Grossbritannien will Geheimnisverrat härter bestrafen „Frontalangriff auf den Journalismus“
Gesellschaft
In ungewohnter Schärfe kritisieren Medien- und Bürgerrechtsorganisationen die Pläne der britischen Regierung, die Berichterstattung über geheime Dokumente mit drakonischen Strafen zu belegen. Hinzu kommt, dass die Gesetzeskommission behauptet, zivilgesellschaftliche Organisationen konsultiert zu haben – diese das jedoch abstreiten.


MI6-Zentrale in London. Foto: Mark Ahsmann (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)
Das Gesetz soll den Official Secrets Act von 1989 ablösen. Downing Street begründet die Notwendigkeit einer Novelle mit den Erfordernissen der Digitalisierung. Scharfe Kritik an den Regierungsplänen
Bürgerrechtsgruppen und Medienorganisationen kritisieren das Vorhaben in ungewohnter, aber gebotener Schärfe. Jodie Ginsberg, Vorsitzende von Index on Censorship erklärt gegenüber dem Telegraph:
„Die vorgeschlagenen Änderungen sind erschreckend. Sie haben keinen Platz in einer Demokratie, die darauf aufbaut, dass es Mechanismen gibt, welche die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen.“
Es sei undenkbar, dass Whistleblower und diejenigen, denen sie ihre Information anvertrauen, ins Gefängnis gesteckt werden können für das Leaken oder Erhalten von Informationen, an denen ein öffentliches Interesse besteht.
Jim Killock von der Open Rights Group sagt:
„Das ist ein Frontalangriff auf den Journalismus, der schon das Sichten von Geheimdienstmaterial unter Strafe stellt. Die Intention des Vorhabens ist, dass die Öffentlichkeit nie erfährt, dass ein Geheimdienst jemals Gesetze gebrochen hat“
Der investigative Journalist Duncan Campbell, der durch die Enthüllungen des Echolon-Programmes bekannt wurde, kommentiert:
«Es scheint, dass die Kommission ihre Weisungen ausschliesslich aus dem Cabinett Office übernommen und die Geschichte der Gesetze zum Thema nicht gründlich überprüft hat. Wenn sie es getan hätte, hätte sie gemerkt, dass sich alle Beteiligten – in und ausserhalb der Regierung – einig waren, dass der blosse Erhalt von Informationen keine strafbare Handlung sein soll – und dies wurde auch vor knapp 30 Jahren in ein Gesetz gegossen.»
Der Menschenrechtsanwalt John Cooper sagt gegenüber dem Telegraph: „Diese Reform könnte einige der wichtigsten Prinzipien der offenen Demokratie untergraben“. Bürgerrechtsorganisationen und Medien als Feigenblatt genutzt?
Laut der Gesetzeskommission seien auch Medien wie der Guardian und Bürgerrechtsorganisationen am Konsultationsprozess beteiligt gewesen. Sie werden auch im 326 Seiten starken Dokument der Kommission gelistet. Allerdings widersprechen die genannten Organisationen vehement, dass sie konsultiert worden seien. So sagt die Organisation Liberty laut dem Guardian: „Wir sehen nicht, dass wir hier beraten hätten“. Ähnlich äusserte sich Cathy James von der Whistleblower-Organisation Public Concern at Work: „Wir wussten gar nicht, dass wir im Dokument gelistet sind, das ist eine grosse Überraschung. Ein Kollege hat sich einmal mit jemanden aus der Kommission getroffen, aber das war keine Konsultation im Sinne des Wortes Konsulation.“
Auch der Guardian selbst hatte nur ein Vorgespräch mit der Kommission und wurde nicht gefragt, bevor er im Dokument aufgeführt wurde. Ein Sprecher der Zeitung sagt: „Die Vorschläge bedrohen Journalisten und Whistleblower mit drakonischen Strafen. Kombiniert mit dem gerade eingeführten Investigatory Powers Act, der es erlaubt, Journalisten ohne deren Wissen zu überwachen, ist das eine weitere Attacke auf die Meinungsfreiheit.“
Der Investigatory Powers Act gilt als das härteste Überwachungsgesetz, das jemals in einer Demokratie verabschiedet wurde.
Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.
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