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Ricardo Flores Magón: Tierra y Libertad

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Ricardo Flores Magón: Tierra y Libertad Ergänzungen zu den Magónistas

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Sachliteratur

Gut und wichtig die „Gebrüder Magón“ und die PLM (Partito Liberal de Mexico) in der Mexicanischen Revolution wieder in Erinnerung zu rufen! Ihr Geist ist noch heute sehr lebendig. Das Büchlein hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.

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Datum 20. Mai 2025
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In Deutschland kennen höchstens ein paar B. Traven Fans noch ein wenig über die verwickelte Geschichte der ersten grossen sozialen Revolution im 20. Jahrhundert, die 10 Jahre andauerte. Trivialfilme wie „Viva Zapata“ und „Pancho Villa“ stellten bei den meisten das Niveau des „Wissens“ dar, das eher einem Sensations-Western-Kult huldigte. Die Brüder Enrique und dass Ricardo Flores Magón (Letzterer wurde im US-Knast ermordet), waren nur die bekanntesten Gesichter einer vielschichtigen und vielgesichtigen libertären Aufstandsgeschichte, an der auch US-amerikanische Anarchist*inn*en und Wobblies der IWW und andere Nationalitäten beteiligt waren.

Der erste Roman B. Travens aus Mexico 1925, als die Revolution gerade einmal fünf Jahre her war und das Land noch überall gärte, hiess dann auch „Der Wobbly“, eine Kette von Arbeitskampfgeschichten aus dem damaligen Mexico, später erweitert als der Büchergilde-Bestseller „Die Baumwollpflücker“ wiederveröffentlicht und bekannt. B. Traven kam schliesslich selber als aktiv Teilnehmender aus der Münchener Räterepublik (1918/19) und wurde als Ret Marut steckbrieflich gesucht. Emiliano Zapata, mit dem die PLM in enger Verbindung stand, war am 10. April 1919 ermordet worden, kurz vor der Niedermetzelung der Münchener Räterepublik. Pancho Villa wurde am 20. Juli 1923 von Kugeln durchsiebt. Marut traf 1924 in Mexico ein – in einem Land, das noch Revolution atmete und von Zeitzeug*inn*en wimmelte.

Was den Camouflage-Namen der PLM betrifft, so ist das aus dem spanischsprachigen (Selbst)verständnis von „liberal“ zu verstehen. Die Liberalen Spaniens waren eine revolutionär-emanzipatorische und antiklerikale Kraft und sie haben sozusagen das Feld für den Anarchismus und Bakunin, mit dem sie zusammenarbeiteten, bereitet. Daher war der Anarchismus in Spanien so erfolgreich und waren Marx & Co. die Loser. Viele der politischen Ideen der spanischen Liberalen waren anarchistischen ähnlich oder gleich und gingen damit mit der Entwicklung des Anarchismus und der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT in Spanien gut zusammen.

Ricardo Flores Magón und seinem Bruder Enrique (sie hatten übrigens selbst indigene Wurzeln) wird das geläufig gewesen sein, ebenso wie vielen spanischstämmigen Menschen in Mexico, wohin nicht wenige politische Flüchtlinge aus Spanien gegangen sind. Mit Emiliano Zapata unterhielt die aufständische PLM direkte Beziehungen und Austausch. Die Parole, der Schlachtruf „Tierra e Libertad“, Land und Freiheit, kam von der PLM und wurde durch die Zapatistas bekannt. Im Spanischen Bürgerkrieg 1936-39 erschien eine gleichnamige Zeitung und es erschallte der Ruf erneut. Mexico unterstützte die Spanische Republik mit Waffen. Magón ist heute ein Volksheld der Mexicanischen Revolution, es gibt Standbilder und nach ihm benannte Schulen (die übliche Vereinnahmung).

Wenig bekannt ist, dass es eine Gemeinschaft von rund zwei Dutzend indigener Dörfer gibt (im Bundesstaat Oaxaca), die versucht, im Geiste Magóns zu leben und die sich als magonistisch bezeichnen. An ihnen nehmen auch Anarchist*inn*en aus Mexico City und anderswo teil. Interessant auch die Rolle von Enrique Magóns langjähriger Lebensgefährtin Paula Carmona, die bisher weit unterhalb des Radars ist, so wie die vieler Frauen aus der anarchistischen Bewegung.

Fast völlig in Vergessenheit geraten ist übrigens schon der „Aufstand von Oaxaca City“ (2006), wo es Demonstrationen von teils über einer Million (!) Beteiligten gab und der mehrere Monate unter Besetzung und Verteidigung der Stadt anhielt. Dort wurde auch der US-amerikanische anarchistischer Filmemacher Bradly Roland Will von staatlichen Pistoleros erschossen. Ich selbst bezeichne diesen Aufstand seitdem als „Commune von Oaxaca„, der von grossen Teilen der sog. Linken, auch von den Anarchist*inn*en, viel zu wenig beachtet und wahrgenommen wurde, auch als er aktuell war. Das direkte Gegenteil vom Rojava-Kult. Damals hatte ich durch eine teilnehmende Anarchistin direkten Kontakt ins Geschehen und berichtete via LPA.

„Während des Konflikts, bei der Rückeroberung durch die Armee und im Zuge der folgenden Repression kamen mindestens 26 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Mitglieder der APPO.[1] Ein mexicanischer Volksheld anderer Art ist der schon erwähnte deutsche Revolutionär Ret Marut unter dem Pseudonym „B. Traven“, der in den 1920er-1930er Jahren der Mexicanischen Revolution und dem Antitotalitarismus in seinem CAOBA (Mahagoni)-Romanzyklus ein Gesicht gegeben hat, das dadurch weltweit in vielen Sprachen verbreitet wurde.

Im kommenden Jahr ist das 100jährige Ersterscheinen eines B. Traven Romans bei der Büchergilde Gutenberg zu verzeichnen. Auch nach BT sind in Mexico Schulen benannt, fälschlich als „Bruno Traven“. 2016 gab es im Museum für Moderne Kunst in Mexico City eine BT-Ausstellung über vier Monate, die 600.000 Besucher*innen hatte… Eine Wiederholung der Ausstellung in D-Land ist bisher nicht gelungen. Auch mit den heutigen Zapatistas in Chiapas lebt die Mexicanische Revolution fort, aber das ist ein anderes Kapitel.

R@lf G. Landmesser

Ricardo Flores Magón: Tierra y Libertad. Unrast Verlag 2005. 180 Seiten. ca. SFr. 18.00. ISBN: 978-3897719088.