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Islamophobie in Österreich | Untergrund-Blättle

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John Bunzl: Islamophobie in Österreich Die Ausbreitung und Verfestigung des Feindbildes Islam in Österreich

Sachliteratur

Wie in vielen anderen Ländern Westeuropas ist im letzten Jahrzehnt spätestens nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center auch in Österreich der antimuslimische Rassismus gesellschaftsfähig geworden.

Image from the FBI monograph of the Nation of Islam (1965): An illustration of «An Educational Center».
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Image from the FBI monograph of the Nation of Islam (1965): An illustration of «An Educational Center». Foto: FBI (PD)

20. Mai 2011
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In der Alpenrepublik ringen die konkurrierenden Parteien Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und deren Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) um die Vorherrschaft über die Themenbereiche Moscheebau und Islam. Die Agitation dieser beiden Parteien ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs; islamfeindliche Ressentiments haben sich längst in der „Mitte“ der Gesellschaft ausgebreitet. In diesem Zusammenhang waren die zusammenfassende Darstellung des antimuslimischen Rassismus und dessen Hintergründe in Österreich schon längst überfällig.

Der von John Bunzl und Farid Hafez herausgegebene Sammelband „Islamophobie in Österreich“ will einer „Negierung des Vorhandenseins eines Hasses gegenüber MuslimInnen in der österreichischen Öffentlichkeit“ entgegentreten.“ (S. 7) Ausserdem verfolgt der Sammelband das Ziel, „verschiedene Facetten der Repräsentation eines hauptsächlich negativ konstruierten Islambildes in der österreichischen Öffentlichkeit aufzuzeigen“ (S. 8).

Der Artikel des britischen Islamwissenschaftlers Chris Allen stellt den Begriff der Islamophobie vor und analysiert seine Stärken und Schwächen. Vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum, wo der Begriff der Islamophobie durch eine Studie im Jahre 1997 (Runnymede Trust) Akzeptanz fand, wird der einem weit definierten Rassismus-Begriff verortet. Im deutschen Sprachraum gibt es Vorbehalte gegenüber dem Begriff. Es wird eher der Begriff des antimuslimischen Rassismus bevorzugt, da er die Feindschaft nicht gegen den Islam als Religion, sondern gegen Muslim_innen als Subjekte deutlich macht.

Gudrun Hamer untersucht am Beispiel des in Österreich weit verbreiteten Kinderbuches „Hatschi Bratschis Luftballon“ das Orientbild, das Kindern in diesem Werk vermittelt wird. Analysen von verschiedenen Schulbüchern des Geschichtsunterrichtes der fünften bis achten Schulstufe zeigen, dass „der Islam“ als monolithischer Block verstanden wird und in der vergleichenden Bewertung zum Christentum deutlich negativer dargestellt wird.

In dem Artikel „Die FPÖ und der Islam“ untersucht der Politikwissenschaftler Farid Hafez das Positionspapier der FPÖ zum Islam aus dem Jahre 2008. Hafez bringt dabei den verklausulierten antimuslimischen Rassismus zum Vorschein. Die Positionierung der FPÖ im Vorfeld von Wahlen, in öffentlichen Reden oder bei Parteitagen wird dagegen leider nur sehr oberflächlich angedeutet. Jana Kübel stellt anhand des Konflikts um den Bau einer Moschee im Wiener Bezirk Brigittenau antiislamistische Argumentationsmuster der alteingesessenen weissen Bevölkerungsmehrheit dar.

Bei der Untersuchung des Vorarlberger und Kärtner Moschee- und Minarettbauverbots arbeiten Richard Potz und Farid Hafez eine in Teilen antimuslimische Rechtssprechung aus der Perspektive der Religionsfreiheit heraus. Weiterhin untersucht Rüdiger Lohlker den österreichischen Blog „Mission Europa Netzwerk Karl Martell“, der den Islam nicht als Religion, sondern als totalitäre politische Ideologie betrachtet und vor einer „Beherrschung Europas durch die Einwanderung von Muslimen“ warnt.

Barbara Sonnleitner analysiert das Qualitätsmagazin „Profil“ hinsichtlich der Berichterstattung über den Karikaturenstreit im Jahre 2006, während Karim Saad die politische Positionierungen über den Islam und die muslimische Einwanderung in der liberalen Zeitschrift Die Presse herausarbeitet. Bei der Untersuchung von Medien auf islamfeindliche Inhalte fehlt jedoch das Boulevardblatt Kronen-Zeitung, das ähnlich wie die BILD in der Bundesrepublik eine öffentliche Meinungsführerschaft besitzt.

Insgesamt lässt sich sagen, dass dieses Buch eine gute Einführung zum Themenkomplex antimuslimischer Rassismus in Österreich darstellt, die sich besonders durch die interdisziplinäre Perspektive auszeichnet. Es wird gezeigt, wie durch die Konstruktion eines Feindbildes Islam muslimische oder als muslimisch identifizierte Menschen in der Alpenrepublik systematisch ausgegrenzt werden.

Allerdings finden sich in dem Werk keine Informationen darüber, ob es Meinungsumfragen innerhalb der österreichischen Bevölkerung gibt, die das gesamte Ausmass des antimuslimischen Rassismus verdeutlichen. Mögliche Gegenstrategien, die das Feindbild Islam in vielfältiger Weise dekonstruieren könnten, werden ebenfalls nicht erwähnt.

Michael Lausberg
kritisch-lesen.de

John Bunzl / Farid Hafez (Hg.): Islamophobie in Österreich. Studienverlag, Innsbruck 2009. 224 Seiten, ca. 28.00 SFr. ISBN: 978-3-7065-4785-7

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.

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