Dirty Diesel - Der Handel und das Geschäft Schweizer Rohstoffhändler fluten Afrika mit giftigem Treibstoff

Wirtschaft

Der von Public Eye publizierte Report „Dirty Diesel“ enthüllt, dass Schweizer Rohstoffkonzerne lasche afrikanische Standards gezielt ausnutzen um dort stark schwefelhaltige Treibstoffe zu verkaufen, die sie selber produzieren und liefern.

Schöne Hülle, doch was ist drin? Treibstofftank von Vopak in Rotterdam.
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Schöne Hülle, doch was ist drin? Treibstofftank von Vopak in Rotterdam. Foto: Alf van Beem (PD)

16. September 2016
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Diese sind in Europa längst verboten. Damit tragen die Firmen massgeblich zur rasant steigenden Luftverschmutzung in Afrikas Städten bei und gefährden die Gesundheit von Millionen von Menschen. In einer an Trafigura adressierten Petition fordern Public Eye und seine westafrikanischen Partner vom Genfer Rohstoffriesen weltweit künftig nur noch Treibstoffe zu verkaufen, die den europäischen Standards entsprechen.

Die auf dreijähriger Recherchearbeit basierende Studie „Dirty Diesel“ bringt erstmals Licht in die zentrale Rolle, die Schweizer Rohstoff-Firmen in Afrikas Treibstoffbranche spielen und zeigt das skandalöse Geschäftsmodell hinter einer Wertschöpfungskette, die sie als Produzenten, Lieferanten und teilweise auch als Tankstellenbetreiber vollständig kontrollieren. Besonders in Westafrika schlagen Vitol, Trafigura oder auch Addax & Oryx schamlos Profit aus schwachen staatlichen Regulierungen, wofür die urbane Bevölkerung dort mit ihrer Gesundheit zahlt.

In acht Ländern ging Public Eye selbst zur Zapfsäule. Mit schockierendem Ergebnis: Die analysierten Dieselproben weisen einen bis zu 378mal höheren Schwefelgehalt auf, als bei uns erlaubt ist. Zudem enthalten sie toxische Substanzen wie Benzol und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in Konzentrationen, die in Europa ebenfalls verboten sind.

Der 160 Seiten starke Report zeigt auch, dass die Handelskonzerne dreckigen Diesel und schmutziges Benzin nicht nur nach Westafrika transportieren und teilweise an eigenen Tankstellen vertreiben, sondern beides auch selber herstellen. An Land oder auf hoher See mischen sie Raffinerieprodukte und andere Komponenten zu einem petrochemischen Cocktail, der in der Branche „African Quality“ genannt wird. Produziert werden diese giftigen Treibstoffe hauptsächlich in der sogenannten ARA-Zone (Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen), wo die Schweizer Handelskonzerne über dafür die notwendige Infrastruktur aus Raffinerien und Tanklagern verfügen. Viele westafrikanische Länder, die hochwertiges Rohöl nach Europa exportieren, erhalten von dort also im Gegenzug toxische Treibstoffe zurück.

Herstellung und Verkauf dieser Produkte sind illegitim und verletzen das Recht der afrikanischen Bevölkerung auf Gesundheit. Gemäss einer kürzlich erschienenen UNO-Studie leiden die Menschen in den urbanen Zentren dieses Kontinents unter der weltweit am stärksten steigenden Luftverschmutzung. Die renommierte US-Organisation ICCT** wiederum schätzt, dass es im Jahr 2030 in Afrika drei Mal mehr durch verkehrsbedingte Feinstaubbelastung verursachte Todesfälle geben wird als in Europa, den USA und Japan zusammen.

Atemwegserkrankungen sind heute schon ein grosses Problem und Dieselabgase können Lungenkrebs verursachen. Zur Entschärfung dieser Zeitbombe müssen die Regierungen der betroffenen Länder gesetzlich striktere Standards verankern. Aber auch die Schweizer Rohstoff-Firmen müssen überall, wo sie tätig sind, die Menschenrechte respektieren – so wie es von den 2011 verabschiedeten UNO-Richtlinien für Wirtschaft und Menschenrechte eingefordert wird.

CEO Jeremy Weir schrieb im letzjährigen Nachhaltigkeitsbericht, dass Trafigura „anerkannter Branchenführer in Sachen Unternehmensverantwortung“ werden soll. Dazu will er seine Geschäftspraktiken künftig an den erwähnten UNO-Richtlinien ausrichten. Um den Rohstoffriesen an seine guten Vorsätze zu erinnern, schicken ihm Public Eye und seine westafrikanischen Partnerorganisationen Ende September einen mit Giftluft aus der ghanaischen Hauptstadt Accra gefüllten Container zurück nach Genf. Mit dieser symbolischen „Return to Sender“-Kampagne laden die NGOs Trafigura dazu ein, den Worten nun Taten folgen zu lassen und künftig weltweit nur noch Treibstoffe zu vertreiben, die dens europäischen Standards entsprechen.

PublicEye