Rezension zum Buch von Slavoj Žižek Denn sie wissen nicht was sie tun
Sachliteratur
Eine philosophisch-psychoanalytische Auseinandersetzung mit dem Geniessen von «Populär-Kultur», das als politischer Faktor im ideologischen Diskurs entlarvt wird.
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15. Dezember 2015
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Korrektur
These, Antithese, Synthese, so lautete lange Zeit das dialektische Dogma der Triade. Zizek besteht allerdings darauf, dass ein Dialektiker mindestens bis vier zählen sollte. Man könnte das nun mit einem Hitchcock-Film versuchen zu erklären, wie auch mit dem Wesen des Faschismus als Wesensmerkmal der liberalen Demokratie, als auch seines Antagonisten. „Um den Liberalkapitalismus tatsächlich zu negieren, muss man darum gerade die Negation negieren“, dies sei laut Hegel das paradoxe Moment, welches ein drittes ist, bereits im Übergang begriffen.
Es wäre der Versuch des liberalen Kapitalismus durch den Übergang zum Faschismus, etwas zu verändern, dass sich nichts wirklich verändert (aus Angst vor einem freiheitlichen Sozialismus). Der Autor sieht die Filme (Hitchcock, Rosselini, Lynch) und versucht gelegentlich auch mehrere Sichtweisen des selben Plots zu interpretieren. Ganz schön clever, dieser letzte Lacanianer! Diese Art von Aufhebung sieht der Slowene auch bei den Dissidenten des ehemaligen realen Sozialismus ins Werk gesetzt. Sie brauchen geradezu den Stalinismus, einfach um zu beweisen das sie recht hätten, deswegen hätten sie auch nach dessen Fall keinerlei Bedeutung mehr gehabt.
Der Übergang selbst hätte seine Protagonistinnen aufgehoben. Selbstreferentielle, in sich geschlossene Systeme wie das kapitalistische, müssten verschwinden, sich unsichtbar machen um nicht zu enden wie Don Quichotte: Der hätte sich von einem verrückten zu einem vernünftigen Menschen gewandelt, also „eine traumatische Erfahrung zu ‚gentrifizieren', ihre traumatische Auswirkung durch ihre Verwandlung in ein Moment bedeutsamer Totalität zu tilgen“. Der Kapitalismus als Meister der Transformation, des Schauspiels, wie in Fellinis Casanova, der sich vom voyeuristischen Botschafter eines Landes beobachten lässt in welches er gerne einreisen möchte, dennoch keine Gnade findet.
Hier kommt Žižek mit der Interpretation Lacans „Der Jasager“ und „Die Massnahmen“ von Brecht, die „grosse Pädagogik“, was diese mit dem phantasmatischen europäischen Blick auf Japan zu tun hätten. Die totale Aufopferung, einmal des japanischen Jungen, der andere ein junger Genosse der seine Maske zerreisst, bevor er seinem Opfertod in den Kalkgruben zustimmt. Gerade heute müsse man zu Brechts Lehrstücke zurückkehren. Zweifellos sind es gerade diese Umwege, welche die Originalität Zizeks ausmachen, leider bleibt sein anderes grosses Thema, das des Geniessens, sehr undeutlich zwischen den Zeilen hängen.
Lacan jedenfalls, auf den sich der Autor immer wieder bezieht, muss sich da ausgekannt haben und zwar keineswegs nur in Form des Leidens, womit er eher beruflich als Psychoanalytiker zu tun hatte. Vielleicht sind aber nur Bilder (Kino, Kunst) und Texte (Literatur) gemeint, eine Form des Geniessens über ein Medium, was zwar sinnvoll und durchaus ehrenwert wäre, dennoch etwas Ratlosigkeit hinterlässt. War es doch kein geringerer als Marx selbst, der Hegel auf den Kopf stellte: Die Philosophen hätten danach die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es komme darauf an sie zu verändern, die wahre Aufhebung.
Dennoch ist gerade diese Arbeit wohl vielleicht die wichtigste des Philosophen und Psychoanalytikers, die bereits im Titel auf den bekannten Film mit James Dean Bezug nimmt.
Slavoj Žižek: Denn sie wissen nicht was sie tun. Passagen Verlag, Wien. 2008. 320 Seiten. 37 SFr., ISBN 978-3-85165-846-0
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