Bericht über die Skinheadszene von Nazi-Watch Thurgau Nazi-Skins wittern Morgenröte

Archiv

Rechtsextremismus auf Hochglanz. In bisher beispielloser Layout- Professionalität präsentiert sich die erste Ausgabe des «Morgenrot», dem neuen «Nationalen Schweizer Skinhead Magazin». Das Produkt aus dem Umfeld des thurgauischen «Patriotischen Ost Flügels» (POF) beeindruckt allerdings nur was seine Aufmachung betrifft.

10. Dezember 1998
0
0
6 min.
Drucken
Korrektur
Der Inhalt des Magazins unterscheidet sich kaum von anderen rechtsradikalen Blättchen: Interviews mit Nazirock-Bands, Hetze gegen Journalistinnen, Versuche der Geschichtsklitterung, sowie hohle Trinker- und Heldenstories. Das Magazin liefert allerdings einen aufschlussreichen Einblick in die gewalttätige Subkultur der Schweizer Nazi-Skinheads.

Als Kontaktadresse des angeblich juristisch geprüften, neuen Skinhead-Magazins fungiert ein Postfach in der kleinen Thurgauer Gemeinde Landschlacht bei Kreuzfingen. Die Macher des Blatts dürften, dafür sprechen verschiedene Indizien (abgebildete POF-Flagge, Kleberversand) aus dem Umfeld des «Patriotischen Ost Flügels», einem eher losen Zusammenschluss von rund zwei Dutzend Ostschweizer Nazi-Skinheads, stammen.

Der «Patriotische Ost Flügel« steht den «Schweizer Haimmerskins» nahe, unterhält aber auch enge Kontakte zur sehr aktiven Liechtensteiner Nazi-Skinheadszene. Einen Hinweis auf internationale Kontakte des POF geben die zahlreichen Inserate und Adressen von schwedischen, englischen und spanischen Neonazi-Versänden und -Gruppierungen.

Traurige Bekanntheit erlangte der POF mit verschiedenen Übergriffen gegen Schwarze und einem Aufmarsch gegen eine antirassistische Demo in der Stadt St.Gallen (Sommer/Herbst'97). Auch sind in verschiedenen Ostschweizer Gemeinden wiederholt rassistische und fremdenfeindliche Kleber des POF aufgetaucht, die auch im «Morgenrot» zum Verkauf angeboten werden.

Bildung für Patrioten

«Gerade in der gegenwärtigen Zeit, wo die Massenmedien eine so grosse Wirkung und Beeinflussung auf die Bevölkerung haben, müssen wir einen eigenen Weg finden, um uns unsere eigene Medienwelt zu schaffen.» Die Macher des «Morgenrots» planen Grosses, wie sie ihren «Kameradinnen und Kameraden» im Vorwort ankündigen. Sie haben nicht nur den «Medienschaffenden vom Fernsehen und Presse», die «eine multikulturelle Meinung von der Gleichschaltung (sic!, B.R-S.) der Menschen» vertreten, den Kampf angesagt.

Vielmehr vertreten sie auch einen rührig altväterlichen Bildungsanspruch: «Wer so lebt wie wir, sollte ein Minimum an geschichtlichem Wissen unserer Väter und Ahnen haben». Viel klüger dürften die Leserinnen angesichts des in dieser ersten Ausgabe gebotenen Geschichtsstoffs allerdings nicht werden. Die Rubrik «Geschichte» des Magazins liefert eine mythisch verklärte Schilderung der «aussergewöhnlichen Waffentaten» des «urschweizerischen Abwehrheers» in der Schlacht am Morgarten 1315, eine historisch kaum haltbare «Zeittafel der Germanen und deren Stämme» sowie eine von plumper Geschichtsfälschung nur so triefende Biographie von Rudolf Hess, dem von den Neonazis zum Märtyrer erhobenen Hitler-Stellvertreter.

Der Hess-Kult wird im «Morgenrot» auch sonst gebührend betrieben: mit holpriger Rache-Poesie aus der Feder des Hitler-Stellvertreters selbst (Gedicht «Nürnberg 1945/46»).

Immerhin findet sich im Skinmagazin mit dem Rezept zur Herstellung des Honigweins «Met» auch noch eine Seite mit «praxis-orientierter Bildung». Geradezu völkisch-heidnisch mutet die Einführung in den alten Brauch an: «Das 'Bier' unserer Ahnen, dem man die Kraft zuschrieb, den Menschen Begeisterung zu verleihen und ihnen den Zugang zur übersinnlichen Welt zu öffnen. Man fühlte sich den Göttern näher.

Aber ebenso ein Mutmacher und Stärkungsmittel (half auch um den Schmerz zu lindern) wenn es zum Kampfe ging! Es war auch ein Trunk der Weisheit und der künstlerischen Erweckung.»

Hetze gegen Journalistlnnen

Schärfere Töne klingen im «Presse-Spiegel» an. Verfasser dieser Rubrik ist ein altbekannter Exponent der rechten Szene: Roger Wüthrich, Mitbegründer der Wiking-Jugend Schweiz und der völkisch-heidnischen Avalon-Gemeinschaft. Wüthrich, der offensichtlich über einen guten Draht zu den Nazi Skinheads verfügt, porträtiert im «Presse Spiegel» «linke Journalisten, welche es auf uns abgesehen haben».

Viel Raum nehmen dabei die beiden wohl «skrupellosesten Journalisten» (Wüthrich), die Schweizer Rechtsextremismus-Experten Jürg Frischknecht und Hans Stutz, ein. So wird etwa Frischknecht die enge Zusammenarbeit mit der jüdischen Kultusgemeinde in Zürich vorgehalten.

Als weiterführende Lektüre zu Frischknecht empfiehlt Wüthrich das legendäre Buch «Unser Widerstand gegen die Subversion in der Schweiz» des Kalten Kriegers und Linken-Jägers Ernst Cincera.

Kaum freundlicher wird mit Hans Stutz umgegangen. Wüthrich beklagt, dass Stutz überall versuche, an Informationen ranzukommen. Ergänzt wird der «Presse-Spiegel» mit einer kleinen Presseschau. Fünf Artikel aus Ostschweizer Zeitungen sollen wohl als Beleg für die «unfaire» Berichterstattung über die Neonazis dienen.

Skinheads on Tour

Wenig geben die Interviews mit den Nazirock-Bands «Storm» (Schweden), Faustrecht (D) und Hauptkampflinie (D) her. Ausser platten Phrasen und unverhohlenen Bekenntnissen zu «White Power» haben die Nazirocker offenbar nicht viel zu sagen. Um einiges spannender sind die Party- und Konzertberichte in der Rubrik «Skinheads on Tour». Sie bieten einen wertvollen, weil authentischen Einblick in die hässlich-primitive Subkultur der Nazi-Skinheads.

In sieben Kurzberichten werden die im In- und Ausland begangenen «Helden- und Trinkertaten» der Thurgauer Nazi-Skinheads aufgetischt. Beliebte Ziele der «Nazi-Skinheads onTour» sind - abgesehen von der Ostschweiz - Österreich, der ostdeutsche Raum (Dresden) und immer wieder auch das Fürstentum Liechtenstein, das bis heute keine Antirassismus-Gesetzgebung kennt.

Einer der Ausflüge führte die Nazi-Skins beispielsweise an eine Erotik-Messe in Österreich, wo es « lehrreiche Vorführungen auf der Bühne», aber «leider keine Wichskabinchen» gab, so das Fazit des enttäuschten Schreiberlings Laf, aus der Ostschweiz». Meist beginnen und enden die Ausflüge an Parties und Konzerte mit dem exzessiven Konsum von «unvergesslichem Gerstensaft«. Das regelmässige Koma-Saufen hindert die Nazi-Skins aber nicht daran, in ihren Tourberichten über den vermeintlichen Drogenkonsum der «60er-Hippies», «Möchtegern-Punks» und «autonomen roten Zecken» herzuziehen:

«Wahrscheinlich haben es die Behörden lieber, wenn man an Konzerte geht die an Woodstock erinnern und jede Menge Drogen konsumiert wird, und wo man evtl. noch in eine Spritze trampt!».

Zum Glück verbieten die «Morgenrot»-Herausgeber «jede unerlaubte Darstellung dieses Magazins in den Medien» und sorgen so gleich selbst dafür, dass ihre Dummheiten keine allzugrosse Verbreitung erfahren...

Birgit Petz-Schönemann
(Nazi-Watch Thurgau)