...und die Seife, das Marihuana und das Tropenholz Über das Blut in unseren Handys...

Wirtschaft

Unsere Handys finanzieren Konflikte. So behauptet es jedenfalls eine Vielzahl von Medienberichten. Doch der Zusammenhang ist nicht so einfach. Beispielsweise sind die in Handys, Laptops und anderen Elektrogeräten enthaltenen Rohstoffe nur eine Finanzierungsmöglichkeit von Rebellen und bewaffneten Gruppen.

Gold, Coltan, Zinn und andere Rohstoffe – sie stecken in Handys, Fernsehern, Elektroautos. Ein nicht unbedeutender Anteil dieser Rohstoffe stammt aus Kriegs- und Krisenregionen wie dem Kongo, aus Kolumbien und Myanmar.
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Gold, Coltan, Zinn und andere Rohstoffe – sie stecken in Handys, Fernsehern, Elektroautos. Ein nicht unbedeutender Anteil dieser Rohstoffe stammt aus Kriegs- und Krisenregionen wie dem Kongo, aus Kolumbien und Myanmar. Foto: Nicolas Nova (CC BY-NC 2.0 cropped)

28. Juni 2016
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Auch die derzeit in der EU diskutierten Lösungsansätze zur Überwindung des Problems „Konfliktmineralien“ sind nur ein Anfang. Falls richtig ausgestaltet, können sie einen Beitrag zur Überwindung von Kriegen und Konflikten leisten. Es bedarf allerdings zusätzlicher Anstrengungen, um den vielfältigen Konfliktursachen beizukommen und die weiteren Finanzquellen von bewaffneten Gruppen auszutrocknen.

Konfliktrohstoffe – eine Finanzquelle für bewaffnete Gruppen und Diktatoren

Gold, Coltan, Zinn und andere Rohstoffe – sie stecken in Handys, Fernsehern, Elektroautos. Ein nicht unbedeutender Anteil dieser Rohstoffe stammt aus Kriegs- und Krisenregionen wie dem Kongo, aus Kolumbien und Myanmar. In diesen Regionen finanzieren sich Rebellen auch (!) über den Abbau und Handel von Rohstoffen. Doch damit nicht genug: Auch Diktatoren finanzieren sich und ihr Militär über den Export von Rohstoffen.

So ist die DR Kongo ein bedeutender Exporteur von Coltan. Die Sicherheitskräfte des Landes, die derzeit mal wieder Proteste der Opposition gewaltsam niederschlagen, werden auch durch die Einnahmen aus den Rohstoffexporten finanziert. Ein weiteres Beispiel ist der Sudan. Seitdem das Land seine Ölvorkommen an den Südsudan verloren hat, ist das Gold der grösste Devisenbringer. Durch die Gold-Einnahmen finanziert der Diktator al-Baschir seine Gräueltaten gegen die eigene Bevölkerung.

Zusätzlich werden beim Abbau von Rohstoffen oft Menschenrechte und Umweltstandards verletzt. Wenn Unternehmen beispielsweise Minen eröffnen oder vergrössern, werden Menschen häufig ohne Entschädigung gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. Auch verschmutzen die Minenbetreiber häufig die Luft und das Grundwasser und zerstören dadurch die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung.

Die UN schätzt, dass ein Drittel aller Menschenrechtsverletzungen weltweit im extraktiven Sektor, d.h. beim Abbau von Mineralien, begangen werden. Jedes Mal, wenn wir ein neues Smartphone kaufen, laufen wir also Gefahr, nicht nur Rebellen, sondern auch Diktatoren finanziell zu unterstützen. Ebenso nehmen wir beim Kauf eines jeden Elektroartikels Menschenrechtsverletzungen auf lokaler Ebene in Kauf.

Lösungsansätze: Streit um freiwillige oder verpflichtende Gesetzgebung

Es gibt Bemühungen, die Menschenrechtsverletzungen im Rohstoffabbau zu bekämpfen und dazu beizutragen, dass Rohstoffe nicht mehr als Finanzierungsmöglichkeit von Rebellen und bewaffneten Gruppen dienen. In den USA sind börsennotierte Unternehmen schon seit sechs Jahren dazu verpflichtet, offenzulegen, inwiefern ihre Produkte Konfliktmineralien (1) enthalten – so schreibt es der sogenannte Dodd-Frank Act vor. Dabei müssen die Unternehmen auch darüber berichten, ob Vorprodukte von Zulieferbetrieben Konfliktmineralien enthalten (2).

Die EU hinkt hinter dieser US-Gesetzgebung hinterher. Die einzelnen Mitgliedsstaaten haben sich bis heute nicht auf ähnliche Bestimmungen einigen können. Zwar hat das EU-Parlament einen umfangreichen Vorschlag vorgelegt. Er würde sowohl Raffinerien und Schmelzhütten, aber auch die verarbeitende Industrie und die Hersteller von Endprodukten dazu verpflichten, die Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten zu überwachen. Sie müssten überprüfen, ob die von ihnen genutzten Rohstoffe zur Finanzierung von Konflikten beitragen und ob an den Minen die Menschenrechte gewahrt werden. Insgesamt wären mehr als 800.000 europäische Unternehmen zur Berichterstattung über ihre Lieferketten gezwungen. Anders als die US-Gesetzgebung beschränkt sich die Vorlage des EU-Parlaments nicht auf die zentralafrikanische Region.

Die vorgeschlagene Pflicht zur Berichterstattung beinhaltet keine Produktionsstandards wie sie beispielsweise vom Bio- oder Fairtrade-Siegel bei anderen Produkten bekannt sind. Allerdings würde der Vorschlag des EU-Parlaments Transparenz schaffen und somit eine gewisse Nachvollziehbarkeit über die Herkunft der Mineralien gewähren. Menschenrechtsorganisationen könnten Druck auf nicht-konfliktfreie Unternehmen aufbauen und sie damit zu mehr Engagement für den konfliktfreien Einkauf ihrer Rohstoffe drängen.

Allerdings hat auch die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreitet. Dieser sieht lediglich eine freiwillige Teilnahme der Industrie vor. Lediglich circa 400 Schmelzhütten und Raffinerien wären dazu verpflichtet, die konfliktfreie Herkunft ihrer Rohstoffe zu kontrollieren. Hersteller von Handys, Laptops, Elektroautos und anderen Konsumgütern wären vom Vorschlag der EU-Kommission nicht betroffen. Ebenso wie die Händler dieser Güter müssten sie nicht überwachen, ob ihre Produkte konfliktfrei produziert wurden.

Die Vorgabe der EU-Kommission wird vor allem wegen ihres unverbindlichen Charakters kritisiert. So berichtet Global Witness, dass es schon eine Vielzahl von freiwilligen Richtlinien gibt, die jedoch von der Mehrzahl der Unternehmen ignoriert werden und dementsprechend unwirksam sind.

Das Problem besteht darin, dass weder das gewählte EU-Parlament, noch die EU-Kommission ihre Vorschläge ohne Zustimmung des jeweils anderen Gremiums zu Gesetzen machen können. Ein derzeit stattfindender Trilog zwischen Kommission, Parlament und EU-Rat scheint ebenso blockiert zu sein. Derzeit ist also unklar, wie eine EU-Verordnung zu Konfliktrohstoffen aussehen wird und wann diese beschlossen wird.

Und solange es keine EU-weite Regelung gibt, werden auch die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten keine Eigeninitiative zeigen. Deutschland spricht sich auf EU-Ebene zwar für eine verpflichtende Lösung aus. Als die Opposition im vergangenen Jahr jedoch Berichtspflichten für Rohstoffimporteure vorschlug, lehnte die grosse Koalition diesen Antrag ab. Wahrscheinlich setzt die grosse Koalition auf eine EU-weite Regelung, da sie befürchtet, den deutschen Rohstoffimporteuren würden sonst Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren europäischen Konkurrenten drohen.

Oft übersehen: Strohmänner, weitere Geldquellen von Rebellen, weitere Problemursachen

Allerdings wäre auch eine verpflichtende EU-Verordnung kein Allheilmittel zur Überwindung aller Probleme im Rohstoffsektor. Zunächst geht es in den gewaltsamen Konflikten in der DR Kongo, in Myanmar oder Kolumbien nicht vorrangig um Rohstoffe. Viel häufiger sind es Konflikte um den Zugang zu Macht, Einfluss oder zu Land. Die Rohstoffe, die in Europa gerne in den Mittelpunkt gestellt werden, sind für die Kriegsteilnehmer und Rebellen oftmals nur ein Mittel zur Finanzierung ihrer Konflikte.

Zudem verfügen Rebellen und bewaffnete Gruppen oftmals über eine Vielzahl weiterer Finanzquellen. In der Kriegsökonomie des Ostkongos beispielsweise haben sich viele bewaffnete Gruppen auf den Handel mit Holzkohle, Marihuana, Palmöl, Seife oder anderen Konsumgütern umgestellt – wie Akteure aus der kongolesischen Zivilgesellschaft und kongolesische WissenschaftlerInnen betonen.

Kontrollmassnahmen wie sie der Dodd-Frank Act oder die zukünftige EU-Verordnung vorsehen, werden häufig durch Strohmänner umgangen. Rebellen im Ostkongo überlassen die Minen Zivilisten, die jedoch die Gewinne aus dem Minen-Betrieb an eben jene Rebellen zurücküberweisen. Ebenso erpressen Rebellen Schutzzölle auf Transportwegen. Wie die EU und die USA diesem „Geschäftssinn“ der Rebellen beikommen wollen, steht in Frage.

Zu guter Letzt umfasst eine EU-Verordnung zu Konfliktmineralien auch nicht die Diktatoren, die über den Export von Rohstoffen ihr Militär und ihre Polizeikräfte ausrüsten. Hier bräuchte es andere Mittel, um gewaltsamen Regimen die Finanzierung zu entziehen. Wie die Zusammenarbeit im Flüchtlingsbereich jedoch aufzeigt, hat die EU gar kein Interesse daran, solche gewaltsamen Diktatoren zu bekämpfen.

Die Konflikte in der DR Kongo, Kolumbien und anderen Staaten werden also nicht durch eine EU-Verordnung beendet, da es den Kriegsteilnehmern nicht um die Rohstoffe geht. Auch wird die Finanzierung von Konflikten durch eine EU-Verordnung höchstens erschwert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Rebellen und vor allem Diktatoren andere Finanzierungsquellen finden, um ihre Gräueltaten zu finanzieren.

Weitere Initiativen notwendig

Eine verpflichtende EU-Verordnung zu Konfliktrohstoffen ist dennoch ein guter Anfang. Auf einer solchen Initiative lässt sich aufbauen, um eine fairere und konfliktfreie Produktion zu schaffen. Sie schafft ein Bewusstsein für die Probleme in globalen Wertschöpfungsketten. Eine genaue Kontrolle der EU-Verordnung könnte dafür garantieren, dass Schlupflöcher geschlossen werden. Weitere Initiativen wie der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte müssten allerdings zusätzlich dafür garantieren, dass auch die Finanzquellen von Diktatoren und Despoten ausgetrocknet werden und sie ihre Menschenrechtsverletzungen nicht durch den Export von Rohstoffen finanzieren.

Halbherzige Einigung auf EU-Ebene

In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni kam es zu einer Einigung zwischen der EU-Kommission, dem EU-Parlament und dem EU-Rat. Der Kompromiss zur EU-Verordnung zur Eindämmung des Handels mit Konfliktrohstoffen und somit der Eindämmung der Konfliktfinanzierung, sieht folgendermassen aus:
  • Nur die Importeure von Rohstoffen, d.h. Schmelzhütten und Raffinerien, werden gesetzlich verpflichtet, über die Herkunft der von ihnen benutzten Rohstoffe zu berichten. Der Grossteil der europäischen Unternehmen, die verarbeitende Industrie und die Händler von Endprodukten, werden nicht verpflichtet, sondern dazu aufgefordert, ihre Lieferketten freiwillig transparenter zu machen.
  • Die EU-Verordnung erkennt nur Gold, Zinn, Coltan und Wolfram als Konfliktrohstoffe an. Weitere Rohstoffe, die zur Finanzierung von Konflikten beitragen, wie beispielsweise Lapislazuli, von dem in Afghanistan sogar die Taliban profitieren, werden nicht als Konfliktrohstoffe definiert.
  • Laut einem Bericht von reuters wird es bei der Berichterstattung über die Konflikthaftigkeit von Gold, Zinn, Coltan und Wolfram keine geographischen Einschränkungen bezüglich der Quellen geben. Hier geht die EU-Verordnung also weiter als ihr US-amerikanischer Gegenpart, der Dodd-Frank Act. Letzterer definiert nur Importe aus der DR Kongo und ihren Nachbarstaaten als Konfliktrohstoffe.

Zivilgesellschaft kritisiert Verordnung – Überprüfungsklausel als Lichtblick

Die europäische Zivilgesellschaft sieht die Verordnung bestenfalls als ersten Schritt in die richtige Richtung. Sie kritisiert den Inhalt allerdings auch als nur „halbherzigen Versuch“ zur Eindämmung des Handels mit Konfliktmineralien. Diese Kritik ist durchaus angebracht. Denn eine verpflichtende Verordnung auch für die verarbeitende Industrie hätte nicht nur einige hundert Importeure, sondern 800.000 Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet.

Ausserdem betont Amnesty International erneut, dass es schon freiwillige Standards zur Überwachung der Lieferketten und zur Berichterstattung über mögliche Konfliktmineralien innerhalb der Lieferkette gibt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich viel zu wenige Unternehmen an freiwilligen Standards beteiligen.

Interessanterweise enthält die Einigung jedoch eine Überprüfungsklausel. Die EU-Kommission ist binnen zwei Jahren dazu verpflichtet, dass EU-Parlament über die Wirksamkeit der Verordnung zu unterrichten. Sollte sie in den Konfliktregionen keine Verbesserungen herbeiführen und sollten die Unternehmen ihre Lieferketten weiterhin intransparent halten, kann die EU-Kommission auch verpflichtende Massnahmen für die verarbeitende Industrie „vorschlagen“. Zwar ist die Formulierung („kann vorschlagen“) wachsweich. Allerdings lässt sie Spielraum und setzt zivilgesellschaftlichem Engagement ein klares Zieldatum.

Nico Beckert
zebralogs.wordpress.com