der Strasse bitten, die Google-Brille abzusetzen, zündet die
Diskussion um unfreiwillige Datenweitergabe von Bild-,
Video- und Tonaufzeichnungen und deren Verknüpfung
mit im Internet über uns auffindbare Informationen
vermutlich von selbst.
Wir schlagen vor, die voraussichtlich smarten Herren
und Damen mit der „Google-Glass“ im Gesicht von
der Seite! anzumachen und aufzufordern, ihre Daten-
Brille umgehend wegzupacken.
Ziel ist es, mit alltäglicher und
schwungvoller Konfrontation
den rücksichtslosen Techno-
TrendsetterInnen ihr 24h-Dasein
als Googles unbezahlte
DatensammlerInnen unattraktiv
zu machen und die öffentliche
Debatte um die Erfassung persönlicher
Daten zu befeuern.
Die Ideenverbreitung und Methodenentwicklung
der Kampagne
soll vor Markteinführung der „Google-Glass“ in
Deutschland beginnen, um rechtzeitig wirksam werden
zu können. Derzeit werden nur wenige Tausend Exemplare
von Googles Datenbrille an Software-EntwicklerInnen
und an Zeitungs- und Fernseh-Redaktionen
herausgegeben. Anfang 2014 wird Google-Glass in
den USA der Masse zur Verfügung stehen. Die Markteinführung
in Europa ist noch im gleichen Jahr angestrebt.
Der Zug ist längst abgefahren - Videoaufzeichnung ist doch nichts neues!
Wir wissen, dass es unzählige fest installierte Kamerasim quasi-öffentlichen Raum gibt und uns zukünftig
mobile Kameras in Form von Drohnen auch ausserhalb
von Demos drohen. Wir wissen auch, dass täglich
Millionen von Smartphones und Tablets zum Wild-indie-
Menge-Fotografieren genutzt werden. Für uns
kein einleuchtender Grund, uns nicht gegen weitere
und vor allem sehr direkte Formen von Ton-, Bild- und
Videoaufzeichnungen in Bahnen, Kneipen, Schulen,
Unis, Bilbliotheken, Einkaufszentren, Sportstätten und
auf der Strasse zu wehren.
Wir sind auch nicht damit
zufrieden, wenn Google der kritischen Öffentlichkeit
ein Lämpchen an der Brille zugestehen würde, dass
bei Aufzeichnung leuchtet. Wir haben einfach keine
Lust, als Aufzeichnungsgegenstand in Googles verknüpfungsreichem
Datenbestand zu landen und jedem
Technotrottel ungefragt Informationen zu unserer Identität
offenzulegen. Letzteres ist tatsächlich eine „neue“
Qualität von Datenbrillen, die erst durch deren einfache
und für die Umgebung nicht ersichtliche, permanente
Erfassung von Personen im Visier des Bebrillten
möglich wird. Schwer vorstellbar, dass uns eine Person
mit gezückter Smartphone-Kamera über Minuten hinweg
begleiten würde – mit der Brille kein Problem.
Wer trägt denn so was? – das sieht ja unglaublich blöd aus!
„Niemand, der einigermassen bei Trost ist, läuft mit diesemDing durch die Gegend.“ (FAZ, Okt 2013). Noch
sieht es so aus, als würden nur Vollidioten oder technophile
Nerds eine solche Brille kaufen wollen. Doch
wir wären naiv zu glauben, das
gelte auch Ende 2014 noch.
Die Sogwirkung trendiger und
mit der Zeit auch erschwinglicher
Kommunikationshardware
sollte nach den Erfahrungen
mit Smartphones und Tablets
nicht gering geschätzt werden.
Niemand hat sich vor kurzem
vorstellen können, dass sich
Menschen freiwillig die derzeit
neueste Generation Smartphones
kaufen, deren Sensoren (zur Sprach- Blick- und
Gestensteuerung) nicht mehr abschaltbar sind. Und
niemand hat sich vor einigen Jahren vorstellen können,
dass sich Leute riesige Tablets zum Telefonieren an
den Kopf legen – auch das sah zu blöd aus. Und dennoch
gehört es heute zum „normalen“ Alltagsbild.
Die Funktionsweise von Google-Glass
Die Brille kann alles, was ein Smartphone prinzipiellauch kann, sie ist nur kein Smartphone, sondern eine
Brille. Per „Wisch“ am Brillenbügel, per Sprachbefehl
oder per Augensensor lassen sich Ton und Video-aufnahmen
mit der Datenbrille starten. Mit der richtigen
App (einem ladbaren Programm für die Brille) reicht
ein Augenzwinkern um die Fotofunktion auszulösen.
Die Brille kann dann Informationen aus dem Internet
zum Erblickten einblenden. Übertragen werden aufgezeichnete
Daten an die cloud, also an Festplattenfarmen
in Googles Rechenzentren – Auswertung der
Daten durch Google inklusive!
Die Menschen nicht zu sehr verunsichern
Google beteuert, derzeit keine Gesichtserkennungssoftwarefür Google-Glass anbieten zu wollen.
„Die Google-Unternehmenspolitik bei vielen Dingen ist
es, bis genau an die Grenze zu gehen, wo es den
Leuten unheimlich wird, aber nicht darüber hinaus“, so
Eric Schmidt -Vorstandsvorsitzender von Google. Auf
Nachfrage erklärt Google, die Entwicklung solcher
Software durch Drittanbieter für das offene Android
Betriebssystem nicht verhindern zu können. Und so ist
diese strittige Software bereits verfügbar – Personen
im Visier des Google-Bebrillten können direkt im Netz
„gegoogelt“ werden. Die Strategie der Akzeptanzbeschaffung
für Googles Datenbrille in Europa ähnelt
der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte,
deren Funktionalität schrittweise ausgebaut wird.
Während der Computerchip zu deren Einführung
nicht viel mehr als die auf der Karte aufgedruckten
Daten speichert, folgen nach und nach immer mehr
sensible Daten bis hin zur vollständigen elektronischen
Krankenakte. Für die langfristige Perspektive verweist
Schmidt selbstbewusst auf die Kraft des Faktischen:
Der Bürger müsse als Konsequenz einer zunehmenden
Verbreitung von Datenbrillen zu einer „neuen sozialen
Etikette“ finden. Zu eben dieser Findung wollen wir mit
unserer kleinen Kampagne beitragen.
Mehr als „nur“ Überwachung
Bei vielen herrscht die Annahme vor, die digitaleTotalerfassung sei in erster Linie repressiv motiviert.
Tatsächlich jedoch treffen sich hier das Überwachungsinteresse
der Schnüffelbehörden und unabhängig
von ihm existierende ökonomische Interessen.
Denn für die Mehrwertproduktion gewinnt die Zirkulationssphäre
immer stärker an Bedeutung. Ein immer
schnellerer und umfassenderer Informationsfluss, eine
genauere Vorhersagbarkeit von Bedürfnissen und
Absatzmöglichkeiten sorgen für eine beschleunigte
Wertschöpfung. Genau das ist das Kapital von Unternehmen
wie facebook und Google, deren Algorithmen
aus einer Vielzahl individueller Alltagsdaten nicht nur
treffende Prognosen über unser zukünftiges Verhalten
errechnen, sondern sich uns dabei als persönlicher,
smart manipulativer Lebensbegleiter andienen. Sich
der kapitalistischen Erfassung und Verwertung aller
Lebensregungen zu verweigern, ist damit ein „Störfaktor“,
der über den reinen Überwachungscharakter der
Datensammelei hinausreicht.
Autokameras filmen Tag und Nacht
Seit einigen Monaten gibt es sie auch in deutschenElektronikmärkten. Sogenannte dash-cams - kleine und
sehr billige Autokameras zur Daueraufzeichnung, die
hinter der Windschutzscheibe im Auto angebracht
werden, um das Verkehrsgeschehen während der
Fahrt bzw. die Umgebung des abgestellten Fahrzeugs
aufzuzeichnen. Per Infrarotkamera auch nachts! Wenn
die Speicherkarte voll ist, wird sie wieder von vorne
beschrieben.



