Biotechnologie und Finanzsystem Corona als enwickelter Stamokap

Wirtschaft

„Aufgrund der im Ersten Weltkrieg in Deutschland zu beobachtenden Interessenverstrickung zwischen Staat und Wirtschaft sieht Lenin in seiner 1917 erschienenen Schrift "Staat und Revolution" das Wesen des Stamokap in der totalen Verschmelzung der Monopolmacht der Wirtschaft mit der Regierungsmacht zu einem sich wechselseitig bedingenden einheitlichen Machtkomplex.“[1]

Impfstoff von Pfizer
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Impfstoff von Pfizer Foto: Claude Truong-Ngoc - Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0 cropped)

15. Juni 2021
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(1) Dass das Finanzkapital das entwickelte kapitalistisch verfasste Wirtschaftssystem dominiert, ökonomische Monopolisierungs- und politisch-militärische Expansionsprozesse fördert, weiss man schon länger als hundert Jahre - etwa seit John A. Hobson: Der Imperialismus (1902), Rudolf Hilferding: Das Finanzkapital (1910) oder Wladimir I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (1917).

Dieser Einfluss des Finanzkapitals auf die Realwirtschaft erfolgte zunächst über Banken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Einfluss der Banken und Versicherungen durch den der Investitionsagenten (Fonds, Vermögensgesellschaften), die gegenwärtig die Aktienmärkte beherrschen, ergänzt. Es bildete sich ein Finanzmarkt-Kapitalismus (Paul Windolf, 2005) und eine Finanzoligarchie (Albrecht, 2020) heraus. Damit ging einher, dass die Produktion nicht mehr (nur oder allein) auf den zeitlich festgelegten Zinssatz des vorgeschossenen (fiktiven) Kapitals der Banken ausgerichtet wurde; sondern auf das Anlageverhalten zur Profitmaximierung und Renditensicherung der Investmentbanken und -fonds. Da Investitionen dieser Institutionen in die Realwirtschaft kurzfristiger erfolgen können, wird das Wirtschaftssystem schnelleren Entscheidungen ausgesetzt, damit auch verletzbarer.

Ebenfalls bekannt ist, dass unter den Akteuren des Finanzmarktkapitals, zwischen seinen Märkten (Aktiengesellschaften, Banken, Versicherungen, Investmentfonds, Ratingagenturen sowie Vermögensverwaltungen) und dem Staat sowohl enge Verflechtung als auch Konkurrenz herrscht. Dies ergibt sich aus dem ökonomischen Zwang zur unternehmensbezogenen Profitrealisierung. Er nötigt auch zu immer stärker werdenden machtpolitischen Einfluss von Industrie- und Finanzkonzernen mittels Lobbyismus (wie auch schon Jahrzehnte bekannt in seiner institutionalisiertenForm z.B. über Conseil on Foreign Relation [1921], Atlantikbrücke [1952], Bilderberg-Konferenz [1954], World Economic Forum [1971], Trilaterale Kommission [1973], Group of Thirty [1978]) auf Staat und Gesellschaft. Der Staat wird vom gesamtgesellschaftlichen Interessenvermittler und Agent fürs Kapital zu einem ökonomischen und polit-sozialen integralen Bestandteil des Kapitals selbst: Die Herrschaft des Staatsmonopolistischen Kapitalismus (STAMOKAP) bildet und etabliert sich.

Seit den 1980er Jahren, nachdem es schon in den 1970ern mit der Aufhebung der Goldbindung des US-Dollars, der keynesianistischen Staatsverschuldungspolitik zur Überwindung zyklischer Wirtschaftskrisen und der Ablösung des politischen Kolonialismus durch den wirtschaftlichen gekommen war, gelang es dem Finanzkapital ausgehend vom anglo-amerikanischen Raum (Thatcherismus 1979-1990; Reaganomics 1981-1993), mehr und mehr das Staatshandeln kaum verdeckt zu korrumpieren, um staatliche oder gemeinwirtschaftliche Tätigkeitsfelder zu privatisieren und staatliche Regulierungen auszuhebeln. Dies war auch möglich wegen der zunehmenden Staatsverschuldung, die mit einer Abhängigkeit vom internationalen Finanzmarkt einhergeht.

Diese Ausweitung des Finanzmarktsektor und die Ausbildung zunehmend parasitärer Geschäftsfelder und Sektoren führte auch zu erhöhter Krisenanfälligkeit seit Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts: 1998: Zypernkrise, 2000: Dotcom-Blase, 2007/8: US-Hypothekenkrise und Weltfinanzkrise, 2009: Griechenlandkrise, 2011: Eurokrise, Herbst 2019: Einbruch des Repomarktes und März 2020: weltweiter Finanzeinbruch. Diese Krisen im Finanzsystem beinhalten das Potential eines Zusammenbruchs des gesamten Weltfinanz- und damit Weltwirtschaftssystems (Kaufmann/Muzzupappa, 2020[2]).

Auch gefährden sie die Macht der Herrschenden, wenn offensichtlich wird, dass die Rettung des Finanzsystems zu einer tiefgreifender Ausplünderung und Verarmung breiter Volksmassen führen muss. Denn die Regierungen der grossen Wirtschaftsräume hatten Schulden aufgenommen, um einen Grossteil der privaten „faulen“ Finanzanleihen zu garantieren und das Finanzsystem zu stützen. „So verdoppelten sich die weltweiten Staatsschulden zwischen 2007 und 2019 auf 70 Billionen US-Dollar. Staatliche und private Schulden addiert, erreichten 2019 den Rekord von 255 Billionen US-Dollar. Das entsprach über 320% der Weltwirtschatfsleistung. Und bedeutet: Die globale Wirtschaftsleistung war noch stärker durch Kredit vorfinanziert und dadurch aufrechterhalten worden.“ (Kaufmann/Muzzupappa, 2020)

Unter dem Deckmantel der Corona-Krise konnte nicht nur der Zusammenbruch des Finanzsystems; sondern auch seine Rettung mit Milliarden Steuergeldern versteckt werden. Allein die EU schüttete 2020 für ihre Mitgliedsländer 500 Mrd. Euro an Zuschüssen und 250 Mrd. Euro an Darlehen aus (Europäische Kommission: Eurostat/Statista), hinzu kommen allein für die BRD 2020 haushaltswirksame Massnahmen von 353,3 Mrd € und Garantien von 819,7 Mrd. €. (BMF) und eine Aussetzung der Schuldenbremse mit einer Schuldenüberschreitung im Bundeshaushalt von 164,2 Mrd. €. (BMF).

(2) Mit der Rettung des Finanzsystems soll zugleich aber auch der digital-finanzielle-Komplex gestärkt werden. Deshalb beinhalten die sog. Coronahilfen auch immer Förderung der Digitalisierung in jedweder Form. Dieser digital-finanzielle Komplex besteht aus (a) den Digitalgiganten Amazon, Google, Microsoft, Netflix, Apple, (b) den Wallstreet-Banken ergänzt um USB-Schweiz, Deutsche Bank und HSBC-Bank sowie (c) den grössten Vermögensverwaltungen Blackrock, Vaneguard u. a. Diese gelten jetzt schon jetzt durch die Politik der „Lockdowns“ als die Profiteure der Corona-Krise.

Einher mit der Krise ging und geht die Erschliessung von Geschäfts- und Profitfelder im Bereich neuer Technologien wie im Energiesektor, bei der weiteren Digitalisierung, innerhalb von Computer-, Multimedia- und Telekommunikation sowie von mathematisierter Wissenserschliessung und -vermarktung für Waren und Dienstleistungen. Hierzu gehört auch das Geschäftsfeld der Biotechnologie mit eigener Medizintechnik und (vorsorgenden) Gesundheitstechnologie.

Unter Biotechnologie versteht man die Form von marktbezogener Wissenschaft, die sich mit der Nutzung von Enzymen, Zellen und Kleinorganismen und deren technologischen Anwendung beschäftigt. Ziel sind Diagnosemethoden und Heilverfahren auf der Basis chemischer Verbindungen.

Moderne biotechnische Verfahren kommen im 20. Jahrhundert im Kontext der Chemieindustrie auf und umfassen mikrobielle und enzymische Umwandlung organischer Stoffe. Mit der Klärung von Struktur und Wirkungsweise der Desoxyribonukleinsäure (DNA) und den damit einhergehenden Möglichkeiten der Beeinflussung bis Veränderungen des Erbgutes startete 1990 das Humangenomprojekt mit dem Ergebnis der Entschlüsselung und Sequenzierung des menschlichen Genoms. Darauf baut Gentechnik, Gentherapie und Stammzellenforschung auf, mit deren Hilfe rekombiniert hergestellte Proteine der Pharmazie zugänglich gemacht wurden.

Das Marktvolumen dieser biotechnischen Unternehmen (Pflanzen-, Tier- und Menschenbereich) erreichte 1999 ein Nettovolumen von 10 Mrd. US-Dollar. Eine spezielle Untergruppe in der Biotechnologie stellt die sogenannte „Rote Biotechnologie“ mit ihren gentechnischen Anwendungsbereichen für den Menschen dar. In der sog. Coronakrise erlangte sie mit mRNA (messenger ribonucleic acid)-Impfstoffen besondere Bedeutung als einsträngige Säure mit genetischen Informationen.

(3) Im Zusammenhang mit der weltweiten Coronahysterie 2020/2021 wurde für die Arzneimittelindustrie und speziell für Impfstoffhersteller ein ungeheuer grosser Markt aufgeschlossen, zumal propagiert wurde, dass die gesamte Menschheit (B. Gates) und in Deutschland fast die gesamte Bevölkerung (A. Merkel) geimpft werden solle und auch müsse. Deshalb schätzt das Finanz- und Analyseunternehmen „Morningstar“ für 2021 ein zu erwartetes Umsatzvolumen von 67 Mrd. US-D für Covid-19-Impfstoffe (Der Umsatz der Rüstungsindustrie umfasste 2019 166 Mrd. US-D).

(4) Zwei dieser Biotech-Unternehmen sollen etwas näher betrachtet werden: BioNTech und CUREVAC.

Biontech (=Biopharmaceutical New Technologies) mit dem Ziel der Entwicklung von Medikamenten auf mRNA-Basis für die Krebstherapie wurde 2008 mit staatlicher Unterstützung gegründet. Vorausgegangen war die erfolgreiche Teilnahme der am Unternehmen beteiligten Forscher an der vom ganzdeutschen Bundesministeriums für Forschung und Technologie initiíerten Gründungsoffensive Biotechnologie 2005, um diesen Sektor nach dem Zusammenbruch des „Neuen Marktes“ Anfang der Nullerjahre wieder zu beleben. Unter den 58 zu fördernden Projekten befand sich auch eines zur Krebsbekämpfung der Medizinischen Klinik der Universität Mainz.

Im Zusammenhang mit diesem Projekt kam es zur Unternehmensgründung. An ihr beteiligt waren die die Onkologen Christoph Huber (*1944), Ugar Sahin (*1965), die Ärztin Özlem Türeci (1967) sowie als Kapitalgeber die Zwillingsbrüder Andreas und Thomas Strüngmann (*1950); diese stiegen mit 180 Mio US-Dollar ins Unternehmen ein. Die Strüngmann-Brüder kamen aus einem Elternhaus, das vormals die Generika-Firma Durachemie (1950) und 1986 die Generika-Firma HEXAL (Holzkirchen in Bayern) besass. Nach dem Verkauf dieser Firma 2005 an die Schweizer NOVATIS-Gruppe für 7,5 Mrd. US-Dollar stiegen die Brüder in die Exklusivgruppe der Welt-Milliardäre auf. 2003 gründeten sie die Stiftung „Frankfurt Institut for Advanced Studies“, ein public-private-partnership-Projekt mit der Universität Frankfurt, der Max-Planck-Gesellschaft etc. und eben BioNTech.

Nach der Gründungsphase 2008-2013, begann 2014-2018 die Zeit der Kommerzialisierung mit erweiterter Forschung, Patentanmeldungen und Publizierung; so dass 2019 der Börsengang an der Nasdaq als BNTX mit 150 Mio US-Dollar erfolgte. Es kam zu einer Kooperation mit J.P.Morgan, Merrill Lynch, UBS, SBB, so dass die Bewertung des Unternehmens rasch auf 3,1 Mrd. US-Dollar stieg. Ebenfalls 2019 fand eine Kooperation mit der Gates-Foundation statt.

Mit der Corona-Krise ging im März 2020 eine Zusammenarbeit mit Pfizer und Forsun Pharma (Shanghai) einher. Sie führte zur Entwicklung des Covid-19-Impfstoffes Tozinameran. Im September erhielt BioNTech-Pfizer von der BRD- Fördermittel in Höhe von 325 Mio. Euro und einen Kredit der Europäischen Zentralbank [EZB] (als von 19 Staaten der Europäischen Union [EU], der sogenannten Eurozone) von 100 Mio. Euro. Im Dezember 2020 erfolgte die vorläufige Zulassung des Impfstoffes, der zunächst überteuert zu 54,08 Euro je Impfdosis den Regierungen angeboten wurde.

Das Unternehmerkonsortium BioNTech plant bis 2023 in Singapur eine Produktionsanlage für mRNA-Impfstoffe und Therapeutika mit einer Kapazität von 100 Mio Impfdosen pro Jahr und einem Umsatz von 5 Mrd. US-Dollar. Auch die anderen Covid-Impfstoffentwickler erhöhen ihre Produktionskapazitäten - sei es durch neue eigene Produktionsstätten, sei es durch Zusammenarbeit mit fremden in- und ausländischen Herstellern von Impfstoffen und Arnzeimittel: die EU hat zu Jahresbeginn 2021 2,3 Mrd. Impfdosen bestellt, darunter 600 Mio bei BioNTech-Pfizer, 405 Mio bei Curevac, 400 Mio bei Astrazeneca und 400 Mio bei Johnson&Johnsen (so der der stern 1. 2. 2021); denn es gilt, etwa 80% der EU-Bevölkerung durchzuimpfen.

Das biopharmazeutische Unternehmen Curevac wurde 2000 aus einem akademischen Forschungsprojekt (Biologie, Chemie, Immunologie) der Universität Tübingen heraus gegründet von Günther Jung (*1937), Hans-Georg Rammensee (*1953), Igmar Hoerr (*1968), Florian von der Mülbe und Steve Pascolo (*1970) und von der Landesregierung Baden-Württemberg durch Bereitstellung von universitären Laborräumen und -materialien gefördert. 2003 wurde in Tübingen eine internationale Konferenz zu mRNA-Heilmethoden durchgeführt und das Biologiezentrum Tübingen mit 18 Mitarbeitern eingerichtet.

2006-2014 finanzierte Dietmar Hopp (*1940, Mitgründer der IT-Firma Systemanalyse und Programmentwicklung [SAP]) mit seiner „Dievini Hopp BionTech Holding“ Curevac zunächst mit 80 Mill. Euro; 2012 hielt Hopp 90% des 145 Mio Euro umfassenden Kapitals, im Februar 2015 engagierten sich auch die Bill und Melinda Gates Stiftung mit 46 Mio Euro und Böhringer Ingelheim mit 35 Mio Euro an diesem Unternehmen; 2016 kamen als weitere Investoren die L-Bank (Ba-Wü) und die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte mit 26,5 Mill. Euro hinzu, 2017 der US-Pharmakonzern Elly&Co mit 45 Mio und die EIB mit 75 Mio Euro. Allerdings scheiterte 2017 das Vorhaben der Entwicklung eines mRNA-Krebs-Impfstoffs.

Im Mai 2018 wurde der US-Manager Daniel B. Menichella Vorsitzender des Aufsichtsrates von CureVac. Im Februar 2019 wieder traf Cepi, die Impfallianz der Gates-Stiftung, eine Vereinarung in Höhe von 34 Mio US-Dollar mit Curevac über die Entwicklung von Impfstoffen. Mit der Corona-Krise sprudelte geradezu das Geld: zum Beispiel beteiligte sich im Juni 2020 die BRD über die KfW mit 300 Mio. Euro und erlangte einen 23% Anteil am Unternehmen, im Juli 2020 unterzeichneten Curevac und der britische Pharma-Konzern GlaxoSmithKlein einen Kooperationsvertrag über die Entwicklung von Impfstoffen auf mRNA-Basis über 150 Mio. Euro, im September 2020 erhielt das Unternehmen öffentliche Fördermittel in Höhe von 252 Mio Euro für die Entwicklung von Impfstoffen gegen Corona. Zuvor ging das Unternehmen im August an die US-Börse Nasdaq, wo es mit 2,3 Mrd. US-Dollar bewertet wurde. Aktien-Haupteigentümer sind „Dievini Hopp BioTech Holding“ mit 49,5%, KfW mit 17% und Glaxo mit 18,5%.

Diese beide Firmengeschichten verdeutlichen: Sie entwickelten sich als sogenannte start-ups erst als Grossinvestoren einen profitablen Markt zu erkennen glaubten, etwa um die Jahre 2018/19, der Staat sich mit Steuermitteln auch finanziell beteiligte und das Produkt, hier Impfungstoff, auch institutionell abgesichert werden konnte.

In einem Interview in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ 23. 2. 2021) erzählte der Curevac-Mitgründer Igmar Hoerr unter anderem, dass er und Florian von der Mülbe ursprünglich einen Masernimpfstoff entwickeln wollten, jedoch für diesen „Cent-Markt“ keine Investoren fanden: „Wir waren damals unterwegs Geld einzusammeln. Und wenn wir mit Impfstoffen für Infektionskrankheiten gekommen wären, hätte uns niemand Geld gegeben. Wir waren durch den Markt gezwungen.“ (SWR aktuell 11. 12. 2020) Deshalb orientierten sie sich auf einen Massenimpfstoff zur Tumortherapie.

2003 sei es zu einem Treffen mit Friedrich von Bohlen aus der Krupp-Familie, selbst ein Biotech-Gründer, gekommen. Zu diesem Treffen habe er den Schweizer Investmentbanker Chris Tanner mitgebracht. Nach der Präsentation ihres biotech-start-up habe von Bohlen gemeint: „Herr Hoerr, wenn das wirklich klappt, werden Sie einen Millionenmarkt haben. Ihre Firma wird eine Revolution auslösen.“ Deshalb investierte von Bohlen 2004 in Curevac und gewann auch Dietmar Hopp (SAP), der dabei war, selbst eine Biotech-Holding aufzubauen, als weiteren Financier.

Beide erkannten, dass langfristig gesehen mit mRNA-Methoden, die anregen könnten, jedes Protein im Körper zu produzieren, die „molekulare und digitale Transformation der Medizin“ (Business Insider 28. 10. 2020) eingeleitet und ein weltweiter neuer Markt erschlossen werden würde. Hopp wiederum stellte die Verbindung zu Bill Gates, den die Junggründer in Paris trafen und der sich 2015 an der Firma beteiligte, her. Auch zum TESLA-Chef Elon Musk bestehen Verbindungen im Zusammenhang mit dem Vorhaben, mRNA-Drucker für die individualisierte Krebstherapie herzustellen.

Angesichts dieser Marktaussichten intervenierten die deutschen Biotech-Unternehmen BioNTech und Curevac auch erfolgreich bei der Bundesregierung Merkel und der EU, um die Forderung der Biden-Administration, die Impfstoffpatente offen allen Staaten zur Verfügung zu stellen, zurückzuweisen. Von Bohlen erklärt: „Zum ersten Mal in der Biotech-Geschichte kommen zwei oder drei (erfolgreiche) Firmen nicht aus den USA. […] Wenn die Firmen alle Amerikaner wären, glaube ich nicht, dass sie [die US-Amerikaner] diesen Vorschlag gemacht hätten.“ (The Irish Times 19. 5. 2021)

Schliesslich wird die im Zusammenhang mit Corona geführte aggressive Impfstoffkampagne auch als Türöffner für weitere Geschäftsfelder betrachtet. So teilte von Bohlen im angeführten Interview mit, er habe mit „Molecular Health“ eine Datenbank gegründet, die auf „molekularer Ebene den biologischen Prozess im Körper analysiert und aufzeichnet, um Krankheiten an gezielte Medikamente anzugleichen“ (The Irish Times 19.5.2021).

(5) Am Beispiel der Biotech-Technologie lässt sich exemplarisch der sogenannte „wissenschaftlich-technische Transformationsprozess“ im STAMOKAP nachzeichnen. Hier geht es nicht allein um die Durchdringung des Staates durch Monopole und die damit einhergehende Unterordnung von Politik und Gesellschaft unter Monopolinteressen, sondern der Staat agiert eigenständig, um über Förderung von Innovationen den Gesamtprozess der Kapitalakkumulation in Gang zu halten. Dabei bildet sich folgendes Muster heraus: Staatliche Förderung von zumeist von Hochschulforschern gegründeten start-up-Unternehmen → Beteiligung privater Geldgeber → Einstieg verschiedener internationaler Investoren → Börsengang → Erschliessung neuer Märkte sowohl mithilfe massiven staatlichen Finanzförderung als auch in politischer Hinsicht → nationale Erprobungsphase → internationaler Konkurrenzkampf der Unternehmen und Staaten um neue Märkte. Und die makabre Ironie des Gesamtvorgangs: infolge der Staatsinitiative am Beginn dieses Prozesses erscheint es schlichten Gemütern als handelte es sich um sozialistische Massnahmen.

Über alle Description oder Prozessbeschreibungen hinaus lassen sich zwei Grundzüge als Muster analytisch erkennen: einmal handelt es sich um reale sozioökonomische und organisationssoziologische Entwicklungen im letzten Jahrzehnt der globalen Bipolarität, den 1980er Jahren, die den erheblich angestiegenen wirtschaftlichen und politischen Machtballungen[3] entsprechen; und zum anderen bildete sich in den 1980er Jahren im finanzkapitalistisch entwickelten Westen ein mehrstufiges Verfahren zum Investitionsprozess heraus (mit in Deutschland besonders wirksamen staatsinterventionistischen), das anfänglich in kleinen Einheiten, oft Projekten, und zunehmend als start up begann und schliesslich nach Übernahmen durch finanzstarke Gruppierungen zu global tätigen Unternehmen mit global finanzoligarchischer Dominanz führte.

(6) In diesem Kurzbeitrag wurde aufgezeigt, dass es sich bei der Erschliessung des Geschäftsfeldes Biotechnologie zusammen mit Medizin- und Gesundheitsvorsorgetechnik um ein langfristiges Projekt handelt, das viel Kapital, sei es aus öffentlichen Steuermitteln, sei es von Anlage suchenden Privatinvestoren aufsaugt. Vor allem Privatinvestoren erwarten Gewinn auf ihr vorgeschossenes Kapital. Und auch wenn das Finanzkapital wild spekuliert … Profite lassen sich letztlich nur in der Realwirtschaft erzielen. Und da das ursprüngliche Ziel von BioNTech und Curevac, ein Krebsmittel auf mRNA-Basis zu entwickeln, nicht erreicht wurde, es überhaupt offen bleibt, die Krebskrankheit ausrotten zu können, kam die sogenannte Corona-Pandemie mit seinem „dummen Virus“ (Hoerr) wie bestellt, um mit dem relativ einfach herzustellenden mRNA-Impfstoff gegen Covid 19 Renditeerwartungen zu erfüllen. Immerhin kostete eine Impfstoffdosis von Biontec 12 €, von Curevac 10 €, von Moderna 14,69 €, von AstraZeneca 1,78 € und von Johnsen&Johnsen 6,44 € (Business Insider 18. 12. 2020).

Wilma Ruth Albrecht

Fussnoten:

[1] Wirtschaftslexion 24. Ausgabe 2020; http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/stamokap/stamokap.htm

[2] Stefan Kaufmann; Antonella Muzzupappa, Crash Kurs Krise. Wie die Finanzmärkte funktionieren. Eine kritische Einführung. Berlin: Bertz+Fischer, 2020, 175 S.

[3] Immanuel Wallerstein et.al., Dynamics of Global Crisis. London: Macillan, 1982, 248 p.; James S. Coleman, The Asymmetrical Society. New York: Syracuse University Press, 1982, xii/191p.

Wilma Ruth Albrecht ist Sprach- und Sozialwissenschaftlerin (Dr.rer.soc., Lic.rer.reg.) mit Arbeitschwerpunkten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Sie veröffentlichte zuletzt Max Slevogt 1868-1932 (Hintergrund Verlag 2014), PFALZ & PFÄLZER. LeseBuch Pfälzer Volksaufstand 1849 (Verlag freiheitsbaum 2014) sowie ihr vierbändiges Werk ÜBER LEBEN. Roman des Kurzen Jahrhunderts (Verlag freiheitsbaum: Edition Spinoza 2016-2019). Der Beitrag schliesst an meine Aufsätze Finanzoligarchie (in: Sozialwissenschaftliche Literatur Rundschau 91/2020: 72-79) und Krisenhaft beschleunigter Epochenbruch? (in: soziologie heute 77/2021: 10-14). Korrespondenzadresse dr.w.ruth.albrecht@gmx.net ©Autorin (2021)