Have you tried turning Racism off – and not on again? GitHub: Antirassistische Performance

Digital

Black Lives Matter, auch in der Software: Obgleich es schon lange Alternativbegriffe gibt, hält ein Grossteil der Technikszene noch an rassistischen Wörtern fest.

Das Softwareunternehmen will Begriffe wie whitelist und blacklist verbannen.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Das Softwareunternehmen will Begriffe wie whitelist und blacklist verbannen. Foto: Jun OHWADA (CC BY 2.0)

23. Juli 2020
3
0
5 min.
Drucken
Korrektur
Wer im Zuge der aktuellen Black Lives Matter-Proteste die US-amerikanische, aber auch deutschsprachige Technikszene verfolgt, wird derzeit unweigerlich mit einem Schlagabtausch um rassistische Terminologie konfrontiert. Die Auseinandersetzung dazu lässt leider, wie so häufig, jede Einordnung in die breite Diskussion zum Thema vermissen und bewegt sich zumeist in völliger Unkenntnis der tatsächlichen Forderungen von Aktivist*innen.

Stein des Anstosses ist dieses Mal eine Ankündigung von GitHub. Das ist eine Plattform, auf der Freie Software und Open-Source Projekte kostenlos den Quellcode ihrer Software bereitstellen können, der dort in sogenannten Repositories gespeichert wird, einer Art verzweigtem Dateiverzeichnis, in dem sich zum Beispiel verschiedene Versionsstände einer Software unkompliziert verwalten lassen. In einer kurzen Stellungnahme des Geschäftsführers bestätigte dieser, dass GitHub daran arbeite, die bisherige Namenskonvention des Hauptzweigs dieser Repositories abzuändern: Man wolle weg von der Nutzung des Begriffs master. Der Begriff steht in einer Reihe mit anderen kritisierten, aber weithin verbreiteten Termini aus der Softwarewelt, konkret dem Pendant slave, sowie whitelist und blacklist.

Immer schön am Thema vorbei

Sofort erhielt die Plattform zahllose wutentbrannte Gegenstimmen. So kritisiert ein*e Nutzer*in etwa, dass hier ein einziges Individuum Namenskonventionen gegen die „grosse Mehrheit“ durchsetze und zieht den direkten Vergleich zur Sklaverei. Man muss sich indes vor Augen führen, dass es hier lediglich um eine Standardeinstellung geht, die sich leicht ändern lässt und GitHub zwar der populärste, aber nur einer von vielen Anbietern ähnlicher Lösungen ist. Andere Kritiker*innen der Änderungen verweisen auf weitere Aspekte. Zum Ersten seien etwa die verwendeten Begriffe nicht das grösste Problem, sagen sie – ohne darauf hinzuweisen, was das grössere Problem genau ist oder warum sich immer nur eines gleichzeitig bearbeiten liesse.

Zum Zweiten stehe die Terminologie nicht in Verbindung mit Schwarzen Menschen, sondern sei ganz unabhängig entstanden. Und zu guter Letzt seien diese Begriffe übliche Konvention und sollten damit nicht geändert werden. Die Argumentationsmuster der Kritiker*innen untermauern nicht nur den strukturellen Rassismus in der Branche, sondern gehen auch noch an den zentralen Kritikpunkten vorbei. Daran muss sich etwas ändern.

Antirassistische Performance

Selbstverständlich ist klar, dass die Rassismen der Tech-Branche nicht mit ein paar neuen Wörtern im Giftschrank über Nacht verschwinden. Das wäre in etwa so, wie wenn Aktivist*innen, die eben noch Defund/Abolish the police fordern, sich dem Glauben hingeben, dass die Polizei mit einer Umbenennung zu „Ordnungskraft“ ihre strukturellen Probleme loswürde.

Insbesondere im Fall von GitHub verstehen Antirassist*innen die Ankündigung als klar performativen Akt, der die Firma in ein positives Licht rücken soll. Gleichzeitig wird dort nämlich seit Jahren der Protest an und aus dem Unternehmen über einen Vertrag mit ICE, der US-Deportationsbehörde, ausgesessen. Die grossen Probleme sind tatsächlich andere, aber darüber besteht Einigkeit. Es bedeutet damit auch vielmehr: Jede*r von uns tut gut daran, zu prüfen, ob Ankündigungen von Firmen wie GitHub eben nur über bisherige rassistische Unternehmenspraxis hinwegtäuschen sollen und sie als solches zu entlarven. Und das zeitgleich mit der Untermauerung, rassistische Begriffe nicht weiter zu verwenden.

Deskriptive Begriffe statt Rassismus

Beachtlich ist, mit welcher Inbrunst rassistische Terminologie in der Informationstechnik (IT) bisweilen verteidigt wird. Denn die oben genannten Begriffe sind so vage, dass sie Neulingen im jeweiligen Feld in der Regel kaum informativen Wert vermitteln. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie gerne unter Softwareentwickler*innen über korrekte Bezeichnungen gestritten wird und wie akzeptiert ein gewisses Mass an Pedanterie in dieser Frage ist. Dabei mangelt es wahrlich nicht an passenden Alternativen.

Whitelist und Blacklist werden zum Beispiel häufig durch die viel aussagekräftigeren Begriffe Allowlist und Blocklist (wie Ausnahmen und Blockregeln eines Werbeblockers) ersetzt, während slave, je nach Kontext, etwa mit replica ausgetauscht wird; etwa, wenn es um die Synchronisation von Daten von einem Hauptserver zu einem Backupserver geht. Im Falle von master scheint die Tech-Community sogar unter einer kollektiven Amnesie zu leiden, denn bis vor einigen Jahren hiess es schlichtweg trunk. Denn trunk (zu deutsch: der Baumstamm) ist tatsächlich eine hilfreiche Analogie, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass Sofware-Repositories verzweigte Dateiverzeichnisse sind und trunk eben der Hauptzweig ist.

Oftmals werden die Anpassungen von Projekten deswegen sogar als negative cost beschrieben, eben weil unspezifische durch aussagekräftige Begriffe ersetzt werden, die unerfahreren Entwicker*innen einen schnelleren Einstieg erlauben. Die Frage ist also vielmehr, warum sich hier manche in fachlich völlig nichtssagende, aber eben rassistische Begrifflichkeiten verbeissen, wo es doch technisch akkurate Alternativen gibt.

Auch die Diskussion, ob oder in welcher Form die bisherige Terminologie in Verbindung zu Schwarzen Menschen steht, geht völlig am Thema vorbei. Denn offensichtlich wird sie damit regelmässig in Verbindung gebracht: Die andauernde Problematisierung der Begriffe, insbesondere durch Schwarze Menschen, ist doch entlarvendes Zeugnis davon. Warum hier viele auch nur den kleinsten Impuls verspüren, ein paar Worte zu erhalten, die bei anderen Erinnerungen an die systematische Entrechtung, Folterung und Ermordung ihrer Vorfahren und Familien wecken und Kontinuitäten bis in die heutige Zeit aufweisen, entbehrt jedem Verständnis.

Und so steht am Ende die Frage im Raum, mit welchem Ziel hier Konventionen verteidigt werden, die keinen informativen Wert haben und von grossen Teilen der Community abgelehnt werden. Offensichtlich ist vielen selbst die Forderung nach dem kleinsten aller Zugeständnisse, dem performativen Akt, zu viel des Guten. Welche deutliche Aussage das über die grösseren Probleme innerhalb der Branche zulässt, kann jede*r für sich selbst beantworten.

Karel Kolumna
revoltmag.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.