Grossbanken im Fintech-Fieber Die wahre Revolution kommt mit den Blockchains

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Datenbanken, die sich selbst aufdatieren: In der neuen digitalen Wirtschaftsordnung werden Blockchains eine zentrale Rolle spielen.

Bitcoin-Symbol mit Herz auf einem schwarzen Hintergrund.
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Bitcoin-Symbol mit Herz auf einem schwarzen Hintergrund. Foto: Dennis (CC0 1.0 - PD)

19. Mai 2015
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Nüchtern betrachtet, ist alles simpel: Ein Blockchain (Blockkette) ist eine Datenbank, die sich nach vorgegebenen Regeln selbst aufdatiert. Für eine wachsende Schar von IT-Enthusiasten ist ein Blockchain aber weit mehr: Es ist der Schlüssel zu einer neuen und viel besseren Welt.

Aber der Reihe nach: Blockchain sind zentraler Bestandteil der Kryptowährung Bitcoins. Es handelt sich dabei um ein riesiges Kassabuch, in dem alle Transaktionen in Echtzeit abgeglichen werden. So wird verhindert, dass es zu Doppelbuchungen kommen kann.

Dieses Kassabuch ist kein zentraler Moloch, es wird vielmehr dezentral verwaltet. Jedermann und jede Frau können ihren Rechner zur Verfügung stellen, um die riesige Anzahl von Transaktionen abzuwickeln. Er oder sie können dabei darauf hoffen, als Gegenleistung mit Bitcoins belohnt zu werden. Diese Belohnung erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Ein ausgeklügeltes Verschlüsselungssystem verhindert, dass die vom Kassabuch erfassten Teilnehmer ermittelt werden können. Die einzelnen Transaktionen sind jedoch bis ins Detail transparent und können deshalb minutiös nachvollzogen werden.

Kryptowährungen wie Bitcoins sind ihrem Charakter nach ähnlich wie Bargeld oder Gold. Man kann damit direkt und anonym im Internet Zahlungen abwickeln und dabei exakt verfolgen, wohin eine Zahlung fliesst. Das ist fundamental anders als etwa bei Kreditkarten, wo man letztlich darauf vertrauen muss, dass die Kreditkartenfirma die Transaktion ordnungsgemäss durchführt. Sie tut dies zudem nicht gratis, sondern gegen eine happige Gebühr.

Der Name «Blockchain» ergibt sich aus dem Umstand, dass die einzelnen Transaktionen zusammengefasst und in Blöcken abgewickelt werden. Das zentrale Kassabuch kann man daher mit einem Gestein vergleichen. Die einzelnen Schichten werden blockweise erfasst und aufeinander geschichtet. Keine einzige Zahlung – und sei sie noch so klein – geht dabei verloren.

Drei entscheidende Vorteile zeichnen das neue System aus:

- Transaktionen können in Echtzeit abgewickelt werden,
- sie erfolgen anonym,
- und es braucht dafür keine Zwischenhändler wie Banken oder Kreditkarteninstitute.

Grossbanken im Fintech-Fieber

Die Blockchain-Technologie ist zwar ein Kind der so genannten Cypherpunk-Szene, einer Gruppierung von Techno-Anarchisten. Doch sie ist im Begriff, salonfähig zu werden. Im Londoner In-Viertel Canary Warf befindet sich «Level 39», der Hotspot der so genannten Fintech-Szene. Dort versammeln sich nicht nur junge IT-Nerds in bunten Turnschuhen und Hoodies, die an einem neuen Geldsystem der Zukunft basteln. Auch die etablierten Banker lassen sich neuerdings gerne dort blicken. So hat die UBS kürzlich bekannt gegeben, dass sie sich an einem Blockchain-Labor beteiligt hat. Andere Grossbanken wie JPMorgan und Goldman Sachs entwickeln ebenfalls ein lebhaftes Interesse an der Fintech-Szene.

Inzwischen hat das Fintech-Fieber auch die Schweiz erfasst. Die CS hat soeben zusammen mit der «Finanz und Wirtschaft» eine sehr gut besuchte Veranstaltung zu diesem Thema durchgeführt. Finanzjournalisten werden mit Einladungen zu ähnlichen Treffen bombardiert.

Revolutionäres Potenzial

Das Interesse ist verständlich, das System hat enormes Potenzial. Blockchains können nicht nur für Kryptowährungen verwendet werden, sondern auch das bestehende System revolutionieren. Das Abrechnen von Derivaten und komplizierten Verträgen, das heute oft noch Tage dauern kann, könnte so automatisiert und viel effizienter gestaltet werden. Das nach wie vor sehr aufwändige «Back office» der Banken könnte entschlackt und durch Software ersetzt werden.

Nicht nur das Geldsystem könnte künftig dank Blockchains revolutioniert werden. Das System lässt sich auf die verschiedensten wirtschaftlichen Bereiche übertragen. Verträge könnten beispielsweise auf diese Weise abgeschlossen werden, aber auch Versicherungen – ja selbst die gesamte Gesellschaft könnte sich durch Blockchains verändern.

Dies zumindest ist der Traum von Vitalik Buterin, einem 21-jährigen russischen IT-Wunderkind. Er ist in Toronto aufgewachsen, arbeitet heute mehrheitlich in Berlin und ist das Aushängeschild der in Baar bei Zug domilizierten Firma Ethereum. Buterin will mit Hilfe von immer ausgeklügelteren Blockchains eine «decentralized autonomous society» errichten. Darunter versteht er eine Gesellschaft, in der weder ein mächtiger Zentralstaat noch mächtige internationale Konzerne das Sagen haben, sondern unser Leben von raffinierten und nicht korrumpierbaren Algorithmen gesteuert wird.

Philipp Löpfe /Infosperber

Dieser Artikel ist auf watson.ch erschienen.