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Döhring Helge: 500 Jahre 1525 - Thomas Müntzer und die Bauernkriege im Blick des Anarcho-Syndikalismus

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Döhring Helge: 500 Jahre 1525 - Thomas Müntzer und die Bauernkriege im Blick des Anarcho-Syndikalismus Die anarchistische Geschichte der Bauernrevolution

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Sachliteratur

Helge Döhring zeigt in seinen Buch, wie Anarchist*innen auf die Aufstände vor 500 Jahren geblickt haben und gibt gleichzeitig Anregungen wie man sich heute auf deren Spuren bewegen kann.

Geburtshaus von Thomas Müntzer in Stolberg/Harz.
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Geburtshaus von Thomas Müntzer in Stolberg/Harz. Foto: PantheraLeo1359531 (CC-BY 4.0 cropped)

Datum 31. Juli 2025
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Zum 500. Jahrestag der grossen Bauernaufstände gibt es in diesem Jahr eine Fülle neuer Veröffentlichungen über die Ereignisse im Jahre 1525. Auch nach einem halben Jahrtausend sorgt der Aufstand noch für politischen Streit.

Einige konservative Historiker*innen bestreiten immer noch, dass die Aufständischen überhaupt politische Forderungen hatten. Sie wollen in den Bauernkriegen nur eine interreligiöse Auseinandersetzung erkennen. Andere sehen in einigen Forderungen der Landbevölkerung gar frühe Vorläufer des Grundgesetzes.

Dagegen beschäftigt sich Helge Döhring auf 160 Seiten mit der anarchistischen und anarchosyndikalistischen Rezeption der Revolution der Landbevölkerung. Dabei legt der Syndikalismusforscher den Fokus auf die Bewegung um Thomas Müntzer, die, obwohl stark religiös geprägt, eine radikale Gesellschaftsveränderung forderte. Wir erfahren bei Döhring, wie bekannte Anarchosyndikalisten wie Rudolf Rocker und Fritz Oerter die Bauernrevolution beurteilten. Natürlich bezogen auch sie sich besonders positiv auf Thomas Müntzer, der den sozialrevolutionären Flügel der Bauernrevolution anführte.

„Müntzer blieb fest bis zum letzten Moment. Er warf seinen Feinden noch mal ihre Grausamkeit gegenüber dem notleidenden Volk vor und erinnerte sie daran, welch schreckliches Ende nach der Bibel Tyrannen beschieden ist. Dann empfing er den tödlichen Streich, der ihm das Haupt vom Rumpfe trennte. So starb Thomas Müntzer am 30. (27.) Mai 1525 als Mann von fünfunddreissig Jahren“ (S. 107), beschrieb Rudolf Rocker das Ende des christlichen Sozialrevolutionärs.

Döhring befasst sich auch kritisch mit der widersprüchlichen Rezeption der Bauernrevolution in der DDR. Anders als in der BRD wurde dort Müntzer sehr positiv bewertet, viele Strassen wurden nach ihm benannt und zahlreiche Gedenkorte wurden errichtet. Doch Döhring weist darauf hin, dass auch der „Bauernschlächter“ und Antisemit Martin Luther vor allem seit den 1980er Jahren zum historischen Erbe gezählt wurde, auf das sich die SED positiv bezog. Sie wollte Müntzer vereinnahmen, es sich aber auch mit den Anhänger*innen seines Todfeindes Luther nicht verderben.

Ein solcher Opportunismus war Anarchist*innen und Anarchosyndikalist*innen fremd. So schrieb der Anarchist Fritz Oerter über die „grosse deutsche Revolution 1525“: „Der deutsche Staatsbürger, in Sonderheit der schaffende, d.h. der Angehörige des Arbeiter- und Bauernstandes soll um keinen Preis der Welt auf den Gedanken kommen, dass eventuell auch er wie alle Unterdrückten und Enterbten auf der Erde revolutionärer Gedanken und einer revolutionären Erhebung fähig ist“ (S. 121).

Oerter sah in den Erhebungen der Bäuer*innen den Beweis, dass auch in Deutschland eine Revolution stattgefunden hat, die aber im Blut erstickt wurde. Die Rache der damals herrschenden Klasse an der Bevölkerung war fürchterlich, das wird auch im Buch deutlich.

Das Buch ist auch für historische Laien, die keine Informationen über die Bauernrevolution haben, mit Gewinn zu lesen. Interessant sind auch Döhrings Reportagen aus zwei Zentren des damaligen Aufstands. Er berichtet von seinem Besuch in den Städtchen Stolberg und Allstedt, zwei wichtigen Wirkungsstätten Müntzers vor 500 Jahren, so anschaulich, dass man sich gerne selber auf den Weg zu den Spuren der Bauernrevolution machen will.

Peter Nowak

Döhring Helge: 500 Jahre 1525 - Thomas Müntzer und die Bauernkriege im Blick des Anarcho-Syndikalismus. Verlag Edition AV, Bodenburg 2025. 166 Seiten. ca. 16.00 SFr. ISBN 978-3-86841-328-1.