Marihuana und Drogenkultur Kiffen macht spiessig - Marihuana und Drogenkultur

Gesellschaft

Vorweg: Wir sind nicht gegen die Freigabe von Hanf, und nichts spricht dagegen, einem albernen Verbot den Garaus machen zu wollen. Und wenn einige KifferInnen nichts besseres mit sich anzufangen wissen, als dieses Land nach ADAC, Sportvereinen etc. auch noch um eine Hanflobby zu erweitern, sei ihnen dies unbenommen.

Hanfblüten.
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Hanfblüten. Foto: Eastcoastshine (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

17. März 1998
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Wenn aber sich gleichermassen zu Outlaws und den besten aller StaatsbürgerInnen stilisierende DemonstrantInnen sich vereinigen, ihr Anliegen als das gerechteste unter allen zu präsentieren, und ihnen dabei im Laufe ihrer jungen Geschichte kein Argument zu schlecht gewesen ist, solange es dem Zwecke diente, dann ist Obacht angesagt: Obacht vor Deutschen, die naturnah, fröhlich und clever mit den Deklassierten, den Junkies, Kriminellen, "Süchtigen" etc., rein gar nichts gemein haben wollen.

Die erste Hanfbewegung: Vom Lebensstil als Widerstand zum Widerstand als Lebensstil

Als Hanf in der BRD wieder populär wurde, kam es als Kulturkampf. Nicht bloss, weil es exotisch schien und von den Eltern der 68er ebenso gemieden wurde wie das italienische Restaurant, in das man aus Protest einkehrte, sondern auch, weil es so hübsch wuselig und damit weniger anfällig für deutsche Sekundärtugenden - Ordnung, Fleiss und Sauberkeit - machen sollte, wurde es zum Symbol der Rebellion auserkoren (und von den Herrschenden mittels der angedrehten Haschhysterie auch so angenommen). Die Umherschweifenden Haschrebellen, die prominentesten Vertreter des politischen Kampfes qua Lifestyle sahen in den Drogen - "Haschisch, Opium, Heroin für ein schwarzes Westberlin!" - gar den Schlüssel, die eigene revolutionäre Subjektivität von den Schlacken der Ordnung zu befreien, auch wenn in ihrer Praxis Hasch weniger als Kampfmittel denn vielmehr als Handelsware fürs tägliche Überleben, bloss hübsch verbrämt, Verwendung fand.

Ihre Aktionen aus dem lebensgefühligen Bauch, allen voran die Bombenanschläge auf jüdische Einrichtungen, enstprangen wohl doch mehr der deutschen als der bekifften Kultur - wie immer, wenn der Verzicht auf Reflexion als fortschrittlich abgefeiert wird. Da Rebellion per Warenkonsum an sich eine heikle Sache ist, die zur kulturindustriellen Reintegration ins Bestehende nachgerade prädestiniert, veränderte sich in den 70ern die Bedeutung des Hanfes für die Linken. Aus dem Kampfmittel wurde der Ausweis zur richtigen Gesinnung: Quasi zum Nulltarif liess sich in der trauten WG allen beweisen, dass man vor keiner staatlichen Feinderklärung zurückschrecke und ungerührt weiter kiffe, mit dem beruhigenden Gefühl, auf der richtigen Seite der Barrikade zu stehen. Als Joseph Fischer 1983 in den Bundestag gewählt wurde, hatte er kein Bedürfnis nach 'ner Zwille, wie er seinem Hausblatt "Pflasterstrand" erklärte, wohl aber nach einem Joint. Wenn niemand mehr wusste, warum er oder sie sich sonst als irgendwie anders als die doofen Spiesser fühlen sollte - der Hanf, so harmlos wie die Bewegung, die er repräsentierte, verriet es ihm.

Distinktionsgewinn ohne Risiko versprach jedoch bloss der Hanf, während Heroin, auf dessen KonsumentInnen seit den 70ern fast aller Verfolgungsdruck lastete, weniger Hipness denn Verelendung versprach und als Symbol nicht mehr in Frage kam. Unfähig, die Bedingungen, mittels derer die Junkies produziert werden, das staatliche Heroinverbot, zu kritisieren, strich man vielmehr die HeroingebraucherInnen aus der Linken, um ja nicht in Verruf zu geraten: Bei der Stigmatisierung von Junkies haben sich weder K-Gruppen noch Haschrebellen, Grüne oder Autonome vom Bürger ausstechen lassen. Mag es die Linke als relevante Grösse auch nicht mehr geben, der Hanf, geschichtlich mit ihr verwoben, existiert noch, bloss kontextlos. Ohne diese Geschichte aber ist der heutige Kampf beider Seiten, der KifferInnen wie der VerbotsbefürworterInnen, diese Erinnerung endlich zu tilgen, nicht zu verstehen: Diese wollen den Hanf, der ihnen nach Aufruhr riecht, endlich loswerden, jene genau diesen Geruch.

Die Geburt des Rechts auf Rausch aus dem Untertanengeist

Nachdem es lange still um sie war, begann die zweite Hanfbewegung bezeichenderweise, als ein Lübecker Richter das Bundesverfassungsgericht anrief, das Hanfverbot ad acta zu legen, und damit von honoriger Seite aus den Startschuss gab. Dergestalt ermutigt, schossen, allzumal nachdem das BVG ihrem Anliegen, die Repression für GebraucherInnen einzustellen, grösstenteils nachkam, Hanflobbyverbände, -zeitungen etc. aus dem Boden, die bis heute ihre obskure Vorliebe für den Rechtsweg nicht aufgeben mögen: Gerade jüngst wieder begann in Nordrhein-Westfalen eine Selbstanzeigenkampagne (nicht ohne den Versuch, gerichtlich durchzubringen, dass Haschbesitz zum Zwecke der Selbstanzeige straffrei sein müsse).

Nicht bloss in der Wahl des Rechtswegs, sondern vor allem in der Argumentation erweisen die KifferInnen sich als gute StaatsbürgerInnen und Adepten genau jener Drogenverbote, die sie vorgeben zu bekämpfen. Bereits im Lübecker Vorlagebeschluss heisst es zur Begründung des naturrechtlich abgeleiteten "Rechts auf Rausch": "Je technischer, schneller und funktionaler eine Gesellschaft aufgebaut ist, desto stärker wird das Bedürfnis, aus dieser Umklammerung auszubrechen." Noch den Ausbruch aus der Ordnung, die der Staat immerhin aufrechterhält, soll vom Staat - denn nur dieser kann ein Recht setzen - garantiert werden; damit aber wird er als Herr über den gerechten Rausch bestätigt, zu dem er sich einstmals usurpatorisch aufgeschwungen hatte, indem er sich mittels des Verbots ausgewählter Drogen erst als gesellschaftlicher Planer des guten Konsums selbst setzte.

Galten in der liberalen Epoche der bürgerlichen Gesellschaft, bis zu den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts, Staat und Gesellschaft, Recht und Moral als getrennt und Leib und Seele der Individuen als Bedingung der rechtlichen Ordnung, so wurden im autoritären Staat genau diese Trennungen kassiert und die Zurichtung des Unbedingten, eben Leib und Seele, auf die die Drogen nur wirken können, auf von ihnen getrennte Zwecke, nämlich die Erfordernisse der Verwertung, festgeschrieben. Eben jene Instanz, den autoritären Staat nämlich, wiederum zum Richter über den Rausch zu machen und damit über diesem immer die Massregel des Allgemeinwohls und der Volksgesundheit schweben zu lassen, statt zu fordern, er möge zumindest daraus die Finger lassen, zeigt nur einmal mehr, wie weit in Deutschland die besinnungslose Verstaatsbürgerung der Individuen gelungen ist. Die Kifferverbände aber übertreffen in staatsbürgerlich-autoritärer Gesinnung noch ihren Mentor Neskovic, der es wenigstens gut meinte.

Statt die Moralisierung des Rechts, wie es Ausdruck im Betäubungsmittelgesetz findet, zu kritisieren, bejammerten verschiedene Hanfverbände in einer gemeinsamen Presseerklärung nach dem BVG-Entscheid, dieser sei so seelenlos gewesen - als sei es nicht die Crux der Drogenpolitik, dass so viel Empfinden und so wenig Vernunft in ihr steckt. Und im Ersuchen, der Staat möge endlich ihr heissgeliebtes Kraut unter seine ausdrückliche Zustimmung stellen, ist ihnen kein Argument je zu schade gewesen, ihre Harmlosigkeit und Bereitschaft, zum reibungslosen Verlauf dieser Gesellschaft zu wirken, unter Beweis zu stellen. Da wird stets behauptet, Kiffer hätten nichts mit Kriminellen zu tun - als gäbe es eine wesenhafte Kriminalität jenseits jener, die der Gesetzgeber nun mal definiert. Da wird verwiesen auf die Steuereinnahmen, die sich der Staat entgehen lässt, wie auf das Recht aufs Kiffen, dass man sich per Steuerzahlen, so scheint's, erwerbe, denn anders lässt sich der penetrante Medienverweis auf diese an sich banale Tatsache nicht deuten. Da wird argumentiert, die Gewinne für den Hanf kämen bloss der Rauschgiftmafia zugute, als ständen Profite nicht dem zu, der sie am Markt erzielt, sondern dem guten Kapitalisten, den alle leiden können.

Das Gerede, bloss die Schattenwirtschaft profitiere von der Drogenprohibition, verschreibt sich, um als Vorwurf gelten zu können, einer moralischen Aburteilung jener, als fehlte ihr zur Legalwirtschaft mehr als bloss das staatliche Gewaltmonopol, das die Einhaltung geschlossener Verträge garantiert. Wesenshafte moralische oder sonstwelche Unterschiede aber lassen sich nur festhalten, wenn man sich der guten deutschen Tradition hingibt, zwischen "schaffendem" und "raffendem" Kapital - dem guten, vaterlandstreuen und dem bösen, ehrlos-abzockerischen - zu trennen, zu dem dann der Wahn einer internationalen Verschwörung der organisierten Rauschgiftkriminalität wie die Faust aufs Auge passt.

"Don't criticize it" - alternative Drogenberatung als Reklame

Als Standardargument aber wird immer wieder verwiesen auf die Ungefährlichkeit des Hanfes, ob im Kontrast zu anderen Drogen oder überhaupt: als wäre eine eventuelle Gesundheitsgefahr, die die Herrschenden präsentieren könnten, bereits Grund genug, die Substanz zu verbieten und den Zugriff auf den individuellen Leib zu rechtfertigen. Müssten sie stattdessen mit dem nicht notwendigen Leid, welches ein staatliches Drogenverbot erst erzeugt, argumentieren, fiele ihnen vielleicht auf, dass sie kaum, die Junkies aber massiv davon betroffen sind - und genau dies soll nicht sein. Denn sie werden nicht eher Ruhe geben, als bis der Staat hoch und heilig versichert hat, ihnen nichts nachzutragen und sie alle besonders lieb zu haben.

Als KonsumentInnen, wie sie im Buche stehen, wissen Kifferbewegte nämlich Bescheid: Eigentlich gibt es keine vollkommenere Ware als Hanf. Ständig meinen sie darauf verweisen zu müssen, dass ihre Droge keine Therapien brauche, keine Toten hervorbringe und derlei mehr - ganz im Gegensatz zu allen anderen illegalen und legalen Drogen. (1) Insbesondere ohne die Retourkutsche gegen die, die Alkohol trinken und Zigaretten rauchen, scheinen sie nicht auskommen zu können, und rechnen ihnen, schon längst nicht mehr nur, um eine Doppelmoral zu belegen, vor, wie ungesund der Stoff sei und wie laut und aggressiv das Bier mache. Gleichgültig gegenüber der Motivation jener Subjekte, die da konsumieren, entfällt auch die Erkenntnis, dass über die Wirkung wie den Wunsch, eine bestimmte Wirkung mit einer bestimmten Droge zu erzielen, nichts mit Notwendigkeit ausgesagt werden kann: weder moralisch noch medizinisch.

Weder liegt die Rauschwirkung einer Droge in ihrer Pharmakologie schon beschlossen, noch ein objektiv vorgegebener Verlauf dauerhaften Konsums; vielmehr werden diese durch die Zwecke, die der Gebraucher setzt, aktualisiert, ebenso wie eine Gesundheitsgefahr zu diesen Zwecken ins Verhältnis gesetzt wird. Gerade deswegen kann auch die Vorstellung, alle würden, wenn sie frei und informiert entscheiden könnten, Hanf wählen, nicht verfangen, eben weil die unterschiedlichen Rauschwirkungen keinem objektiven Nutzen-Risiken-Kalkül unterliegen können, sondern bloss dem des subjektiven Beliebens. So bleibt die Vergleicherei leeres Reklamegerede, die sich nicht entblödet, den Schwarzmarkt noch für seine Angebotspolitik zu kritisieren: Mit der Mär, das Cannabisverbot sei schon deshalb schlecht, weil Dealer dann auch andere "harte Drogen" feilbieten würden, reproduzieren Hanfbewegte, in deren Argumentation das selten fehlt, bloss die autoritäre Sicht, Menschen hätten keinen anderen Grund, Heroin oder Koks zu wählen, als weil es ihnen eben aufgeschwatzt worden sei.

Noch kruder argumentierte jüngst Bewegungsfunktionär und leitender "Hanf!"-Redakteur Jenetzky, der durchblickte, dass "Heroin im Strassenhandel dasselbe kostet wie Haschisch im Coffeeshop. (...) Dankesadressen sind an die UNO zu richten" (Hanf! 8/ 97). Nun haben ein Zwanni Hasch und ein Zwanni Heroin schon immer zwanzig Mark und damit gleichviel gekostet, während sich die Mengen für ein High (und damit auch der Preis) ohnehin nicht objektivieren lassen, doch die Botschaft ist deutlich: Nicht bloss, dass die Prohibition unsere Droge auf den Schwarzmarkt zu den Schmuddelkindern zwingt, ist das Problem, sondern zudem noch zu einem Preis, der den Reklamezwecken nicht so hold ist, wie Hanfis das gern hätten. Ärgerlich an dieser Reklame ist, dass sie mit geballter Wucht auf die zurückschlägt, die sich ihr nicht fügen. Wer andere Drogen als den Hanf anrührt, ist, da er oder sie sich nicht ordentlich schlau gemacht hat, selber schuld.

Über Junkies, ihre Verfolgung und ihre erzwungene Verelendung verliert der Hanfbewegte aus gutem Grund kein gutes Wort, weder in Aufrufen noch kaum in einem der monatlichen Machwerken (von "Grow" einmal abgesehen): weder die, die es besser wissen, aber aus taktischen Gründen ihre Einsichten der besseren Vermittelbarkeit wegen verschweigen, noch die, denen jeder Gedanke über den Tellerrand unheimlich erscheint; von der Mehrzahl derer, die Junkies im oben beschriebenen Sinne aufgrund der Drogenwahl verachten, ganz zu schweigen. Nur so können sie allesamt wirkungsmächtig werden und als alternative Drogenbeauftragte der Gesellschaft dienen. Die liberalen Gazetten hatten nach der BVG-Entscheidung die Marschrichtung vorgegeben, nun könne die Polizei, von der Kifferverfolgung entlastet, endlich die wahren Problemdrogen effektiver bekämpfen. Da sehen auch sie ihre Lücke, und wer in den eigenen Reihen noch Mucken macht, dem gibt, suchtresistenter als die Bundeszentrale, "Cannabis legal!" in ihrer Grundsatzbroschüre noch ein kräftiges "Wer meint, mit Drogen ein Problem lösen zu können, hat mindestens zwei!" mit auf den Weg.

Hanf - Die Rettung der Welt in Warenform

Nun ist die Tiptop-1a-Wirkung von Haschisch nicht das einzige, worüber unsere idealen KonsumentInnen Bescheid wissen. Pur aus der Natur sei es, ein Allheilmittel für Gesundheit, Versorgung und die Ökologie dazu, vielleicht gar deswegen. Das gute alte deutsche Wandervögel-Ideal, das alles aus der Natur grossartig sei, alles "Synthetische" aber verdorben - weil selbstherrlich vom Menschen erschaffen statt demutsvoll empfangen -, diese hässliche Mischung aus Kitsch und brutaler Zivilisationsverachtung feiert wieder fröhlich Urstand, ob im Ressentiment gegen chemische Drogen, Schulmedizin oder hübsche Kleidung. Nicht mal die Tatsache, dass sein Dope hochgezüchtetes Produkt jahrelanger Auslese und in Holland unter Kunstlicht gewachsen ist, vermag den Kifferbewegten zu erschüttern.

Lieber behauptet er, die derzeitige ökonomische Krise, deren Unaufhebbarkeit unter kapitalistischen Bedingungen so lächerlich offenkundig ist, sei Folge der Tatsache, dass eine Ware, die Pflanze Hanf nämlich und das aus ihm gewonnene Papier, dem Weltmarkt nicht zur Verfügung stünde; dass wir es ohnehin nicht mit einem Problem zwischen Menschen, gefasst in altbackenen, da reflexionsbedürftigen Begriffen wie Armut, Ausbeutung und Lohnarbeit, zu tun haben, sondern mit einem falschen Verhältnis "der Menschheit" zur Natur. In der Krise haben Heilsideologien, an deren Wahn angeblich Wohl und Wehe aller hänge, Hochkonjunktur; und so schrieb die Initiative H.A.N.F. e.V. in diesem Sinne einen Offenen Brief nach Karlsruhe, als dort übers Hanfverbot entschieden wurde: "Wir bitten Sie nun, dem Wahnsinn der Zerstörung unserer Erde einen Schritt entgegenzutreten (...). Sie sollten eine der letzten Chancen der Menschheit nicht vergeben", und der Wunsch nach der Apokalypse verbirgt sich in diesen Worten nur mühsam.

Inzwischen blühen in Brandenburg Hanffelder, ohne dass alles gut ist, doch bislang gibt es auch noch nicht zu jedem Produkt eine Alternative aus Hanf, und so muss die Mission weitergehen, zu deren Unterstützung Hanf-Magazine auch gerne Marketingpreise ausloben. Doch wie die, die die Sonne im Herzen und das Rezept gegen alle Übel in der Tasche haben, sehen auch die nicht aus, die in Hanfklamotten herumlaufen - Klamotten, die teurer, kratziger und weniger elegant als Leinen sind, dafür aber Gesinnung demonstrieren -, sondern mehr wie solche, die sich nach einer Katastrophe sehnen, nach der es erst tatsächlich Sinn machen würde, aus spärlichen heimischen Rohstoffen wirklich alles herstellen zu müssen. Und so lobt das Hanfbuch von Jack Herer, Standardwerk der Kifferbewegung, ausgerechnet eine "Hanffibel" des nationalsozialistischen Deutschlands, die seitenlang dokumentiert wird, für ihren unverkrampften Umgang mit Hanfanbau, obwohl (oder weil?) recht unverblümt ausgesprochen wird, worum es geht: autark sein für den Krieg. Wenn's um die Rettung der Welt geht, ist man bei der Wahl der Bündnispartner nicht wählerisch.

Die Uniformität trägt bunt: Die spiessigen Rebellen

Wer's über sich bringt und die gerne auf Titelbildern prangenden Titten hinter sich, mag vielleicht schon einmal die vielen neuen Hanfjournale durchblättert und sich gefragt haben, wie sich alle vier als Publikumszeitschriften halten konnten. Unterscheiden tun sie sich nicht, und subversiven Charme versprühen sie ebensoviel wie andere Freizeitmagazine, die "Bäckerblume" etwa, mit der sie auch ansonsten viel gemein haben. Ein bisschen Instantesoterik, die neuesten Pfeifentrends und - jeder Bürger hat ein Hobby, mit dem er sich die Zeit vertreibt - die Hälfte des Heftes Anbautips geben der erworbenen Ware, ob Samen oder Dope, erst das richtige Gebrauchswertversprechen. Die Aussenwelt kommt nur da vor, wo sie einem in den Blumentopf gucken könnte - oder da, wo die Schlechtigkeit der Welt bejammert wird, die ungefähr da beginnt, wo KifferInnen unterdrückt werden, und dort auch ganz schnell wieder endet.

Zu Wort kommende LeserInnen wälzen Probleme - wo anbauen" -, schimpfen auf Politiker, erörtern den Druck, der als kiffender Mittelständler auf einem lastet, und erzählen, wie bekifft sie wann mal waren; alles in allem genauso borniert, wie man es halt gewöhnt ist im Lande der Vereinsmeierei. Und doch präsentiert die verschworene Gemeinschaft, die sie doch so gerne sein will, sich nicht bloss bieder, harmlos und steuerzahlend, sondern zugleich auch, ob im Layout oder in den Anzeigen, locker, flockig und so ganz anders als die Spiesser. Und merkwürdigerweise scheint dieser Widerspruch in ihrem Bewusstsein niemals auf. Das aber ist der objektive Zustand der Gesellschaft, der die verdummen lässt, die sich von ihrer Ohnmacht verdummen lassen. Wenn erfolgreich mit "Everyone's an original" für Zigaretten geworben werden kann, ist der Bannspruch über den einzelnen bereits verhängt worden: In Wahrheit ist jedes Individuum austauschbar und überflüssig geworden, weil es vor den blinden Gesetzen von Markt und Staat, erbarmungslos vollstreckt wie Naturgesetze, tagtäglich kapitulieren muss.

Wenn alle von den herrschenden Zuständen auf den Stand unmündiger Kinder gezwungen werden, was ihr Vermögen betrifft, die Welt zu ihrem Zwecke einzurichten, dann verbleibt den Individuen nur die Suche nach Schutz. Daher der merkwürdige Zweifrontenkrieg der Kifferbewegung: Dem Markt präsentieren sie sich als fröhliche, kreative und stets gutgelaunte, distinkte und distinktionsbewusste KonsumentInnen, an denen manch innovatives Produkt bisher verloren gegangen ist, und bringen dabei ihr lädiertes bürgerliches Selbstbewusstsein narzisstisch auf Vordermann (denn als eigenständige rebellische Zielgruppe angesprochen zu werden, das wärmt des Bürgers Herz). Dem Staat aber zeigen sie, dass sie gar nicht anders sind als die, die er offen unter seinen Fittichen hat, brav, treu und erfüllt vom Sinnen nach Gemeinwohl, gute StaatsbürgerInnen und Deutsche - die zu allem Überfluss lieber den Haschischhandel auf der Hanfparade unterbinden wollen, als in der Öffentlichkeit in den Ruch der Dealerei zu geraten.

Die Kifferbewegung wächst im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Notwendigkeit an. Wer will, kann heute in der BRD (ausser vielleicht in Bayern) recht unbehelligt kiffen. Dass die Hanfideologen ihre spätestens seit der BVG-Entscheidung gewonnene Musse nicht dazu nutzten, den Schritt aus dem eigenen Milieu zu wagen und solidarisch mit anderen Opfern - des Betäubungsmittelgesetzes oder anderer Repressionsmassnahmen - zu werden, sondern, unfähig zu dieser nur mässig schwierigen Abstraktionsleistung, statt dessen erst recht aufdrehten, lässt vermuten, dass es um mehr geht: Um eine symbolische Anerkenntnis der Richtigkeit ihres Tuns durch die Instanzen gesellschaftlicher Autorität. Dass der Wind sich gedreht hat und die Margen für den Schutz höher liegen, haben sie gemerkt; und die Hanfparade ist Ausdruck des Wunsches, nicht dazuzugehören, wenn nach der parteiübergreifenden Hatz auf ImmigrantInnen, "Mafiosi", Obdachlosen und Junkies neue Opfer gesucht werden. Genau das ist das Problem.

Junge Linke

1 Keine Droge macht aus sich heraus abhängig oder gar tot; darüber entscheidet die Verwendungsweise. Heroin, in Reinform und korrekt dosierbar erhältlich, hinterlässt beispielsweise keine körperlichen Schäden. Erst unter den Schwarzmarktbedingungen kommt es zur gesundheitlichen Verelendung: durch die unberechenbare Reinheit, die zu versehentlichen Überdosierungen führen kann; durch zu schlechte Ware und damit verbundenem, zehrendem Psychopharmaka-Beikonsum zur Wirkungssteigerung; durch die hohen Preise dank der vielen notwendigen Zwischenhändler und der damit verbundenem Prioritätensetzung des Heroingebrauchs gegenüber Nahrung und Wohnung; durch Krankheitsübertragung bei erzwungenem Spritzenteilen; sowie durch die mitunter ruinösen psychosozialen Folgen der Repression. Insofern sind die 2.000 "Herointoten" im Jahr tatsächlich Heroinverbotstote.