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Colin Ward: Anarchy in Action

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Colin Ward: Anarchy in Action Anarchie in Aktion

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Sachliteratur

Letztens fiel mein Blick wieder einmal auf Colin Wards Büchlein „Anarchy in Action“ von 1973, in der Neuauflage von 1996.

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Datum 6. Oktober 2025
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Sicherlich würde es sich lohnen, das Buch noch einmal auf deutsch aufzulegen. Wenngleich die Schrift nun über 50 Jahre alt ist, beeindruckt mich Wards Pragmatismus nach wie vor. Aus diesem Grund hatte ich vor einer Weile auch das Vorwort eines Sammelbandes zu wichtigen Texten von Ward übersetzt.

Mit voller Überzeugung argumentiert er, wie eine Gesellschaftsform nach anarchistischen Prinzipien geformt werden kann – ohne diese abstrakt und illusorisch auszupinseln. Dem zu Grunde liegt seine tiefe Überzeugung, dass Anarchismus insbesondere als Bündel von Organisationsansätzen zu verstehen ist, für welche verschiedenste funktionierende Beispiele gibt. Im Alltag lassen sich anarchistische Formen entdecken, erproben und entwickeln. Der Autor schreibt:

„How would you feel if you discovered that the society in which you would really like to live was already here, apart from a few local difficulties like exploitation, war, dictatorship and starvation? The argument of this book is that an anarchist society, a society which organises itself without authority, is always in existence, like a seed beneath the now, buried under the weight of the state and its bureaucracy, capitalism and its waste, privilege and its injustices, nationalism and its suicidal loyalties , religious differences and their superstitious separatism.
Of the many possible interpretations of anarchism the one presented here suggests that, far from being a speculative vision of a future society, it is a description of a mode of human organisation, rooted in the experience of every day life, which operates side by side with, and in spite of, the dominant authoritarian trends of our society. This is not a new version of anarchism“ (S. 18).

In seinem Einführungsbuch verbindet Ward die Tradition klassischen anarchistischen Denkens (u.a. Proudhon, Bakunin, Kropoktin, Malatesta, Goldman) mit Denker*innen seiner Zeit. Themenfelder, denen er sich besonders widmet sind die Kritik am Staat, eine Theorie der spontanen Ordnung, führerlose Selbstorganisation und egalitäre Föderationen von Gruppen, dem Recht auf Stadt (Wohnen), alternativen Beziehungs- und Familienmodellen, der Überwindung von Schulen und sinnvollen Tätigkeiten entgegen der Lohnrbeit. Statt einer sozialstaatlichen Verwaltung von Menschen, sollen diese befähigt werden, ihre Leben in kollektiver Absicherung selbst zu gestalten. Um sich selbst bestimmen zu können, gilt es darüber hinaus gesellschaftliche Normen und Gesetzgebung zu hinterfragen.

Die gesellschaftlichen Bedingungen heutzutage sind andere, als jene Anfang der 70er Jahre in den westlichen Industrienationen. Die umfassende wohlfahrtsstaatliche Absicherung ist einer zunehmenden Prekariat gewichen, die ökologische Krise wird zunehmend lebensbedrohlich, die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Menschen, sich in selbstorganisierte Projekte einzubringen, schwindet, während das emanzipatorische Streben nach Selbstbestimmung in neoliberale Selbstverwirklichungs-Narrative überführt wurde. Interessant bleibt dennoch Wards Herangehensweise an die Dinge. „Anarchie ist machbar, Frau Nachbar!“, kann weiterhin gesagt werden. Es wäre erfreulich, wenn das Selbstbewusstsein diesbezüglich wieder wächst.

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Colin Ward: Anarchy in Action. Freedom Press 1996. 157 Seiten, ca. 11.00 SFr. ISBN: 0 900384 20 4.