Autor:innenkollektiv: 500 Jahre. Aufstand und Niedergang der Kapitalistischen Moderne. Stadt – Land – Rebellion
Sachliteratur
Bei blackmosquito habe ich mir die Broschüre „500 Jahre. Aufstand und Niedergang der Kapitalistischen Moderne“ bestellt.

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Der lange Blick in die Geschichte zurück ist enorm wichtig in unserer geschichtsvergessenen und schnelllebigen Zeit. In Anschluss an Öcalan wird auf ein anarchistisches Geschichtsverständnis in Auseinandersetzung zwischen Herrschaft und Freiheit Bezug genommen. Nur scheinbar ist damit eine Romantisierung der dörflich-agrarisch Gesellschaftsformen verbunden. Tatsächlich ist es enorm wichtig, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie die moderne Herrschaftsordnung vor 500 Jahren am Beginn der Neuzeit gegen Widerstand durchgesetzt wurde. Zurecht wird dabei auf die Durchsetzung der patriarchalen Kleinfamilie, geschlechtlichen Arbeitsteilung und Entrechtung von Frauen* verwiesen, ebenso, wie auf die rassistische Unterwerfung und Versklavung von amerikanischen Indigenen und Afrikaner*innen.
Die Autor*innen betonen, dass die Niederschlagung der Bauernaufstände um 1525 von den proto-kapitalistischen Handelsmonopolen wie den Fuggern finanziert wurden, während mit ihnen zugleich die Herrschaftsordnung brutal erneuert wurde. 100 Jahre später, im Dreissigjährigen Krieg, wurde deutlich, wie kriegerische Handlungen sich verselbständigen und damit mehrere Generationen traumatisierten, sowie ganze Landstriche entvölkerten. Die Initiative Demokratischer Konföderalismus tritt für eine Wiederentdeckung und -aneignung der Geschichte von unten ein. Statt das bäuerlich-ländliche Leben zu belächeln oder gar als tendenziell immer reaktionär zu verdammen, weisen sie auf Enteignung, Entrechtung und Entmachtung ländlicher Strukture hin – ein Prozess, der insbesondere noch einmal in den 1960er Jahren mit Programmen zur Flurbereinigung etc. intensiviert wurde. Die die Etablierung einer „demokratischen Moderne“, wie sie die Autor*innen nennen, hat daher konsequenterweise eine Politisierung und Reorganisation von sozial-ökologischer Landwirtschaft und ländlicher Lebensformen zur Voraussetzung.
Insofern werden in der Broschüre wichtige Themen angesprochen, deren Perspektive ich teile. Gerade darum wäre etwas mehr Stringenz in der Erzählung gut gewesen. So springen die Autor*innen leider immer wieder zwischen historischen Abschnitten, sowie den Unterthemen, hin und her. Die Verknüpfungen mit Kolonialismus, systematischen Femiziden und der Militarisierung am Beginn der Neuzeit ist wichtig und zu benennen. Gleichwohl wäre eine ausführlichere Darstellung der Bauernkriege gut gewesen, um dem eigentlichen Thema der Broschüre gerecht zu werden.
Der moralische Tonfall am Ende des Textes war erwartbar, wäre jedoch verträglicher, wenn die Autor*innen ebenfalls Ideologiekritik einbezogen hätten: So bleibt das Bild einer von wenigen dominierten Herrschaftsordnung, welche ihre Bevölkerung unterwirft, kauft und indoktriniert. Das ist zwar richtig – hinzu gehört allerdings auch eine Auseinandersetzung damit, warum Menschen über die Jahrhunderte hinweg derartige Entwicklungen mitgetragen haben.
Autor:innenkollektiv: 500 Jahre. Aufstand und Niedergang der Kapitalistischen Moderne. Initiative Demokratischer Konföderalismus 2025. 152 Seiten, ca. 12.00 SFr.


