Partykulkur und Hedonismus Die Welt geht unter, aber wir kommen durch...
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Da haben wir nun also die Erlösung, endlich sind wir befreit worden von den anachronistischen, posthumanitären Moralzwängen der Hippies, den Freaks der 80er-Bewegung und den Chaosquerdenkern der neuen Generation. Ja sie waren unbequem, diese Forderungen und Ermahnungen, die sie auf die Strasse trugen.

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Street Parade in Zürich am 13. August 2011. Foto: niky81 (CC BY-SA 2.0 cropped)
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Aber eben, die Hippies hängen nun, Gott sei dank, nicht
mehr auf
der Strasse, sondern in ihren Einfamilienhäuschen, die Freaks der 80er
haben sich glücklicherweise zu Tode gespritzt, und die letzten paar übrig
gebliebenen Unzufriedenen haben sich in ihren miesen, mickrig-kleinen
Mietwohnungen verkrochen und rauchen frustriert und resigniert ihr Dope.
Sie alle, die uns schon immer nur ein noch schlechteres Gewissen einreden
wollten und uns so die lustige Stimmung versauten, wurden ersetzt, ja fast
schon überrollt. Früher waren da noch die Räumungspanzer und
Wasserwerfer
der Bullen notwendig, heute erledigen das unsere Brüder mit ihren
fröhlichen Umzugswagen an der Street-Parade.
Kreischend und johlend wie
die
Spiesser an der Fastnacht ziehen sie durch die Gassen von Zürich, wo
einstmals noch wahrhaftige Männer und Frauen mit Steinen und Molis in
den
Händen gegen die herrschende Ordnung ankämpften. Heute beschmutzen
die
Vergnügungssüchtigen Tekknofreaks mit ihren verstaubten Ecstasy-Köpfen
das
ehrenwerte Pflaster von Zürich.
Womit haben wir das verdient, diese Geisteshaltung des ewigen Lächelns
und
des fortgeschrittenen Glücks? Hat die ach so dämliche Jugend von
heute
wirklich keine Kritik mehr vorzubringen an dieser Gesellschaft? Oder wollen sie diese ganz einfach nicht mehr formulieren? Sind all die unzähligen
illegalen Partys im Raum Zürich schon Widerstand genug, oder sind die
Kidz
von morgen einfach nur zu schlapp und ausgelaugt vom vielen Feiern, so dass
sie nicht mehr ihre Schnauze aufbringen, wenn sie nicht gerade voll
zugeknallt sind? Und dabei geht's uns allen doch gar nicht so toll, wie es sollte; aber eine
befreiende Motivationsspritze in Form einer Pille oder eines aufputschenden
Neuzeitgetränkes bringt dem Menschen naturgemäss doch noch einiges
mehr als
eine nimmer endende Diskussion über die Problematik unserer kränkelnden
und
angeschlagenen Gesellschaft.
Wir wissen doch alle langsam das vieles nicht in Ordnung ist, vieles nicht
so sein sollte und nicht so wird wie wir's gerne hätten, aber wir ziehen
es
verständlicherweise vor, über unsere Orgasmusschwierigkeiten und
deren
Folgen auf unser Innenleben zu diskutieren, als dass wir unser mühevoll
aufgebautes seelisches Gleichgewicht unnötig strapazieren mit unbequemen
Gedanken. Das war doch schon immer so, nicht wahr? Es war zweifelsohne nur mal kurz
Mode etwas auf revolutionär und rebellisch zu machen, war gut fürs
Image,
und heute geht mensch auf Partys um hip zu sein.
Den regen Zulauf von
orientierungslosen Schäfchen, den die Tekknobewegung momentan erfährt,
ist
damit zu erklären, dass dem konsumbegeisterten Neuling in Sachen Auftreten,
Kleidung und Gedankengut kaum Grenzen gesetzt werden. Jeder, der ein Lachen
auf seine verzerrten Gesichtszüge bringt und sich ein Nuggi ins Maul
stopft, gehört dazu.
Die ganze Szene lebt von dieser Beliebigkeit, alles
ist erlaubt. Mensch darf sich wieder wie ein Kind fühlen und benehmen.
Jegliche Verantwortung und Gewissenhaftigkeit wird empört zurückgewiesen.
Keiner will zuständig sein für die Probleme unserer Zeit, da er
sich
hoffnungslos überfordert fühlt, und so bleibt das Bedürfnis
nach ein
bisschen Spass, das sich ja bekanntlich mit Geld befriedigen lässt.
Was wir gerne erreichen täten oder noch viel lieber kaufen würden,
ist die
hundertprozentige tolle Stimmung auf ewig, und das mit Lebensgarantie. Wir
preisen die Lebenskultur, die uns endlich das verspricht, was uns in TV und
restlichen Medien schon immer vorgegaukelt wurde und wird. Das ewige
erfrischende Lächeln der Immer-gut-drauf-Menschen, auch happy people
oder
Clubmitglieder genannt.
Jawohl, die Wundermusik mit den Wunderpillen ist kommerzialisiert worden,
die hat sich gemausert von der Subkultur zum totalen Massenspektakel, an
der viele Geier mitverdienen und absahnen und noch viel mehr ihre
Hirnzellen verlieren. Da hat sich eine wunderhübsche Marktlücke
aufgetan,
die die Haifische wieder etwas belebt, wenn sie an die aufgepeitschte,
konsumgeile Teigmenge denken, die all ihre Früste und Lüste im Geldrausch
umzusetzen versuchen.
Die Wünsche eines jeden Markstrategen sind in
Erfüllung gegangen: die tanzenden Puppen wollen keinen Sinn suchen oder
Hintergedanken anstellen, nein, sie wollen im Konsumpf ersticken, und das
mit einem Red Bull in der Hand. Dem Spiel sind somit keine Grenzen gesetzt. Aber Vorsicht, lächle fleissig mit, lass dir ja nichts anmerken von deiner
innerlichen Leere und Abgestumpftheit. Pflege deinen Small-Talk-Kult bis
aufs Äusserste. Wir tanzen alle gemeinsam ab ins Jahr 2000 mit unserer
Pharmazeutika im Brummschädel und Energy-Drinks im flauen Magen, ok,
ein
bisschen die "fin de siecle"-Stimmung ausleben, nichts dagegen,
bin auch
dabei, bin ja selber auch ein Spacefreak, aber erlaubt mir nur noch eine
Bemerkung: irgendwann ist auch das tausendjährige römische Reich
an den
Exzessen und Orgien der sinnentleerten Menschen untergegangen.
Mangelnde
Werte, Verlust von Moralvorstellungen, Individualismus, materielle
Besessenheit und Vergnügungssucht. Was soll's, wir wissen ja alle dass
alles besser wird, und gerade deshalb hol auch ich mir garantiert noch den
letzten Kick, mit meinem nächsten Fick!


