des Ganzen.

Das aus der Popkultur entlehnte James-Bond-Zitat sorgt für Glaubwürdigkeit, da die Werbeagentur ebenfalls Anleihen bei der Popkultur macht. Die Thematisierung von Töten als Bestandteil des Militärs irritiert jedoch. Die Chancen stehen gut, dass so ein Slogan zu Irritation und Nachdenken bei den Betrachter*innen führt. Davon zeugen auch die Reaktionen in den sogenannten „Sozialen Medien“, wo solche Aktionen regelmässig zusätzlich zu den direkten Betrachter*innen auf der Strasse noch ein weiteres Publikum finden.

Ist Adbusting legal?

In Anbetracht der Tatsachen, dass es eine Frechheit ist, mit welcher Selbstverständlichkeit die Werbewirtschaft den öffentlichen Raum vereinnahmt und dass Werbung sicherlich einen Grossteil der Betroffenen nervt, dürfte die Antwort auf die Frage nach der Legitimität von Adbustings für viele Menschen ziemlich eindeutig ausfallen. Bei der Frage der juristischen Strafbarkeit neigen die Kommunikationsguerillios dieser Republik jedoch dazu, sich die Tatsachen schön zu reden.

Im § 303 des Strafgesetzbuches heisst es zum Thema Sachbeschädigung: „(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. (3) Der Versuch ist strafbar.“

Wenig Urteile

Der zweite Satz dürfte zumindest in den Augen der Werbewirtschaft ziemlich genau auf Adbusting zutreffen. Die Presseabteilung des Werbeanlagenbetreibers Wall-Decaux behauptet dementsprechend auch, jeden Fall zur Anzeige zu bringen. Verurteilungen scheint es aber nur sehr wenige zu geben, und wenn, dann aus dem Bereich Wahlwerbung. Dies dürfte zum einen daran liegen, das die wenigsten Plakatveränderer*innen erwischt werden (wenn sie sich halbwegs clever anstellen) und zum anderen die Einstellungsrate bei den Staatsanwaltschaften aufgrund von „Geringfügigkeit des Vergehens“ ziemlich hoch sein dürfte.

Bundeswehr bisher betont cool

Während die Werbefirma Wall alle Adbustings anzeigt und ganz poserig die Beweise der Polizei übergibt, reagiert die Bundeswehr bisher betont cool auf derartige Aktionen. Als der Journalist Peter Nowak für das „Neue Deutschland“ im April 2016 im Kriegsministerium bezüglich der Bundeswehr-Adbustings nachfragt, teilt ihm Pressesprecher Jörg Franke folgendes mit: „Wir sehen bislang keinen Anlass, Strafanzeigen zu erstatten“. Die Bundeswehrplakatkampagne habe zum Ziel gehabt, „provokative Denkanstösse“ auszulösen. Nun sorgten die Adbusting-Aktionen für Kontroversen, die wiederum dazu beigetragen hätten, die Bundeswehrkampagne bekannter zu machen.

Lässigkeit in den Sozialen Medien

Auch in den sogenannten „Sozialen Medien“ agieren die Propaganda-Soldat*innen nicht ungeschickt. Im Herbst 2015 wurde die Fassade des „Bundeswehr-Laden“, einer öffentlichkeitswirksame Rekrutierungsstelle am Berliner Bahnhof Friedrichstrasse, von oben bis unten mit blutroter Farbe markiert. Neben diesen Anblick stellten die Soldat*innen ein Poster mit dem Slogan „Wir kämpfen dafür, dass Du gegen uns sein kannst“ und verbreiteten das Bild auf ihren Kanälen. Fast alle Berliner Tageszeitungen griffen das Motiv auf und feierten die Besatzung der Rekrutierungsstelle für ihr Propaganda-Geschick.

Bali statt Mali

In einer Werbeanzeige in digitalen und analogen Magazinen greift die PR-Agentur der Bundeswehr ein Adbusting sogar explizit auf. Es handelt sich um ein Adbusting aus München. Auf das grosse M von Mali wurde dabei ein B geklebt, sodass dort nach der Veränderung „Bali“ statt ursprünglich „Mali“ steht. Den abgebildeten Soldat*innen wurden Blumen an die Helme geklebt und der Slogan um eine Bierflasche ergänzt. In ihrer Werbeanzeige nutzen die Bundis dieses Arrangement wiederum, um es mit ihrem Logo und dem schon vom BW-Laden bekannten Slogan „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“ zu ergänzen.

Plakative Probleme

Hier deuten sich einige Probleme der Aktionsform Adbusting an. Die inhaltliche Rückeroberung der Adbustings durch die Bundeswehr nutzt die im Medium Plakat angelegt plakative Phrasenhaftigkeit. Die Bali-Aktion nutzt zwar durch eine Umdekodierung der im ursprünglichen Plakat verwendeten graphischen Symbole geschickt die Vorlage. Sie bleibt inhaltlich aber eher beliebig. Die Veränderung von „Mali“ zu „Bali“ suggeriert, dass der „Auslandseinsatz“ eher ein gut bezahlter Ferienurlaub den ein brutal geführter Krieg sei. Und genau diese inhaltlich zahnlose Kritik ermöglicht der Bundeswehr die Wieder-Aneignung.

Inhalt weiterhin wichtig

Bei poppiger Kommunikationsguerilla stellt sich immer die Frage nach dem Inhalt. Nur weil die Form der Aktion bestimmte Vorteile gegenüber anderen politischen Interventionsformen bietet, sind sie aus einer emanzipatorischen Perspektive trotzdem keine Selbstläufer. Die Plakatveränderungen der Adbusting-Aktivist*innen sind sehr anfällig für Vereinnahmungen aller Art.

Das liegt u.a. daran, dass sie zwar für Erregungskorridore sorgen können, aber aufgrund der wenigen Buchstaben und der Einfachheit der Botschaft, die ein gelungenes Plakat nun einmal ausmachen, wenig Inhalt transportieren können. Darüber hinaus müssen Plakat-Veränderungen zumindest in einem gewissen Grade die vorgedruckte Vorgabe ihrer Gegner_Innen nutzen. Gerade deshalb ist ein radikaler Inhalt bei Kommunikationsguerilla sehr wichtig, weil nur das einen relativen Schutz vor einer Rück-Aneignung bietet.

Weshalb kritisieren wir die Bundeswehr eigentlich?

Ein anderes Beispiel für die Probleme inhaltlich eher problematischer Kommunikationsguerilla blieb die relativ bekannt gewordene Fake-Homepage des Peng-Collectives. Unter der Domain „machwaszaehlt.de“ coverten die Berliner Aktivist*innen täuschend echt die Bundeswehr-Seite „machwaswiklichzaehlt.de“. Unter dem Slogan „Mach was zählt“ warben sie im Bundeswehr-Design für einen Job in der Altenpflege, im Krankenhaus oder in der Entwicklungszusammenarbeit. Doch auch das bewahrt nicht vor dem Vereinnahmungs-Schicksal.

So beurteilt Phillipp Fritz, Volontär bei der Berliner Zeitung die Homepage-Cover-Aktion des Peng-Collectives deshalb als unterstützenswert, weil sie keine grundsätzliche Systemkritik leistet: „Kritik an der deutschen Armee ist keine Systemkritik. Kritik an ihren Kampagnen kann auch geübt werden, wenn jemand die Notwendigkeit einer deutschen Verteidigungsarmee sieht. Die „Mach, was wirklich zählt“-Kampagne jedoch versucht die Bundeswehr als etwas zu verkaufen, was sie nicht ist – als einen Abenteuerspielplatz. Genau das entlarvt die Gegenkampagne von Peng.“

Kommunikationsguerilla als Optimierung des Normalvollzugs?

Eine genaue Betrachtung zeigt: Herr Fritz hat Recht. Denn die Gegenkampagne entlarvt auch das Peng-Kollektiv als lammfrom: Mehr Humanitäre Hilfe? Leistet die Bundeswehr gerade beim Thema „Geflüchtetenhilfe“ mit dem grössten (und unkritisiertesten!) Inlandseinsatz ihrer Geschichte. Weniger Sexismus in der Armee? Ein explizites Anliegen der aktuellen Kriegsministerin. Kritische Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit im deutschen Militär? Ebenfalls ein Anliegen deutscher Aussenpolitiker*innen (denn wenn man aus der Vergangenheit lernt, kann man mit moralischer Überlegenheit überall in der Welt „intervenieren“). Zu jeder Forderung des Peng-Collectives könnte das Militär also theoretisch laut „Ja!“ sagen. Eine radikale Politik sollte mehr als Optimierung des kapitalistischen Normalvollzugs sein.

maqui / pd

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