UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Antiosteuropäischer Rassismus / Erinnerungspolitik, Staat und Judentum in Deutschland

550603

Podcast
Podcast

Kultur

Podcast

Antiosteuropäischer Rassismus / Erinnerungspolitik, Staat und Judentum in Deutschland

Hierarchien von Wertigkeit, Zugang zu Ressourcen: es geht um Rassismus in dieser Sendung, genauer gesagt um antiosteuropäischen Rassismus.

Mein Gast ist Jannis Panagiotidis , wissenschaftlicher Direktor des Forschungszentrums für die Geschichte der Transformationen an der Universität Wien. „Hans-Christian Petersen und ich argumentieren, dass es auch durchaus koloniale Verhältnisse zwischen westlichem und östlichen Europa gibt. Ein 'Dazwischensein', was auch die Positionalität der Menschen von dort ausmacht, die in diesen rassistischen Hierarchien der Wertigkeit eben nicht ganz unten, aber auch nicht ganz oben ausgemacht werden – weil sie 'weiß' sind, aber nicht als vollwertige 'Weiße' behandelt werden.“ 'Juden, Russen, Weiße' ist der Titel von Jannis Panagioitis' Beitrag zum Sammelband „Die erfundene Gemeinschaft“, herausgegeben von Michal Bodemann, den Jannis treffend mit „alle bekommen ihr Fett weg“ beschreibt“ - u.a. auch mit Beiträgen von Darja Klingenberg und Max Czollek . 'Erinnerungspolitik, Staat und Judentum in Deutschland' ist der programmatische Untertitel des Buches. In seinem gleichnamigen, 1996 erschienenen Buch 'Gedächtnistheater - Die jüdische Gemeinschaft und ihre deutsche Erfindung' vertrat Bodemann die These, dass die deutsche Erinnerungskultur vor allem zum Ziel habe, Deutschland als geläutertes Land darzustellen. Dafür käme es, etwa bei Gedenkveranstaltungen, zur kulturellen Aneignung des Jüdischen durch nicht-jüdische Deutsche, Juden seien selbst nur Statisten. Um dem zu entgehen, sollten sich „die jüdischen Vertreter [...] lossagen von ihrer alimentierten Rolle für die deutsche Politik und Kultur und sich auf sich selbst besinnen“. Sehr prägnant zeigen Panagiotidis und Petersen in ihrer Darstellung, wie mit dem intersektionalen Feindbild des „jüdischen Bolschewisten“ eine Rechtfertigungsgrundlage für die willkürliche und systematische Ermordung der Zivilbevölkerung geschaffen wurde. Wahlweise behielten es sich die NS-Ideologen aber auch vor, Slawinnen und Slawen in der „Rassenhierarchie“ gegenüber Jüdinnen und Juden heraufzustufen, wenn es konkreten Zielen, etwa ihrem Einsatz als „rassisch unerwünschte Arbeitskräfteressource“ entsprach. Um die flächendeckende Feindseligkeit und die Diskriminierung herauszuarbeiten, mit der Millionen verschleppter Zwangsarbeiter:innen in NS-Deutschland alltäglich konfrontiert waren, stützen sich die Autoren unter anderem auf die 1995 erschienene Studie von Ulrich Herbert. Die Niederlage der Wehrmacht brachte den Vernichtungskrieg in Osteuropa zum Erliegen. Nicht einfach beizulegen war, so Panagiotidis und Petersen, „antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus, [der] in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet [war], als kollektives Feindbild und als millionenfache, mörderische Praxis an der ,Ostfront‘. Es spricht nichts dafür, dass diese Linien 1945 abrupt endeten.“ Während fraglich bleibt, ob die direkte Begegnung auch zu einem Abbau von Vorurteilen in der deutschen Bevölkerung beigetragen haben könnte (vgl. S. 110), haben die Erfahrungen der Deutschen mit Zwangsarbeiter:innen indirekt auch den Umgang mit Arbeitsmigration nach 1945 geprägt. (https://www.soziopolis.de/keine-stunde-n...) Die Auseinandersetzung mit antiosteuropäischem Rassismus ist kaum von der Beschäftigung mit dem Verhältnis von Antisemitismus und Rassismus zu trennen, nämlich im Bezug auf jüdische Kontingentflüchtlinge. Jannis benennt in der Sendung diesbezüglich „falsche Dichotomien“ und wir wagen einen Ausblick.

Creative Commons Lizenz

Autor: Itty Minchesta / Redaktion 3

Radio: FSK Datum: 14.05.2025

Länge: 01:00:00  min. Bitrate: 320 kbit/s

Auflösung: Stereo (44100 kHz)