Maschinen übernehmen die (staatliche) Kontrolle Künstliche Intelligenz: Die Demokratie schafft sich selber ab

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Im Zuge der „Smartifizierung der Welt“ entpuppt sich die Demokratie als das, was sie schon immer war: Ein Apparat zur Aufrechterhaltung staatlicher Kontrolle, hübsch gekleidet in einen Mantel von Scheinfreiheit.

Artificial Intelligence Technology.
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Artificial Intelligence Technology. Foto: mikemacmarketing (CC-BY 2.0 cropped)

13. Februar 2024
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In einem gar nicht mehr so aktuellen staatlichen Papier (Stand Mai 2017, siehe Rückseite) wird die „Vision eines hypervernetzten Planeten“ entworfen. Maschinen sollen künftig unsere Alltagsentscheidungen übernehmen („post-choice society“), denn laut dieser „Vision“ kennen sie uns bald besser, als wir uns selbst. Folglich wissen sie dann auch, ob und ggf. welche politische Partei wir wählen würden. Die Wahlentscheidung wird damit überflüssig („post-voting society“), und wird vielleicht (Stichwort „Smart Home“) von unserem Kühlschrank übernommen, der sie aus unseren Essgewohnheiten ableitet (Schweinebraten = CSU, Tofuschnitzel = Die Grünen, Fritz Cola = Nichtwähler*in, usw.). Das geht dann weiter an den Küchentisch, und dann, von Funkmast zu Funkmast, schliesslich an den Staat. China lässt grüssen!

So heisst es im Papier wörtlich: „Wir müssen uns [dann] nie [wieder] entscheiden, einen bestimmten Bus oder Zug zu nehmen, sondern bekommen [einfach] den schnellsten Weg von A nach B. Wir werden auch nie unsere Schlüssel, Geldbeutel oder Uhren vergessen.“ (S. 43)

Wer könnte da schon etwas dagegen haben? Der Totalitarismus kommt als Freund!

Und weiter: „Da wir [also die staatlichen Behörden] genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“

Das klingt für mich wie ein Eingständnis an das Gefühl vieler Menschen, dass ihre Wahl-„Entscheidungen“ ihr Leben um keinen Deut besser gemacht haben. Also lassen wir's doch gleich! Und das Allerbeste: Das Ganze kostet selbstverständlich keinerlei Ressourcen („post-energy society“):

„Um ubiquitär genutzt zu werden, müssen Sensoren energieeffizient und energieautark sein. Wenn eine Datenrevolution stattfinden soll, muss Energy Harvesting – die Fähigkeit, Energie auf Makro-, Mikro- oder Nanoskala zu generieren und zu speichern – Alltag werden.“

Das versteht keine Sau, klingt aber irgendwie hip und mega, und für die Deppen unter uns gibt's auch eine Kurzformel: „Neue Geräte und Maschinen generieren ihre eigene Energie.“ Klar! Wenn alle ihre eigenen Extremitäten essen würden, gäbe es auch sofort keinen Hunger mehr in der Welt.

Da hätte man aber auch früher draufkommen können! Achso, ist man ja schon. Damals hiess es „perpetuum mobile“, aber irgendwelche Spielverderber haben es in der Versenkung verschwinden lassen. Ich persönlich finde, das sollte auch mit dieser digitalen Neuauflage passieren. Denn es ist schon erstaunlich, dass, was so happy und clean daherkommt, wie dieses Projekt, schon nach Ideologie stinkt, bevor es in der Jauche versinkt, wo es eigentlich hingehört. Aber jetzt viel Spass mit dem Orignallaut!

Das Bauinstitut für Bau-Stadt und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), präsentiert die Smart City Charta, als Teil der Visionen eines hypervernetzten Planeten:

„Wie könnte ein […] hypervernetzter Planet […] aussehen? Wir können einige Visionen oder Disruptionen beschreiben, die das Internet of NO things [sic!] mit sich bringen kann:

1. Super resource-efficient society

Eine Gesellschaft, in der kein Gebäude leer steht, sondern die ganze Zeit optimal genutzt wird. Auch fahren keine Autos mehr leer. Neue Geräte und Maschinen generieren ihre eigene Energie. Für diejenigen, die an Energy Harvesting Sensoren arbeiten, erscheint die Diskussion über zentralisierte, grosse Kraftwerke sinnlos.

2. Post-choice society

Künstliche Intelligenz ersetzt Wahl: Wir müssen uns nie entscheiden, einen bestimmten Bus oder Zug zu nehmen, sondern bekommen den schnellsten Weg von A nach B. Wir werden auch nie unsere Schlüssel, Geldbeutel oder Uhren vergessen.

3. Post-ownership society

Dank der Information über verfügbare geteilte Waren und Ressourcen macht es weniger Sinn, etwas zu besitzen: Vielleicht wird Privateigentum in der Tat ein Luxus. Daten könnten Geld als Währung ergänzen oder ersetzen.

4. Post-market society

Im Grunde genommen sind Märkte Informations-systeme, die Ressourcen zuteilen. Als Informati-onssystem funktioniert ein Markt jedoch sehr ein-fach. Er übermittelt nur, dass eine Person dies oder das gekauft hat; wir wissen aber nicht warum. Künftig können Sensoren uns bessere Daten als Märkte liefern.

5. Post-energy society

Um ubiquitär genutzt zu werden, müssen Sensoren energieeffizient und energieautark sein. Wenn eine Datenrevolution stattfinden soll, muss Energy Harvesting – die Fähigkeit, Energie auf Makro-, Mikro- oder Nanoskala zu generieren und zu speichern – Alltag werden.

6. Post-voting society

Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehr-heitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltens-bezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“ (https://www.smart-city-dialog.de/wp-content/uploads/2019/12/smart-city-charta-langfassung.pdf S. 43)

Frevel