Schweizer Organisationen lancieren politische Petition Keine Patente auf Pflanzen und Tiere

Wirtschaft

Mit immer mehr Patentanmeldungen versuchen Agro-Konzerne wie Syngenta oder Monsanto, ihre wirtschaftlichen Interessen weltweit durchzusetzen.

Demonstration gegen Monsanto am 25. Mai 2013 in Stockholm, Schweden.
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Demonstration gegen Monsanto am 25. Mai 2013 in Stockholm, Schweden. Foto: Sigurdas (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

7. Juli 2015
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«Jetzt handeln. Und die Zukunft unserer Ernährung retten!» Unter diesem Motto haben Swissaid, ProSpecieRara und die Erklärung von Bern mit der Koalition «Keine Patente auf Saatgut!» eine Petition an die Schweizer Regierung und andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Patentorganisation lanciert. Sie warnen davor, dass Konzerne wie Monsanto und Syngenta immer mehr Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung erlangen. Wie eine aktuelle Recherche der Koalition zeigt, will das Europäische Patentamt (EPA) in allernächster Zeit weitere 30 Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung an Monsanto und deren Tochterfirmen erteilen.

Syngenta kann zeitnah auf etwa ein Dutzend Patenterteilungen hoffen. Gemeinsam werden diese beiden vielleicht bald fusionierenden Firmen über einen Drittel der neu erteilten Patente auf konventionelle Pflanzen erhalten. Viele dieser Patente, die jetzt unmittelbar vor der Erteilung stehen, erstrecken sich auf Alltagsgemüse wie Tomaten, Paprika, Blumenkohl, Karotten und Salat.

Züchterinnen, Landwirte, Lebensmittelhersteller und Konsumierende sind die VerliererInnen dieser Entwicklung: Syngenta, Dupont und Monsanto halten zusammen bereits rund 50 Prozent am globalen Saatgutmarkt und bestimmen, was angebaut wird, was wir essen und wie viel wir dafür bezahlen müssen. Die europäischen Regierungen müssen jetzt endlich die Interessen der Allgemeinheit gegen jene von Konzernlobbyisten verteidigen. Länder wie Deutschland und die Niederlande verbieten heute bereits Patente auf Pflanzen und Tiere, die aus konventioneller Zucht stammen. Durch eine Patentierung beim EPA kann dieses Verbot auf europäischer Ebene heute aber noch umgangen werden.

Die internationale Koalition «Keine Patente auf Saatgut!» verlangt deshalb, dass die Mitgliedländer des Europäischen Patentübereinkommens schnell die Regeln zur Auslegung der Patentgesetze und damit die bestehenden Verbote stärken. Zudem sollten die europäischen Patentgesetze selbst so geändert werden, dass Patente auf Züchtungsverfahren, Gene, Pflanzen, Tiere und daraus gewonnene Lebensmittel vollständig verboten werden.

Die zunehmende Patentierung von Saatgut, konventionellen Pflanzen und Nutztierrassen bedeutet eine weitgehende Enteignung von Bäuerinnen und Züchtern: Landwirtinnen und Landwirte dürfen ihr Saatgut aus der Ernte nicht mehr behalten oder mit anderen tauschen, und ZüchterInnen können mit dem patentierten Saatgut nur noch sehr eingeschränkt weiterarbeiten.

In den letzten Jahren hat das europäische Patentamt im Interesse der multinationalen Konzerne die Patentierbarkeit immer stärker ausgeweitet und die bestehenden Verbote von Patenten auf Pflanzensorten und biologische Prozesse immer weiter ausgehöhlt. Unsere Ernährungssicherheit liegt zunehmend in den Händen einiger weniger transnationaler Chemie- und Biotechnologie-Konzerne.

Bereits heute finden sich zahlreiche Bespiele dafür, wie Pflanzen und Tiere in sogenannte Erfindungen der Industrie verwandelt werden: Triviale technische Schritte wie die Analyse der natürlichen genetischen Anlagen, die Messung von Inhaltsstoffen (wie Öl oder Eiweisse), die Kreuzung traditioneller Sorten mit Hochleistungssorten oder auch die einfache Beschreibung von bestimmten pflanzlichen Merkmalen können dazu führen, dass Pflanzen als „Erfindungen“ patentiert und monopolisiert werden.

Viele der Patente basieren auf Biopiraterie und beuten die biologische Vielfalt der Länder des Südens aus. Auch Eigenschaften alter Sorten aus Schweizer Sammlungen können von Patentanträgen betroffen sein. Durch diese Patente wird die Verwendung dieser Sorten für die weitere Züchtung eingeschränkt. Der bisher freie Zugang für die Weiterzucht ist verloren.

In den meisten Fällen umfassen die Patente die gesamte Kette der Nahrungsmittelerzeugung, von der Züchtung bis zum Lebensmittel. Die Patente betreffen alle Arten von Pflanzen: Gemüse wie Tomaten, Brokkoli, Paprika, Salat genauso wie Soja, Mais und Weizen. Die Patente erstrecken sich auch auf die Ernte, die Früchte oder verarbeitete Lebensmittel wie Bier und Brot. Diese Patente sind nichts anderes als ein Missbrauch des Patentrechts, das sich nur auf echte Erfindungen und nicht auf Entdeckungen und die Nutzung natürlicher Ressourcen erstrecken sollte. Dieser Missbrauch des Patentrechts erlaubt es Konzernen vielmehr, die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung zu übernehmen.

Es gibt bestimmte Interessengruppen, die massive Vorteile aus diesen Patenten ziehen: Konzerne wie Monsanto, Syngenta und Dupont melden mehr und mehr Patente auf Saatgut an. Daneben verdienen aber auch andere Institutionen und Personen an diesem Geschäft mit Patenten: Dies sind insbesondere Patentanwälte, Beratungsfirmen und nicht zu-letzt das Europäische Patentamt selbst. Das EPA, ist nicht Teil der EU und keiner unabhängigen Rechtstaatlichkeit un-terstellt. Es finanziert sich über Patentverfahren und sieht sich mehr oder weniger als Dienstleister der Industrie. Diese speziellen Interessengruppen treiben die Entwicklung eines Patentrechts voran, das nicht im Interesse der Gesellschaft sein kann.

Gemeinsam mit der internationalen Koalition «Keine Patente auf Saatgut!» starten die Erklärung von Bern, Swissaid und ProSpecieRara eine Unterschriftenaktion gegen Patente auf Pflanzen und Tiere. Auslöser ist ein Grundsatzentscheid des Europäischen Patentamtes zu Gunsten von Syngenta, Monsanto und Co. Dieser hat eine Lawine von Patenten auf konventionelle Züchtungen zur Folge die, in Kürze erteilt werden sollen. Die Petition fordert die politische Verhinderung solcher Patente.

EvB