Subkultur und Verfall (TEIL III) Eberstädter Donnerkeil

Archiv

"The Cliff Hanger (...) generally makes his living in one of the aesthetic arts, out to have his own lingo for communication, and has earned the label of illogic in philosophy and deed." Paul Twitchell: Compiled Writings, San Diego, 1975.

Eberstädter Donnerkeil - Teil III.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Eberstädter Donnerkeil - Teil III. Foto: Mario Sixtus (CC BY-NC-SA 2.0 cropped)

14. Dezember 1999
0
0
5 min.
Drucken
Korrektur
Teil 2 von "Subkultur und Verfall" beleuchtete Erdlöcher, Geheimgänge und andere durch den Verfall der Dinge hervorgebrachte Verstecke. Ist es daher verwunderlich, dass beherrschende, den Einzelnen überwältigende Systeme sich selbst konstituieren, indem sie Löcher im System stopfen, einebnen, glätten? Betrachten wir die Logik.

Die beherrschende Kultur, in der es für das Individuum nur noch wenig Freiheit zu eigener Entscheidung gibt, bedient und beruft sich der und auf die LOGIK. Was dem Einzelnen von Seiten der offiziellen Kultur her aufgezwungen wird, ist in der Regel "logisch" begründet.

Kaum eine Missetat der Einschränkung des Einzelnen, die nicht in ein "logisches" Licht gerückt wird. Es soll logisch und daher "richtig" erscheinen, Schafen gleich den Weg zu trotten, den die offizielle Kultur minutiös vorschreibt.

Und dennoch kann die Logik nur existieren, indem bereits in ihren Anfängen ein klaffendes Loch zugeschüttet wird. Würde dieses Loch nicht zugeschüttet bzw. hinweggemogelt, könnte die Logik gar nicht "funktionieren".

Ich will mich deutlicher ausdrücken. Einem jeden Studenten der Philosophie wird ans Herz gelegt, zumindest einen Grundkurs in Logik (Aussagen- & Prädikatenlogik) zu absolvieren.

Ganz von der Hand zu weisen ist ein derartiges Ansinnen nicht, denn Regeln der Argumentation im philosophischen Disput basieren auf Regeln der Logik und eine Grundkenntnis der Logik verhindert TATSÄCHLICH, dass sich der Sprechende bereits auf den ersten philosophischen Metern ständig selbst widerspricht. Und für einen kleinen Aspekt der Realität trifft Logik definitiv zu.

Trotzdem ist die Logik selbst bereits ein System, in dem ein nur mässig zugeschustertes Loch durchscheint. In diesem Aspekt eine halbseidene Sache. Um das logische System zu konstituieren, müssen Logiker feststellen welche Aussagen "wahr" oder "falsch" sind. In jedem Fall lässt sich dies innerhalb des Systems ermitteln.
Mit einer Ausnahme.

Betrachten wir eine Aussage der Form "Wenn...., dann.....", in der der erste Teil ("Wenn... ") falsch ist, der zweite jedoch wahr. Ist dann die Gesamtaussage ("Wenn..., dann...") wahr oder falsch?

Um es gleich vorwegzunehmen: es lässt sich nicht bestimmen! Und das, genau das, dürfte es logisch nicht geben! Ein Loch. Ein Loch in der Logik! Und mit einem Loch in der Logik kann die gesamte Logik nicht funktionieren!

Nehmen wir also den Satz "Wenn der Mond ein grüner Käse ist, liegt Deutschland in Europa".

Definitiv: Der Mond ist kein grüner Käse. Falsch. Deutschland liegt jedoch in Europa. Wahr. Es lässt sich jedoch beim besten Willen NICHT entscheiden ob die Gesamtaussage "Wenn der Mond ein grüner Käse ist, liegt Deutschland in Europa" wahr oder falsch sein soll. Die Aussage trägt die Struktur "Wenn..., dann...". Wäre es "Genau dann, wenn...", wäre sie falsch, denn Deutschland liegt nicht genau dann in Europa, wenn der Mond ein grüner Käse ist. Aber die elementare  "Wenn... dann ... "-Beziehung lässt sich nicht einordnen in die (für die Logik wichtige) Unterscheidung wahr/falsch.

Und das dürfte es in der Logik nicht geben!

Doch es ist so: die Aussage lässt sich nicht als "wahr" oder "falsch" bestimmen!
Was haben die Logiker getan?

Sie haben erkannt, dass eine solche Aussage wahr sein "muss", damit das Logik-System "funktioniert".

Folglich haben sie diese Aussage als wahr definiert. Ein Loch ward zugeschüttet, damit ein System funktioniert. Ich schreibe nicht gegen Logik. Sehr wohl jedoch dagegen, dass jeder offizielle Wahnsinn, der die Freiheit des Individuums einschränkt., mit der Logik begründet wird.

Es gibt Lebensbereiche, die logisch laufen. Doch die Logik ist löcherig und bereits in den Anfangsgründen fadenscheinig.

Wieder gibt ein LOCH IM SYSTEM Freiheit. Denn mit der Kenntnis dieses Lochs im System kann man Logik das eine Mal annehmen und das andere Mal ablehnen. Begründet annehmen und begründet ablehnen.

Durch LÖCHER IM SYSTEM kann der Einzelne ENTKOMMEN und anderswohin gehen.

Es ist, als würde man aus grosser Höhe auf eine Küstenlinie blicken. Zumeist nicht sehr interessant. Lediglich abbrechender Fels. Doch es gibt Löcher: Badebuchten! Das ist das interessante an der Küstenlinie: die Badebucht, das Loch im System der Küstenlinie! Ich denke, in den meisten Fällen ist UNLOGISCHES VERHALTEN FREIER als logisches. Ein löchriges, unvorhersagbares Verhalten, das sich an Träumen, bizarren Zuständen, der Beobachtung von "Zufällen" und dem Blick in andere. Welten orientiert.

An Kunst, Poesie, Mystik und ausserkörperlichen Erfahrungen. Ein solches -unlogisches- Verhalten ist nicht kontrollierbar. Der Einzelne entschwindet durch Erdlöcher und zerbricht Kontrolle & Überwachung. Ich muss mein Herz schonen. Ich werde heute nur noch eine einzige Tasse Kaffee trinken.

Diese Tasse jedoch werde ich mir in überhitztem Eingedenken an Dada, an die Surrealisten und Oberhaupt an alle "spinnerten", mithin "eigentlich vernünftigen" Tendenzen genehmigen. Da weiss man (meistens), was man hat. Guten Abend.

Thomas Stemmer