Arbeitskampf bei Amazon Make Amazon Pay!

Wirtschaft

Am 21. November startete die Aktionswoche rund um den Black Friday im Rahmen der „Make Amazon Pay!“-Kampagne.

Buchladen von Amazon in Seattle, USA.
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Buchladen von Amazon in Seattle, USA. Foto: SounderBruce (CC BY-SA 2.0 cropped)

24. November 2017
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Erstmals greifen in Deutschland autonome Gruppen den Arbeitskampf bei Amazon auf und solidarisieren sich durch Aktionen in Berlin und Leipzig sowie eigene Öffentlichkeitsarbeit. Die Gewerkschaft ver.di kündigt schon jetzt Streiks für das Vorweihnachtsgeschäft an. Grund genug, sich den Black Friday, Amazon und die Arbeitskämpfe dort genauer anzusehen.

Black Friday

Eigentlich ist Freitag, der 24. November 2017 kein besonderes Datum. Es jähren sich grosse Meilensteine der Menschheitsgeschichte wie die Patentierung des Stacheldrahtes, die Ernennung Walter Ulbrichts zum ersten Stellvertreter des Ministerrates der DDR und die Eröffnung der ersten Media Markt Filiale. Grössere Bedeutung hat der Tag in den USA. Da Thanksgiving, der vierte Donnerstag im November, ein gesetzlicher Feiertag ist, nutzen viele Amerikaner*innen den folgenden Freitag als Brückentag und erledigen erste Weihnachtseinkäufe. Das Kapital im amerikanischen Einzelhandel verspricht sich von dieser Dynamik grosse Umsätze und wirkt mit längeren Öffnungszeiten, Preisnachlässen und grossen Werbeaktionen verstärkend darauf ein. So liefern sich Einzelhändler in den USA regelrechte Rabattschlachten am sogenannten Black Friday. Seit 2005 wird an diesem Tag der höchste Umsatz des Jahres erzielt. Der Name Black Friday soll aussagen, dass ab diesem Tag, aufgrund der grossen Umsätze, der Einzelhandel „schwarze Zahlen“ schreibt, also bis zum Ende des Jahres und vor allem durchs Weihnachtsgeschäft Gewinne erwirtschaftet.

Der Andrang auf viele Geschäfte ist besonders in den frühen Morgenstunden gross. Wenn die ersten Läden ihre Türen öffnen, spielen sich im Gedränge oft dramatische Szenen ab. Beispielhaft dafür ist das Schicksal des Wal-Mart Angestellten Jdimytai Damour, der während seiner Schicht von einer Menschenmenge im Kaufrausch niedergetrampelt wurde und starb; für 50% Preisnachlass auf einen Toaster. Seit 2006 sind am Black Friday 10 Menschen getötet worden, 105 verletzt.

Weniger lebensbedrohlich aber immer wichtiger: Der Onlinehandel

Mit zunehmender Bedeutung des Onlinehandels spielt auch der Black Friday im Internet eine wachsende Rolle. Dem Montag nach Thanksgiving wird vom Onlinehandel analog zum Black Friday das Label Cyber Monday verpasst, um noch mehr Menschen durch Rabatt- und Werbeaktionen zum Geldausgeben zu bewegen. Zu den wichtigsten, stärksten und einflussreichsten Onlinehändlern gehört Amazon.

Die Amazon.com, Inc. gehört zu den grössten Internetkonzernen der Welt, der Unternehmensgründer Jeffrey Bezos gilt mit einem geschätzten Vermögen von 90 Mrd. Dollar als einer der reichsten Menschen der Welt. Für das Jahr 2016 gibt Amazon einen Umsatz von 137 Mrd. Dollar an. Der besteht nicht nur aus den Einnahmen durch Handel, sondern auch aus Werbeeinnahmen, Provision, die von den Händlern gezahlt wird, die auf Amazon ihre Waren anbieten, Amazon-Prime Mitgliedsbeiträgen, dem Vertrieb von Kindle und Alexa, etc.

Das Kerngeschäft macht der klassische Internethandel aus. Amazon kauft Waren vom Hersteller und bietet diese im Internet zum Kauf an. Der in diesem Bereich erzielte Umsatz belief sich 2016 auf 91,4 Milliarden Dollar, über die Hälfte des Gesamtumsatzes also. Aufgrund seiner grossen Bekanntheit ist Amazon ausserdem als Marktplatz (Amazon Marketplace) für externe Händler interessant. Deren Umsatz wird von Amazon nicht angegeben. Lediglich die von Amazon kassierten Verkaufsprovisionen in einer Gesamthöhe von etwa 23 Milliarden Dollar gehen als zweitgrösster Posten in den Konzernumsatz ein. Deutschland ist der zweitgrösste Markt Amazons und dementsprechend wichtig.

Zu den Besonderheiten des Onlinehandels gehören sogenannte Netzwerkeffekte. Das vermeintlich egalitäre Internet liefert die perfekten Bedingungen für die Herausbildung von Monopolen. Besonders deutlich wird das bei sozialen Medien wie Facebook oder Twitter, die sich eben nur dann wirklich zu benutzen lohnen, wenn auch „alle anderen“ dort sind. Daraus ergibt sich eine Machtposition der jeweiligen Anbieter und erschwerte Bedingungen für neue Konkurrenten. Der Netzwerkeffekt führt dazu, dass Amazon mit steigender Anzahl der Nutzer*innen umso interessanter für externe Händler wird. So hat Amazon die Macht, in grösserem Umfang die Bedingungen zu diktieren, unter denen sie ihre Waren dort verkaufen dürfen.

Auf seiner Vormachtstellung ausruhen kann sich Amazon allerdings nicht. Internetkonzerne sind immer wieder gezwungen, ihre Position zu verteidigen und zu erneuern. Ihnen wird abverlangt, auf neue technische, soziale sowie ökonomische Entwicklungen möglichst schnell durch kommerzielle Angebote zu antworten. Auch mächtige Unternehmen, die die Brisanz neuer Entwicklungen verschlafen, können innerhalb kürzester Zeit untergehen. Ausdruck dieser Dynamik ist die Entwicklung von Amazon in viele Richtungen. Zum Repertoire gehört mittlerweile neben dem klassischen Onlinehandel auch eine eigene Musik- und Video-Plattform, ein eigener Bezahldienst, Amazon Prime oder der Versand von frischen Lebensmitteln über das Internet. Vor etwa einem Jahr wurden Pläne des Konzerns bekannt, die fliegende Zeppelin-Warenhäuser und Pakete ausliefernde Drohnenschwärme beinhalten. Ebenfalls in der Testphase befindet sich ein eigenes Supermarktmodel. Die hoch technisierten Amazon Go-Supermärkte funktionieren ganz ohne Kassierer*innen, Bargeld und protokollieren alle Einkäufe in der dazugehörigen App.

Amazon ist aufgrund des eigenen Kapitals nicht nur in der Lage auf Entwicklungen zu reagieren, sondern treibt sie auf Gebieten, die lukrativ erscheinen, mit hoher Geschwindigkeit voran. So auch in der Rationalisierung von Arbeitsschritten und dem Einsatz von Lagerrobotern, wie beispielsweise am niedersächsischen Standort in Winsen.

Die Notwendigkeit, immer mehr billige Arbeitskraft während bestimmter Zeiträume mit besonders vielen Bestellungen in die Logistikzentren zu bekommen, hat in den USA bereits enorme Auswirkungen. Seit 2008 spricht Amazon gezielt Menschen an, die im Wohnwagen durchs ganze Land von befristeter Beschäftigung zu befristeter Beschäftigung ziehen. Diese sogenannte CamperForce besteht grösstenteils aus verarmten Renter*innen und entspricht genau der Vorstellung ultra-flexibler Arbeitskraft. Sie kommt, wenn sie gebraucht wird und verschwindet kurz vor Weihnachten wieder in grossen Kolonnen.

Arbeitskampf bei Amazon

Der Arbeitskampf bei Amazon in Deutschland hat eine längere Geschichte, die bisher nicht von grossen Erfolgen gekrönt ist. Seit vier Jahren versucht ver.di vergeblich einen Tarifvertrag mit Amazon auszuhandeln. Als Reaktion auf die ersten Streiks im Frühjahr 2013 wurden zunächst neue Leiharbeiter*innen eingestellt, um die Streikenden zu ersetzen. Später wurden die Bestellungen einfach in zum Teil neu eröffneten Verteilzentren in Polen und Tschechien bearbeitet und von dort nach Deutschland geschickt, wenn gestreikt wurde. Kündigt die Gewerkschaft einen geplanten Streik vorher an, fällt es dem Management sogar noch leichter, die Aufträge an andere Verteilzentren umzuleiten.

Druck lässt sich so nicht wirklich aufbauen und bis heute war Amazon nicht mal zu Gesprächen über einen Tarifvertrag bereit. Grundlage der Uneinigkeit ist dabei die Frage, ob die Angestellten bei Amazon entsprechend den Löhnen im Einzelhandel oder in der Logistik-Branche bezahlt werden. Ver.di fordert eine Entlohnung wie im Einzelhandel, nach Tarifvertrag. Amazon hält an einer Entlohnung wie in der Logistik-Branche fest, für die Arbeiter*innen zu wenig. Hinzu kommt ein Gefühl der Bevormundung und Geringschätzung von dem Beschäftigte immer wieder sprechen. Als Argument gegen den Tarifvertrag führt Amazon die eigene Flexibilität ins Feld, die auch von den Arbeiter*innen erwartet wird. Ver.di sei von der Tendenz her eher „beharrend“, das passe nicht zu Amazon, hiess es in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Make Amazon Pay!

Genau hier setzt die Kampagne „Make Amazon Pay!“ an und versucht eher autonome Aktionsformen mit klassisch gewerkschaftlich organisiertem Arbeitskampf zu verbinden. Ziel ist es, die europaweiten Streiks rund um den Black Friday durch Blockaden und Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen.

Bereits Montag versperrten Aktivist*innen die Kölner Agentur für Arbeit, um auf die Leiharbeit bei Amazon während des Weihnachtsgeschäfts aufmerksam zu machen. In einer Erklärung dazu heisst es, gängige Praxis sei es, dass Saisonarbeiter*innen aus krisengebeutelten Regionen Europas von ausländischen Leiharbeitsfirmen zu den Logistikzentren gekarrt werden. Bis zur Etablierung der CamperForce war dies auch in den USA die bevorzugte Form, an billige Arbeitskraft zu kommen.

Was den Arbeiter*innen bei Amazon in dieser Situation tatsächlich helfen kann, ist ein gesellschaftliches Klima, das sie zum Arbeitskampf ermutigt. Gleichzeitig, das betont auch die „Make Amazon Pay!“-Kampagne, kann nur breite und internationale Vernetzung der Kämpfe zum Erfolg führen, da sonst die Belegschaften einfach gegeneinander ausgespielt werden. Oder durch Leiharbeiter*innen ersetzt.

Doch der Kampagne geht es um mehr als nur höhere Löhne für die Beschäftigten. Die Kritik an Amazon steht stellvertretend für die düstere Vorahnung, dass mit technischen Fortschritt nicht unbedingt die Arbeit leichter und die Bedingungen für die Arbeiter*innen besser werden. „Per Feedback-App sind Mitarbeiter*innen dazu angehalten, sich permanent gegenseitig zu bewerten und anonym beim Chef anzuschwärzen. Intrigen sind an der Tagesordnung. Das „schlechteste“ Mitglied eines Teams droht am Jahresende ersetzt zu werden“, heisst es dazu in der Kampagnenbroschüre.

Mit den geplanten Blockaden am Black Friday setzt das Bündnis auf Aktionsformen, die wohl auch die Polizei auf den Plan rufen werden. Der Plan, den reibungslosen Ablauf im Berliner Innenstadt-Verteilzentrum zu stören und die Auslieferung von Paketen zu behindern, könnte tatsächlich aufgehen. Amazon garantiert Berliner*innen eine Zustellung der dort lagernden Produkte des Alltagsgebrauchs innerhalb von zwei Stunden (für Prime-Kunden sogar innerhalb einer Stunde). „Eine in den engen Seitenstrassen angreifbare Garantie!“, spekuliert das Bündnis.

lcm