Das Herz heisst Blockchain Der Bitcoin-Kurs schiesst in die Höhe

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Der Bitcoin-Kurs ist explodiert. Sind Betrüger am Werk oder haben die Anleger den Wert der Blockchain-Technologie erkannt?

Der Bitcoin-Kurs schiesst in die Höhe.
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Der Bitcoin-Kurs schiesst in die Höhe. Foto: Antana (CC BY-SA 2.0 cropped)

12. November 2015
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Am vergangenen Mittwoch kratzte der Bitcoin-Kurs an der 500-Dollar-Grenze, der höchste Wert seit dem Skandal um die Bitcoin-Börse Mt. Gox. Als Grund für den rasanten Kursanstieg wird eine Art chinesisch-russische Zusammenarbeit vermutet. Das geht wie folgt:

Ein russisches Schneeballsystem in China

In China treibt derzeit ein «soziales Finanznetzwerk» namens MMM sein Unwesen. Es zeige alle «Merkmale eines Schneeball-Systems», schreibt die «Financial Times». Hinter diesem System steckt Sergey Mavrodi, ein ehemaliger russischer Parlamentarier und verurteilter Betrüger.

Mavrodis Firma heisst MMM. Sie verspricht ihren Anlegern einen Gewinn von 30 Prozent pro Monat, wenn sie in Bitcoins investieren; ein Versprechen, das weit jenseits dessen ist, was man noch halbwegs seriös nennen kann. Die Mitglieder von MMM verhalten sich denn auch so, wie es in solchen Finanzsekten typisch ist: Auf YouTube geben sie überschwängliche Statements ab, in der sie die Genialität von MMM lobpreisen und von ihren sagenhaften Gewinnen schwärmen.

Der Drahtzieher sass wegen Betrugs im Knast

Sergey Mavrodi ist ein alter Hase im Finanz-Schneeball-Geschäft. Laut Angaben der «Financial Times» hat er bereits 1997 zehntausende von Russen mit falschen Versprechen um ihre Ersparnisse gebracht. Ein Jahr später wurde er wegen Betrugs verurteilt. Auf der Webseite von MMM werden – auch das ist typisch – heroische Gründe für das Handeln angeführt. «Das Ziel ist nicht Geld. Es geht darum, das ungerechte globale Finanzystem zu zerstören», heisst es.

Bitcoins haben eine bewegte Geschichte hinter sich. 2008 wurde die Kryptowährung von Satoshi Nakamoto lanciert, einer rätselhaften Figur, von der unklar ist, ob es sie überhaupt gibt. Das Ziel von Bitcoins besteht darin, ein globales, dezentrales Währungssystem zu schaffen, das nicht mehr auf Banken und schon gar nicht auf Zentralbanken angewiesen ist.

Das Herz heisst Blockchain

Das Bitcoin-Herz ist die Blockchain-Technologie. Es handelt sich dabei – sehr vereinfacht ausgedrückt – um ein öffentliches Kassabuch, in dem alle Transaktionen aufgeführt werden. Dieses Kassabuch ist gleichzeitig fälschungssicher und vollkommen anonym. Jede Transaktion kann nachvollzogen werden, nicht aber die Adressaten. Aus diesem Grund wurden Bitcoins zeitweise auch von der Drogenmafia und Waffenhändlern genutzt. Diese Vorkommnisse und der Skandal um Mt. Gox haben dazu geführt, dass der Höhenflug der Bitcoins im letzten Jahr jäh gestoppt wurde und die Währung in Verruf geriet.

Inzwischen wird das Potenzial der Blockchain-Technologie zunehmend erkannt. Fintech, die Digitalisierung des Bankenwesens, ist schwer angesagt, und die Blockchain spielt darin die zentrale Rolle. Banken wie die UBS beschäftigen sich intensiv damit, die Techbörse Nasdaque hat soeben die Blockchain-Technologie beim Handel mit Wertschriften eingeführt.

Alle finden die Blockchain super

Auch die Wirtschaftspresse ist auf das Thema aufgesprungen: Ob «Financial Times», «Wall Street Journal» oder «Economist» – alle berichten derzeit ausführlich und positiv darüber. Die Blockchain-Euphorie wird denn auch als weiterer möglicher Grund für den neuen Bitcoin-Boom genannt.

Dieser Boom ist für die Bitcoin-Gemeinde jedoch zu einem Fluch geworden. Sie ist zurzeit tief gespalten. Der Grund liegt in einem Kapazitäts-Engpass. Mit dem bestehenden System können in einem Block der Kette bloss 7 Transaktionen pro Sekunde abgewickelt werden. Zum Vergleich: Bei der Kreditkarte Visa sind es 1736. Will die Bitcoin-Gemeinesd weiter wachsen, dann muss sie ihre Kapazitäten massiv ausweiten. Das wiederum empfindet ein Teil der Bitcoin-Gemeinde als Verrat an der ursprünglichen Idee. Deshalb tobt nun ein Glaubenskrieg, der noch nicht entschieden ist.

Vitalik Buterin, der neue Superstar

Das Wunderkind der Blockchain-Szene – die übrigens einen wichtigen Stützpunkt in Zug hat – heisst Vitalik Buterin. Der 22-jährige, russisch-stämmige Kanadier arbeitet für das Startup-Unternehmen Ethereum und hat sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe der Blockchain-Technologie Verträge zu konstruieren, die sich nicht mehr brechen lassen und von selbst erfüllen. Betreibungsverfahren würden dann der Vergangenheit angehören.

Dies ist vorläufig noch Zukunftsmusik, und die dahinter liegende Technik sehr komplex. Als Buterin kürzlich seine sich selbst erfüllenden Verträge an einer Zürcher Fintech-Veranstaltung präsentierte, musste die Moderatorin zerknirscht zugeben, sie hätte kein Wort verstanden. Sie befand sich in bester Gesellschaft.

Philipp Löpfe /Infosperber

Dieser Artikel ist auf watson.ch erschienen.