Eine Studie dient der Branche als Lobbying-Instrument „Alternative Facts“ vom Verband der Schweizer Rohstoffhändler
Wirtschaft
Der kürzlich veröffentlichte Commodity Trading Monitoring Report will „die erste wissenschaftliche Studie“ zum intransparenten Rohstoffhandelssektor in der Schweiz sein.


Zementwerk von Holcim in Minuyan, Philippinen. Der schweizerisch-französische Konzern LafargeHolcim Ltd zählt zu den grösseren Playern im Rohstoffbuiseness. Foto: Ramon FVelasquez (CC BY-SA 3.0 unported - colored - cropped)
Einige Eckdaten des Berichts sind schon seit Monaten bekannt: Die in Genf domizilierte Swiss Trading and Shipping Association (STSA) ging damit bei den Medien nämlich schon lange vor der Veröffentlichung hausieren. Und zwar mit dem Ziel, die Bedeutung der Boom-Branche für den Wirtschaftsstandort Schweiz zu überhöhen und zugleich mit deren Wegzug für den Fall politischer Regulierungen zu drohen. Zum Beispiel mit der pseudo-wissenschaftlichen Behauptung, der Rohstoffhandel beschäftige 36'154 Menschen. Das sind 3,5 Mal mehr als noch im bundesrätlichen Rohstoffbericht von 2013 festgehalten. Doch woher stammt dieses rasante Wachstum? Von einer nicht offengelegten Liste erfasster Firmen, die dieser Zahl zugrunde liegt, worunter sich aber eine Anzahl von Unternehmen befindet, die gar nicht im Rohstoffhandel tätig sind. Dies zeigt eine Analyse des manipulativen Berichts und seiner methodischen Mängel.
Zeitgleich hat Public Eye eine eigene Liste von Schweizer Firmen recherchiert, die tatsächlich im Rohstoffhandel tätig sind. Im Unterschied zur Branchenlobby legen wir diese Firmennamen offen. Auf der Basis der 400 Unternehmen auf dieser Liste, die wirklich Mitarbeiter beschäftigen, hat das Bundesamt für Statistik 7'594 direkte Jobs berechnet, also fast viermal weniger als die aufgeblähte Zahl der STSA.
Geschrieben wurde deren Bericht vom „CSR Officer“ der Branchenlobby und beaufsichtigt durch Mitarbeiter der Universität Genf, die auch die statistischen Auswertungen machten und als einzige Zugang zu den Rohdaten haben. Veröffentlicht wurde er auf der Webseite des „Swiss Research Institute on Commodities“ (SRIC), in dessen achtköpfigem Stiftungsrat auch der „Secretary General“ der STSA und der Präsident der Swiss Coffee Trade Association sitzen. Die Universität Genf wäre aus Reputationsgründen gut beraten, ihre Partner sorgfältig zu prüfen und bei assoziierten Instituten auf die Einhaltung wissenschaftlicher Standards zu pochen.
Besonders stossend an diesem irreführenden Report und seiner Verwendung ist, dass die Umfrage dazu im Rahmen eines Multistakeholder-Prozesses unter Leitung des Wirtschafts- und Aussendepartements durchgeführt wurde. In diesem Rahmen sollen Richtlinien („Guidance“) zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte erarbeitet werden (Umsetzung von Empfehlung 11 des Rohstoffberichts). Die STSA-Umfrage war Teil eines „Mapping“ des Sektors. Es ist unverständlich, dass der Bund diese für den weiteren Prozess entscheidende Aufgabe an eine Interessenvertretung abgetreten hat. Das skandalöse Ergebnis zeigt, dass Freiwilligkeit in diesem Sektor auch bei der Datenerhebung nicht reicht. Dabei hätte der Bund durchaus die Mittel, um Firmen zur Teilnahme zu zwingen. Die Nationalbank macht das heute schon, um – unter der Kategorie „Transithandel“ – den Gesamtumsatz des Rohstoffhandels zu berechnen.
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