UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Kritik des Longtermismus: Die neue Hype-Ideologie des Silicon Valley

9055

Die neue Hype-Ideologie des Silicon Valley Kritik des Longtermismus

eraser-677583-70

Digital

Beim letzten CCC hat Max Schnetker einen Vortrag mit dem Titel Longtermismus – der „Geist“ des digitalen Kapitalismus gehalten. Er ist ausserdem für sein Buch Transhumanistische Mythologie bekannt.

Vortrag von Max Schnetker am CCC-Kongress mit dem Titel
Mehr Artikel
Mehr Artikel
Bild vergrössern

Vortrag von Max Schnetker am CCC-Kongress mit dem Titel "Longtermismus - der Geist des digitalen Kapitalismus". Foto: CC-BY 4.0

Datum 21. Mai 2025
4
1
Lesezeit3 min.
DruckenDrucken
KorrekturKorrektur
Wir hatten uns vor einigen Jahren mal getroffen. Abgesehen davon, dass ich mit der von ihm mitgegründeten Zeitschrift Tsveyfl einige Probleme hatten und persönlich nicht auf einer Wellenlänge waren, begrüsse ich es, wenn Menschen aus anarchistischen Szenen, sich öffentlich einbringen.

Abgesehen davon, dass es wichtig ist, sich mit der Ideologien der Feinde zu beschäftigen, gibt der Vortrag einen erschreckenden Einblick darin, wie plump und aus der Maschine heraus, wie irgendwelche angeheuerten Pseudo-Philosophen, quasi-religiöse Rechtfertigungsmuster für Tech-Milliardäre zurecht schustern. Mit den entsprechenden finanziellen Mitteln werden diese dann massenhaft verbreitet.

Schade ist weiterhin, dass das „utopische“ Moment aktuell eindeutig als konkrete Dystopie auf Seiten der Superreichen Reisiko-Investoren liegt. Dies muss sich ändern – bedeutet aber, durch einen riesigen Berg Bullshit zu laufen, den die technofaschistischen Bonzen in die Köpfe der Menschen geschissen haben…

Der Vortrag wirft einen sozialwissenschaftlichen Blick auf die Ideologie des Longtermismus. Seine Funktion im digitalen Kapitalismus wird analysiert. Mithilfe von Klassikern der Soziologie wird dargestellt, warum sich diese Ideologie in eine faschistische Richtung entwickelt.

Longtermismus ist die neue Hype-Ideologie des Silicon Valley. Elon Musk und Sam Altman haben sich als Anhänger geoutet, er ist die offizielle Firmenpolitik von OpenAI. Longtermismus postuliert, dass wir uns nicht mit der Gegenwart oder der nahen Zukunft beschäftigen sollten, sondern unser politisches Hauptaugenmerk auf die Entwicklung eines Computerhimmels in ferner Zukunft richten sollten. Zentral sind dabei Annahmen über die Entwicklungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz, die deutlich religiöse Züge tragen.

Der Vortrag stellt die Ergebnisse soziologischer Forschung zu dieser neuen Ideologie vor.

Denn so neu ist das ganze gar nicht. Die „Moral“ des Longtermismus passt erstaunlich gut zu den Geschäftszielen der Digitalkonzerne und macht aus diesen eine Metaphysik. Diese soziale Funktion des Longtermismus ähnelt damit der Funktion, die Max Weber für den Protestantismus als „Geist“ des Kapitalismus im Frühkapitalismus ausgemacht hat. Wie der Protestantismus früher dient der Longtermismus heute einerseits als metaphysische Rechtfertigung der Geschäftsmodelle von Unternehmen und andererseits als individuelle Moral, die ihre Anhänger*innen zu mehr Leistung animieren soll.

Gegenwärtig erleben wir einen Rechtsruck im Longtermismus, dessen prominente Vertreter*innen wie Elon Musk oder Peter Thiel sich offen für Donald Trump positionieren. Auch hier ähnelt die Entwicklung des Longtermimsus vergleichbaren früheren Ideologien. Klassische Analysen zeigen, warum individualistische Leistungsideologien das Potenzial haben, in eine faschistische Richtung zu kippen. Der Rechtsruck der Silicon-Valley-Eliten wird so verständlich.

Abschliessend wird auf den Einfluss von Musk und Thiel auf die US-Wahlen eingegangen und versucht, die weitere Entwicklung abzuschätzen.

paradox-a