Gedanken zum Gesundheitssystem Alles wurscht

Gesellschaft

Es is doch eh alles wurscht. Die Norweger werden die Lofoten zerstören. Wegen Öl. Die Amerikaner inklusive Franzosen werden ein bisschen tödlich über Syrien fliegen. Wegen Bigotterie. Wegen Moral.

Alles wurscht.
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Alles wurscht. Foto: Godot13 (CC BY 3.0)

14. September 2013
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Das Eine ist ungefähr das Andere. In China wird ein Parteikader zum Schein-Tod verurteilt. Wegen Weil-es-China-ist. Ausserdem sind die Chinesen nach den Amerikaner die Touristen mit den schlechtesten Manieren. Sagte eine Umfrage. Und die nächste Umfrage sagt, dass sich die Deutschen kaum noch fortpflanzen, aber gern im Garten wursteln. Was wurscht is, letztlich.

Ob nun die Chinesen auf die Strasse spucken oder die Frankfurter ihre Hunde frei kacken lassen, ob die Deutschen ihre Parteikader in die Wüste schicken zum Fortpflanzen oder Kacken – wurscht, ehrlich, deutlich wurscht!

In meinem Garten fallen die Tomaten vom Strauch. Wegen Wetter. Wurscht, ehrlich, es is Wurscht. Ob Chinesen grün abfallen. Ob Parteikader tödlich über Syrien abgeworfen werden. Ob die Bigotterie verurteilt wird zu einem Wetter, das sowieso herrscht, und frei herumlaufende Hunde vom Blitz erschlagen werden. Wurscht! Is echt wurscht!

Üblicherweise finde ich Gefallen an der Vorstellung, ich sei, quasi über Ab-, Um- und Nebenwegen, ein Produkt der europäischen Aufklärung, inklusive Massakern des Kapitalismus und des Sozialismus. So im Zwanzigsten Jahrhundert, in dem ich ein paar Jahrzehnte wohnte.

Ich wohnte da und wähnte, daraus irgendwas wie Erfahrung, Courage, Klugheit zu holen. Ich glaubte, so kolossal glaube ich noch immer, an einen kollektiven Erkenntnisgewinn. Es müsste so etwas wie Verstand entstehen. Eine Wissens-Wolke, aus der der Regen des Verständnisses quillt. Eine Wolke kognitiver Radioaktivität, wenngleich dieses Wort … und dann Fukushima … also ich wähnte trotzdem, es müsste eine Infektion von Erfahrungen geben, eine positive Krankheit, für die mir kein besserer Name als Aufklärung einfällt … Blöd, oder? Ich sollte mich endlich ergeben. Oder übergeben. Oder hingeben. Wem oder was aber? Der globalen Wurscht!

Obwohl … Ich komme nicht los davon. Ich bin bisher so durch-, und raus- und rübergekommen. In so ein Leben, das alles in allem angenehm ist. Hunger, Durst und Bauchweh hab ich nicht. Bisschen Bluthochdruck, zwei, drei Kilo zuviel, das Haupthaar lichtet sich. So geht es zu. Und es ist so schlimm nun nich. Es is eher – wurscht.

Obwohl, mir is nich alles wurscht. Noch immer nicht. Ich finde Drohnen dämlich; schon das Wort ‚Drohne' erzeugt Übelkeit. Neulich stach mich eine Wespe in den Hals. Als ich telefonierte, mit einem Freund, der gerade die Oper „Hänsel und Gretel“ inszeniert hatte, und das Maul riss ich auf dabei, da flog sie hinein und stach erschrocken zu. Hänsel und Gretel, puuuh, wie wurscht is das denn!

Die Panik griff nach mir. Ich schaffte es noch die 112 anzurufen, wurde mit allem Komfort versorgt, Kanülen im Arm, Blutuntersuchung, EKG, definitiv ein perfektes Gesundheitswesen, das mich umarmte – dennoch wurscht. Ich stelle mich doch jetzt nicht hin und preise das deutsche Gesundheitswesen! Ausserdem war ich grad auf Island wandern.

Schweres Gefühl: so die Erde anzuschauen, wie sie dampft und brodelt. Was so übrig bleibt, wenn der Vulkan ausbricht und unterm Gletscher das Eis zum Schmelzen bringe, und dann brausen die Gletscherfluten durch die Gegend, dass es echt wurscht ist, ob man grad auf der Terrasse sitzt und die Katastrophe auf sich zukommen sieht, oder ob man grad auf der Terrasse sitzt und der Katastrophe zuschaut, wie sie an einem vorbeiflutscht. Is Schicksal, und Schicksal, dein Name sei Wurscht.

Eckhard Mieder