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Buchbesprechung: Rosa Blanca (B. Traven)

Heute möchte ich euch ein Buch empfehlen dass mich vor ein paar Tagen tief bewegt hat. Prinzipiell bin ich ein ziemlicher Fanboy des Autors: B.

Traven, wohl einer der mysteriösesten Autoren des vergangen Jahrhunderts. Er schrieb unter Pseudonym und seine wahre Identität war lange unklar. Mittlerweile wird vermutet dass er wohl ein deutscher Metallarbeiter und Gewerkschafter war bis er sich dafür entschied seine Identität zu ändern und fortan als Schauspieler „Ret Marut“ aus den USA zu leben und auf deutschen Theaterbühnen aufzutreten.
In der Folge der gescheiterten bayerischen Räterepublik setzte er sich wohl nach Lateinamerika ab und schrieb eine Menge Bücher unter dem Pseudonym B. Traven. Der Autor selbst beharrte darauf dass die Biografie eines Kreativen nicht wichtig wäre, zumal er Fiktionen schrieb.
Dennoch möchte ich hier den bewegten Lebenslauf würdigen denn in seinen Büchern merkt man dass er eine Menge unterschiedlicher Erfahrungen gesammelt hatte.
Besonders gut hat mir Rosa Blanca, zu deutsch die Weisse Rose gefallen. In diesem Buch beschreibt er die gesellschaftlichen Konflikte im Mexiko der 1920er Jahre. Das Vordringen amerikanischer Erdölkonzerne ins mexikanische Hinterland führt zu Konflikten zwischen den Agenten des Unternehmens und der alteingesessenen Bevölkerung die eine kleine Hacienda bewohnt. Eine Hacienda ist im Grunde ein kleines Dorf das sich um eine Landwirtschaftlich genutzte Fläche organsiert. Die im Buch beschriebene Gemeinschaft zeichnet sich aber dadurch aus das alle die dort Leben indigener Abstammung sind und die soziale Organisation eher horizontal und am Gemeinwohl orientiert ist. Traven beschreibt die Bräuche, Angewohnheiten, genutzten traditionellen landwirtschaftlichen Arbeitsweisen und die Beziehungen der BewohnerInnen der Hacienda untereinander in einer Art und weise die nahelegt dass er wusste wovon er schrieb. Und das nicht trotz sondern wegen des romantischen Einschlags der Beschreibungen.

Dem gegenüber steht der Unternehmer Mr. Collins, der Kurt Tucholsky zufolge die beste Darstellung eines Kapitalisten in der Literatur ist, auch hier wird klar Traven weis wovon er schreibt. Dieses Lob wiegt meiner Ansicht nach besonders schwer da Tucholsky im gleichen Atemzug einen anderen der grossen linken Schrifststeller dieser Zeit Upton Sinclair im Vergleich als „Sonntagsprediger des Sozialismus“ betitelte.

Das Buch lebt von den gegensätzlichen lebenswelten der amerikanischen Oberschicht welche vollständig in der modern-kapitalistische Zivilisation mit ihren Annehmlichkeiten und Logiken aufgeht. Doch er fällt nie in eine Schwarz-Weiss Malerei welche die Unanständigkeiten des Kapitalismus durch die moralischen Verfehlungen seiner Akteure erklärt. Die Charaktere sind mehrdimensional und besitzen eine beachtliche Tiefe die bei anderen sozialkritischen Autoren dieser Zeit so nicht existieren.

Zwischen den Welten welche gegensätzlicher nicht sein könnten stehen die Agenten des Konzerns, Rechtsanwälte und Handlanger. Der Mexikanischen Regierung kommt ebenfalls eine interessante Rolle zu.
Eine kleine Geschichtsstunde über die Wirren von Revolution und Konterrevolution im Mexiko des jungen 20. Jahrhunderts.
Das Buch ist voll von Themen die mich persönlich sehr interessieren. Das ist zum einen die Anfangszeit der Erdöl-Unternehmen, liefert also einen relevanten Baustein für das historische Verständnis unserer heutigen CO-2 Zivilisation welche sich so nimmersatt vom fossilen Brennstoff ernährt.

Die Gegenüberstellung der westlichen Zivilisation mit den Lebensweisen der angeblich Wilden und unentwickelten Bevölkerung des ländlichen Mexikos wirft tiefgehende Fragen über die unterschiedlichen menschlichen Existenzen auf die extrem unterschiedlich doch zeitgleich existierend aufeinanderprallen.

Einzig die Darstellung des Geschlechterverhältnisses mutet aus heutiger Sicht etwas ulkig an. Die Konsumgeilen Frauen, Nebenfrauen und „Chormädchen“ der Reichen. Die überzeichnet wirkende Macht die sie qua ihrer bzw. der Sexualität ihrer Männer über diese ausüben können wirkt ein bisschen zu konstruiert und herbeigeschrieben. Dennoch sind die Charaktere im Buch durchaus mehrdimensional angelegt was besonders durch die Konflike die sie mit sich selbst Austragen deutlich wird.

Weiterhin vollzieht Traven eine Entmystifizierung der kapitalistischen Komplexität, die zu dieser Zeit mit dem sich immer weiterentwickelnden und ausdifferenzierenden Finanzsektors drastisch zunimmt. Doch er begeht nicht den Fehler die andere sozialistische Autoren zu dieser Zeit begehen und verfällt ins Predigen und schüttelt seine Lösungen aus dem Ärmel. Vielmehr zeigt er auch auf welche Rolle die organisierte Arbeiterschaft, die Gewerkschaften für das Funktionieren des Kapitalismus einnehmen.

Er begnügt sich nicht mit SchwarzWeissMalerei sonder liefert eine detaillierte Beschreibung die der geneigten Leserschaft nahe geht, nicht zuletzt wegen der Aktualität der Probleme dieses Buches das vor 92 Jahren veröffentlicht wurden. Konflikte über Rohstoffe und Landrechte sind genauso aktuell wie der Widerspruch zwischen den Bedürfnissen des Kapitals und der Natur. Zu welcher der Mensch ja bekanntermassen auch gehört.
Das Buch endet passenderweise mit den Worten: „Was kümmert uns der Mensch? Wichtig ist nur das Öl.“


Dicke Leseempfehlung für den Herbst und Winter. B. Traven Rosa Blanca, Die weisse Rose.
Ich möchte noch erwähnen dass die studentische Widerstandsgruppe um die Scholls sich vermutlich nach dem Buch benannte das zumindest Hans Scholl kannte und sehr schätzte. Wie so viele andere Werke fiel auch dieses Buch zur Zeit des NS den Bücherverbrennungen zum Opfer und scheint in Vergessenheit geraten zu sein.
Unter seinen anderen Büchern die ebenfalls sehr lesenswert sind wie“ die Brücke im Dschungel“, „Der Karren“ oder das bekannte „Das Totenschiff“ sticht die weisse Rose meiner Meinung nach heraus. Und wenn etwas Tucholsky begeisterte ist das schon eine Auszeichnung für sich.
Ich möchte hier mit einem Zitat enden das Traven zugeschrieben wird und die Selbstbestimmung des Menschen zum höchsten Gut erklärt:
„„Frei bleibt nur der, der sich selbst vertraut, selbst täglich neu um seine Freiheit kämpft und seine Freiheit niemand zur Aufbewahrung gibt.“





Autor: Balduin Bux

Radio: RadioBlau Datum: 22.09.2021

Länge: 07:54 min. Bitrate: 320 kbit/s

Auflösung: Stereo (44100 kHz)