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Privatisierung und TiSA

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Freihandelsabkommen Privatisierung und TiSA

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Wirtschaft

Eine Gruppe von rund 50 Staaten verhandelt seit 2012 hinter verschlossenen Türen ein neues Freihandelsabkommen. Mitglieder dieser Verhandlungen, welche im Geheimen stattfinden, sind neben der Schweiz die USA, die EU als Staatenbund, Kanada, Australien sowie weitere reiche Industrienationen, aber auch Länder aus dem Trikont wie Costa Rica, Pakistan, Peru und Panama.

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Foto: Stadtrundgang zu Privatisierung und TiSA

Datum 7. Juni 2016
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Eine Gruppe von rund 50 Staaten verhandelt seit 2012 hinter
verschlossenen Türen ein neues Freihandelsabkommen. Mitglieder
dieser Verhandlungen, welche im Geheimen stattfinden, sind neben der
Schweiz die USA, die EU als Staatenbund, Kanada, Australien sowie
weitere reiche Industrienationen, aber auch Länder aus dem Trikont
wie Costa Rica, Pakistan, Peru und Panama. Das Freihandelsabkommen
trägt den Namen Trade in Services Agreement – kurz TiSA, zu Deutsch
Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen.

Es geht bei TiSA
darum, dass Dienstleistungen – insbesondere Leistungen des
öffentlichen Sektors, des „service public“ – dem globalen Markt
geöffnet (d.h. privatisiert) werden sollen und somit für das
internationale Kapital verwertbar gemacht werden sollen. Da die
Verhandlungen geheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt
werden, ist lediglich geleaktes Material dazu verfügbar. Dieses gibt
allerdings mehr als genug Anlass zur Sorge. Im Folgenden werden die
bekannten Kernpunkte von TiSA kurz umrissen, um einen Einblick in
die Absichten der Verhandlungsstaaten zu geben.

Was ist TiSA

Das Prinzip der Inländerbehandlung besagt, dass ein Staat
ausländische Anbieter einer Dienstleistung gleich behandeln muss wie
inländische. Inländische Firmen dürfen auf keine Weise bevorzugt
werden. Dies ist besonders schwerwiegend für Entwicklungsländer,
deren Firmen nicht mit multinationalen Konzernen aus dem Ausland
konkurrieren können und entsprechend Mühe haben werden, einen
eigenen Dienstleistungssektor aufzubauen.
Das Prinzip der Negativ-Liste besagt, dass jeder Vetragsstaat eine Liste
mit den Dienstleistungen erstellen muss, die er von den TiSA-

Richtlinien herausnehmen will. Alle Dienstleistungen, die nicht auf dieser
Liste stehen, werden automatisch unter TiSA fallen; d.h. für jede
Dienstleistung die auf der Liste fehlt gilt zwingend Marktöffnung. Bis
anhin war bei vergleichbaren Freihandelsabkommen die Positiv-Liste
gängige Praxis, bei der nur die zu liberalisierenden Dienstleistungen auf
die Liste genommen wurden. z.B.: Aufgrund eines Fehlers wird ein Teil
des Zugverkehrs bei der Schweiz nicht mit auf die Liste genommen.
Dieser Teil des Zugverkehrs wird privatisiert.
Die Stillstandklausel besagt, dass die Regulierungsdichte bei
Unterzeichnung des Abkommens nicht mehr erhöht werden darf.
Soziale, gesundheitliche oder ökologische Standards und Vorschriften
würden „eingefroren“: sie dürften nach Abschluss von Tisa nicht mehr
verschärft werden. z.B. Ein gesetzlicher Mindestlohn könnte nicht mehr
umgesetzt werden.

Die Ratchet-Klausel besagt, dass eine einmal gemachte Privatisierung
nie mehr zurück genommen werden darf. Rekommunalisierungen sind
nicht mehr möglich, was privatisiert wurde bleibt privatisiert, egal wie
schlecht sich die Marktöffnung ausgewirkt hat. z.B. Mexiko will das
Wasser wieder rekommunalisieren, nachdem massive gesundheitliche
Schäden bei der Bevölkerung zum Vorschein kamen. Dank TiSA ist das
nicht möglich.

Die future-proofing-Klausel besagt, dass sämtliche künftigen
Dienstleistungen, die heute noch nicht erfunden sind, zwingend der
Marktöffnung ausgeliefert sind. Jede Dienstleistung, die in Zukunft
erfunden und angeboten wird, fällt automatisch unter TiSA. z.B.: neue
Verkehrsmittel, neue Energieformen etc.

Dass die Schweiz an den TiSA-Verhandlungen teilnimmt, ist kein Zufall.
Nach den gescheiterten Doha-Verhandlungen in den 0-er Jahren, das
ein vergleichbares Abkommen zum Ziel hatte. möchten die reichen
Industrienationen die Schwellenländer BRICS (Brasilien, Russland, Indien,
China, Südafrika) ausstechen und ein Freihandelsabkommen ganz zu
ihren Gunsten entwickeln. Dies zeigt sich dadurch, dass der Antrag zur
Teilnahme seitens China abgelehnt worden ist und macht den
geopolitischen Charakter des Abkommens sichtbar.

An den Doha-
Verhandlungen hatten die damals noch involvierten BRICS-Staaten
durch ihre Gegenstimme ein Abkommen zugunsten der
Industrienationen verunmöglicht. Die nicht beteiligten Länder werden bei
einer Annahme von TiSA faktisch dazu gezwungen sein, sich diesen
Spielregeln anzupassen.

Bildung und TiSA

Freihandelsabkommen werden mit der Absicht geschlossen,
Handelshemmnisse abzubauen und die Rahmenbedingungen für das
Kapital global zu harmonisieren. Klartext bedeutet dies Deregulierungen,
Lohndruck und tiefere Standards. Die TiSA-Verhandlungspartner nennen
sich dementsprechend zynisch „Really Good Friends of Services“. Was
wird ihre Freundschaft für die Bildung bedeuten? Das lässt sich noch
nicht genau abschätzen. Klar ist, dass sie in der Schweiz sicher
Auswirkungen auf die nicht-obligatorische Bildung haben wird. Diese
steht im Gegensatz zur Primar- und Sekundarschule laut Offerte des
SECO nicht auf der Negativ-Liste.

Die Konsequenz: freie Bahn für die
Profitgier! Bildung wird zu einem international handelbaren Gut, ohne
jede Regulierung. Dies war vorgeblich zwar auch schon vor TISA der
Fall. Aber die negativen Konsequenzen des freien Marktspiels wurden
immerhin abgeschwächt, indem nur staatliche Anbieter ein Vorrecht auf
Subventionen hatten. Mit TISA wird dieses Vorrecht Geschichte sein.
Wieso? Im freien Markt haben alle Anbieter gleich zu sein. Also steht
allen, egal ob staatlich oder privat, derselbe Anspruch auf staatliche
Leistungen zu.
Die Folgen, die ein solch ausgeweiteter Anspruch haben
wird, ist bereits deutlich erkennbar: Gerade ist die letzte grosse
Sparwelle in der Bildung eingetroffen. Über 180 Millionen Franken
sollen zwischen 2013 und 2018 deutschschweizweit eingespart werden.
Entsprechend ist vom Staat zu erwarten, dass er sich weiter aus der
Verantwortung zieht und den Privaten das Feld überlässt. Diese
Entwicklung geht einher mit der wachsenden Angewiesenheit auf
Drittmittel der Hochschulen.

Die Budgetlöcher werden nur zu gerne von
privaten Konzernen gestopft, und dies nicht nur zur Imagepflege. Die
Bildung wird den Zwangsgesetzten des Marktes unterworfen. Dieser
erhält damit Einfluss auf die Forschung und den direkten Zugriff auf
ein ganzes Heer adäquat ausgebildeter human resources. Beispiel dafür
ist der lange geheim gehaltene 150-Mio.-Deal zwischen der Uni Zürich
und der UBS. Letzten April wurde nun publik, dass 300 solcher
Verträge privaten Sponsorings existieren. Besonders die Pharma ist dick im Geschäft und zahlt gerne direkt CHF 300'000 in die Pensionskasse
des gewünschten Profs.

Trotz der krassen Einsparungen und der fortschreitenden Ökonomisierung
des Hochschulwesens ist eine Ablösung staatlicher durch private
Unis in der Schweiz nicht realistisch. Dafür ist der Bildungsmarkt in der
Schweiz zu klein und deshalb wenig spannend fürs Kapital. Den
privaten Players ist es sogar ganz genehm, wenn ihre Interessen
weiterhin durch öffentliche Gelder realisiert werden.

Für Betroffene
anderer Staaten, die sich dem Abkommen anschliessen, sieht es
jedoch anders aus: Im krisenerschütterten Südeuropa sind private
Schulen, welche staatlich subventioniert werden, schon auf dem
Vormarsch. Unter miserablen Arbeitsbedingungen unterrichten dort
ungenügend ausgebildete Lehrpersonen Student*innen. So wuchern
diese „Supermarkt-colleges“ im Bildungsmarkt und die öffentlichen
Bildungsstätten zu verdrängen.

Dass Bildung im Kapitalismus immer
Ausbildung für Profitinteressen bedeutet, zeigt sich in den Zeiten der
Freihandelsabkommen besonders deutlich. Das Ideal des
Bildungsbürgers wird zwar gerne noch zelebriert, aber leisten wollen es
sich die Bürgerlichen nicht länger. Studiengänge und Berufe, welche
sich nicht durch direkte Rentabilität auszeichnen stehen bald nur noch
den Reichen offen. Wenn wir nicht massiven Druck gegen TISA
aufbauen, werden wir Zeugen einer drastischen Verschärfung dieser
Tendenzen sein.

Wasser und TiSA

Recht auf Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht.
Trotzdem sterben jährlich 1,5 Millionen Menschen an verunreinigtem
Wasser. Laut WTO ist die Privatisierung die einzige Möglichkeit einen
besseren Zugang zu Wasser zu gewährleisten. Somit wird das
Gemeinschaftsgut Wasser in eine private Dienstleistung verwandelt.

Unter dem Motto der Effizienzerhöhung heisst Wasserprivatisierung für
das Kapital Profitmaximierung und das Schaffen neuer Märkte.
Recht auf Wasser kann verschiedenen Formen annehmen: Zugang zu
Wasser, Anzapfen des Grundwassers, Verteilung an die Bevölkerung,
Abwasser und seine Behandlung oder Bewässerung für die
Landwirtschaft.
Alles sind Dienstleitungen, die von TISA betroffen sein
werden. Der Internationale Wassermarkt ist in den Händen weniger
Konzerne konzentriert: die grössten sind SUEZ, Veolia Water, Thames
Water, Bechtel Corporation. Die Inbesitznahme von
Wasserdienstleistungen durch die Privatewirtschaft ist nicht neu, auch
wenn die Dienstleistungen nicht ganz privatisiert sind. Die Konzerne
vereinbaren häufig Public Private Partnerships mit Staaten. Was für ein
beschönigender Ausdruck! Die Gesellschaft ist im Besitz der Anlagen,
aber die Konzerne bewirtschaften sie.

Dies erlaubt es den Konzernen,
Geld anzuhäufen. Die Konzerne diversifizieren zusätzlich ihre Aktivitäten
in vielen andere Sektoren wie Gas und Elektrizität, die zum Beispiel in
der Schweiz von Multis wie Veolia und Suez bewirtschaftet werden. Die
Weltbank und der IWF haben eine tragende Rolle in der
Wasserprivatisierung: sie drängen die Länder, Sektoren der
Privatisierung zu freizugeben, um Zugang zu Krediten zu erlangen. IWF
und Weltbank nennen dies "structural adjustment programs", um
Marktmechanismen zu fördern.

r sind damit gezwungen ihre
Wirtschaft für ausländisches Kapital und internationalen Handel zu
öffnen, damit wird die Rolle des Staates reduziert und der
Arbeitsmarkts dereguliert. In den 90 Jahren wurde die bolivianische
Regierung von der Weltbank dazu gebracht, die Wasserversorgung der
Stadt Cochabamba zu privatisieren. Die Konzession wurde von der
Gruppe Bechtel gewonnen. Parallel wurde ein Gesetz erlassen, welches das Monopol über sämtliche Wasserressourcen dem Konsortium von
Bechtel zugesteht.

Betroffen sind unter anderem die Bereich
Regenwasser, das ganze Wassersystem und Bewässerungsressourcen.
Im gleichen Schritt wurde eine Preissteigerung von 35% angekündigt.
Da der IWF Subventionen des Staates für Wasser wegen der
Wettbewerbsklausel von GATS verboten hatte, war es dem Staat nicht
möglich Zugang zu Wasser für alle zu gewährleisten. In Januar 2000
wurde in Cochabamba massiv gegen die Privatisierung demonstriert.

Der Widerstand wurde von Gewerkschaften, Bauern und Assoziationen
organisiert. Angesichts des Ausmasses der Demonstrationen und
Strassenblockaden, die Wochen dauerten, wurde der Ausnahmezustand
deklariert. Ein Demonstrant wurde getötet und es gab mehr als
hundert Verletzte. Durch den Druck von der Strasse kündigte die
bolivianische Regierung ihren Vertrag mit dem Konsortium Bechtel.
Im Gegensatz zu dem genannten Beispiel können Privatisierungen von
Dienstleistungen mit TiSA nicht mehr rückgängig gemacht werden, da
die Privatisierung verbindlich ist.

Regierungen werden von ihrem
Entscheidungsrecht enteignet und können eine Dienstleistung wegen
der Stillstandklausel nicht in die öffentliche Hand zurücknehmen.
1993 wurde der Gruppe SUEZ die Wasserversorgung und
Abwasserentsorgung von der Stadt Buenos Aires zugewiesen . Die
argentinische Regierung hatte 2006 entschieden, den Vertrag mit der
Gruppe SUEZ zu kündigen. Grund dafür war, dass SUEZ nicht die
erwarteten Investitionen gemacht hatte, eine ungenügende
Wasserqualität (laut dem Vertrag) bereitstellte und eine Preissteigerung
von 10% trotz der Wirtschaftskrise beanspruchte.

Eine solche
Kündigung wäre mit TISA nicht möglich, da Privatisierungen verbindlich
sind. Bei einer Kündigung vonseiten Argentiniens, müsste die Regierung
mit einer Klage gegen 405 Millionen Dollar von SUEZ rechnen!
Die Wasserdienstleistungen müssen in den Händen der Gemeinschaft
bleiben. Wir lassen uns nicht enteignen!

Energie und TiSA

Elektrizitätswerk der Stadt Zürich: Dauerbrenner in Sachen Privatisierung
Wenn in Zürich in den letzten zwanzig Jahren von Privatisierungen
städtischer Betriebe die Rede war, dann war oft auch das EWZ
gemeint. Denn der Strommarkt gilt erstens in allen Industriestaaten als
sehr lukrativ und zweitens interessiert sich die Stadt Zürich im
Wettrennen der Standortpolitik brennend für eine Strompolitik im
Interesse der (Gross-)Konzerne.

Ist der Strommarkt nämlich erst
privatisiert, kann mit Grosskunden ungeniert gedealt werden; und dies
ohne die Gefahr, dass sich die Bevölkerung weiter einmischen kann.
Auch Strompolitik ist Klassenpolitik und Klassenkampf von oben. Die
Unternehmen lassen sich dabei nicht gerne stören.

Dieser Verhalt zeigt
zwei Dinge auf: Es ist erstens nicht der Staat, der vor bösen
kapitalistischen Raubtieren geschützt werden muss. Denn dieser Staat
ist selber bestrebt, die Privatisierungen voranzutreiben. Zweitens sind es
konkrete Arbeitsbedingungen und eine Stromversorgung die von den
PrivatisiererInnen im Namen des Profits angegriffen werden, wenn heute
Wörter wie „Ausgliederung“ oder „Liberalisierung“ im Zusammenhang
mit dem EWZ verwendet werden.

Heute ist das EWZ (immer noch) eine Dienstabteilung der Stadt Zürich,
sie hat also als Teil der Stadtverwaltung einen öffentlichen Auftrag
gegenüber der städtischen Bevölkerung. Es ist hier schwieriger als
anderswo, die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern oder die
Strompreise ohne weiteres anzuheben. Die Kollektivität ist in einem
Staatsbetrieb tendenziell höher als in einem ausgegliederten
Unternehmen, welches alle vier Jahre mit Lohndrückerei und ähnlichen
Mitteln um die Gunst des Staates kämpfen muss.

Ein ausgegliedertes
Unternehmen hat nämlich auch eine „ausgegliederte Belegschaft“, die
zu ihren KollegInnen von anderen Betrieben in Zukunft in Konkurrenz
stehen soll. Das erschwert die gewerkschaftliche Betriebsarbeit
erheblich und für gute Gesamtarbeitsverträge wird die Luft dünn,
sobald es in Richtung Privatisierung geht.

Volksabstimmungen und Exponenten der Privatisierungen

Am 18. Juni 2000 erlebte das EWZ einen ersten Privatisierungsangriff
unter Stadtrat Thomas Wagner. Es kam zur Volksabstimmung um die
„Ausgliederung“ des Elektrizitätswerkes. Ausgliederungen sind jedoch
immer Vorbereitungshandlungen zur Privatisierung. Das zeigen zahllose
Beispiele.

Das jüngste ist vielleicht das Kantonsspital Winterthur, bei
dem sich nach der Ausgliederung heute die Privatisierung scheinbar
unumkehrbar aufdrängt. Sind einmal die Fakten geschaffen, dann gibt
es selten wieder ein Zurück. Das wissen die TaktiererInnen in
Amtsstuben und Konzernleitungen. Mit „Ausgliederung“ ist gemeint,
dass sich die Rechtsform des EWZ in eine Aktiengesellschaft im Besitze
der Stadt oder in eine öffentlich-rechtliche Anstalt verwandeln würde;
sie würde „selbständig“ unter vorläufiger Kontrolle der Stadt.

De Facto
wäre das zwar noch keine Privatisierung, aber es würden damit alle
notwendigen Voraussetzungen für eine Privatisierung geschaffen. Der
Schritt zum Verkauf an Private wird vorbereitet.

Die Bourgeoisie argumentierte im Hinblick auf die Abstimmung im Juni
2000 schon damals gleich wie heute. Conrad Ammann, damaliger
Direktor des EWZ, brachte es auf den Punkt wenn er sagte: „Strategien
und wichtige Entscheide können (heutzutage) nicht mehr monatelang in
der Öffentlichkeit diskutiert und so den Konkurrenten offengelegt
werden. Mut zum Risiko, schnelles Handeln, Geheimhaltung sind gefragt
– alles Anforderungen die nicht so recht zu einer städtischen
Dienstabteilung passen.“

Deutlicher kann nicht ausgedrückt werden,
dass es hierbei um Profit und nur nachgelagert um eine sichere und
ökologische Stromversorgung geht. Unterstützt wurde Conrad Ammann
dabei vom Zürcher Stadtrat in der Person von Thomas Wagner.
Während damals im Hintergrund schon Gespräche mit dem USamerikanischen
Energiekonzern Enron liefen, wurde die städtische
Volksabstimmung zum Bedauern der PrivatisiererInnen abgelehnt.

Die
Kampagne wurde damals von den gut organisierten Angestellten der
EWZ unabhängig von der Gewerkschaft VPOD geführt und gewonnen.
Enron als privater Energiekonzern geriet nur ein Jahr später aufgrund
fortgesetzter Bilanzfälschungen in die Medien.

Damit sorgte der
Konzern für einen der grössten Unternehmensskandale der USamerikanischen
Geschichte. Freuen durften sich Conrad Ammann und
Altstadtrat Thomas Wagner aber trotzdem: Der eine ist jetzt
Verwaltungsrat beim privaten Energiekonzern Alpiq. Der andere konnte
sich ein einträgliches Pöstchen als Aufsichtsrat beim mittlerweile
privatisierten Stadtzürcher Gaswerk Energie 360° schnappen. Die Bourgeoisie dankt den Privatisierungsexponenten auf ihre Weise.
Gegenwärtig wird im Zürcher Parlament wieder eine Vorlage zur
Ausgliederung des Elektrizitätswerkes behandelt.

Diese wurde im
September 2015 unter Stadtrat Andreas Türler (FDP) lanciert. Die
Argumentation der BefürworterInnen ist gleich geblieben. Dabei sind
heute schon zwei Dinge klar: Diese Vor-Privatisierung muss bekämpft
werden und Türler kann sich unabhängig vom Ausgang des Kampfes
dem Dank der Bourgoisie jetzt schon sicher sein. Neben der
Ausgliederungsbestrebung werden im EWZ aber gegenwärtig strukturelle
Veränderungen vorgenommen, die die Ausgliederung heute schon
erleichtern, etwa die Aufgliederung in profitable und unprofitable
Bereiche.

Die Sache mit den TISA-Verhandlungen

Was bedeutet die Privatisierung aber für die Standortpolitik, und was
hat sie mit TISA zu tun? Es heisst eben auch, dass nach einer
Privatisierung zukünftig Verträge mit Grosskunden gemacht werden
können, mit welchen diese den Strom zu nicht kostendeckenden
Preisen einkaufen dürfen.

Will die Stadt Zürich also im
Standortwettbewerb bestehen, muss sie den Konzernen im Zeitalter der
Stromprivatisierung plötzlich billigen Strom anbieten können. Da private
Haushalte bisher nicht der Marktöffnung unterstehen sollten, würden
diese die Verluste mit ihren festen Tarifen bezahlen. Mit der simplen
und rein technisch anmutenden „Rechtsformänderung“ wäre das EWZ
plötzlich der Öffentlichkeit entzogen.

Auch dürften die Saläre der obersten Kader explodieren, da diese
dann nicht mehr dem städtischen Personalrecht unterstehen würden.
Aktuell ist der höchste EWZ-Lohn 4,5x höher als der niedrigste. Wenn
also diese Änderung kommen sollte, würde mit dem Hinweis auf
«Marktüblichkeit» oben kräftig abgesahnt und unten im Rahmen von
Sparprogrammen gedrückt werden.

Was heute diesbezüglich geschieht, ist für TISA wichtig. Denn das
„Trade in Services Agreement“ beinhaltet die sogenannte „Ratchet-
Klausel“. Gemäss dieser Klausel dürfen einmal vollzogene
Marktöffnungen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es ist also
notwendig, die konkreten und heute anstehenden Privatisierungen zu
bekämpfen und dabei die internationalen Verträge nicht aus den Augen
zu lassen. Denn „Liberalisierungen“ haben nur für das Kapital etwas
mit Freiheit zu tun.

Gesundheit und TiSA

Gesundheit ist etwas, das vielen Menschen am Herzen liegt. Es ist aber
auch etwas, auf das einige Konzerne ein Auge geworfen haben – denn
der Gesundheitsbereich ist ein gewinnbringender Dienstleistungsbereich
und vor allem einer der wenigen Wachstumsmärkte und infolgedessen
für die herrschende kapitalistische Politik von grösstem Interesse.

Ameos Allgemein

Wir stehen hier vor dem Hauptsitz der Ameos Gruppe am Bahnhofplatz
14. Ameos bezeichnet sich selber als bedeutenden
Gesundheitsdienstleister im deutschsprachigen Raum und sei
spezialisiert auf die Übernahme von Krankenhäusern und
Gesundheitseinrichtungen. Der 2002 gegründete Konzern betreibt
inzwischen 68 Einrichtungen mit 8000 Betten und 12 000
Mitarbeitenden.

Alle diese Spitäler und Pflegeheime befinden sich in
Deutschland oder Österreich. Ameos ist ein klassisches anschaulich
hässliches Beispiel was passiert wenn sich Konzerne der Gesundheit
„annehmen“: Kurz gesagt es leiden die PatientInnen sowie die
Angestellten gleichermassen, wie diese folgenden Beispiele zeigen.

Abbau Grundversorgung und Verschlechterung der Arbeitsbedinungen

So hat der Konzern 2013 in Haldensleben - einem 20'000 Seelen Ort
- eine Klinik und zwei Kinderarztpraxen übernommen. Ab dem 1. April
2016 wurden in den Praxen die kassenärztlichen Kindernotdienste an
Wochenenden und Feiertagen aus Kostengründen gestrichen. Kranke
Kinder mussten ab dann nach Magdeburg gebracht werden. Je nach
Wohnort sind das Wege von 30, 50 oder mehr Kilometern.

Öffentlichen
Nahverkehr gibt es kaum. Die Kinderstation in der Klinik wurde bereits
im September 2015 dichtgemacht, da der Konzern die
Kinderversorgung als »perspektivisch unrentabel« eingestuft habe, weil
häufig viele Betten nicht belegt gewesen seien.

Die
Gesundheitsversorgung für Kinder in der Region ist seither aus
ökonomischen Gründen nicht mehr gewährleistet. Die Klinikübernahmen
hatten auch Folgen für die Angestellten. Laut der Gewerkschaft ver.di
kürzte Ameos die Gehälter nach der Übernahme um bis zu 400 Euro
(laut Ameos wurden diese der Qualifizierung angepasst). Ausserdem
wurden die Labordienste ausgegliedert, um die Angestellten zu einem
für sie schlechteren Vertrag wieder einstellen zu können.

Letzteres ist kein Einzelfall. Der Betrieb Ameos ist mehrfach in Kritik geraten,
Beschäftigte zu entlassen, um sie danach dank eines anderen
Arbeitsvertrags zu einem tieferen Lohn wieder anstellen zu können.
Vielfach werden die Arbeitnehmenden als sogenannte Leiharbeiter*innen
eingestellt.

Diese sind über ein Drittunternehmen (Zeitarbeitsfirmen)
angestellt, welche andere Tarifverträge haben. Diverse Studien haben
gezeigt, dass solche Zeitarbeiter*innen für dieselbe Arbeit im Schnitt
zwischen 20 und 25 Prozent weniger verdienen als regulär Angestellte.
Und wie nicht anders zu erwarten, baut Ameos zusätzlich in seinen
Kliniken und Heimen den Personalbestand ab mit nicht ganz überraschende
Konsequenzen.

So berichtete beispielsweise der Norddeutsche
Rundfunk im April 2014 über schwere Vorwürfe, die mehrere
Beschäftigte und ehemalige Patienten gegen das Ameos-Klinikum
Hildesheim erhoben haben. Sie schilderten u.a. Hygienemängel,
Überbelegung, überlastete Pflegekräfte und längere Fixierungen als
nötig. Als Grund gaben sie die angespannte Personalsituation an, die
zu Lasten der Pflegequalität gehe.

Gesundheitssystem Schweiz

Zunehmende Tendenz zur Ökonomisierung und Privatisierung
Doch nicht nur in Deutschland finden verstärkt Privatisierungen im
Gesundheitswesen statt. Auch in der Schweiz breiten sich Unternehmen
wie die Südafrikanische Spitalgruppe Hirslanden oder das
schweizerische Unternehmen Genolier rasant aus.

Die Hirslandengruppe
umfasst inzwischen ca. 20 Kliniken, ihr CEO verdient über 1 Mio. und
spendet der FDP für ihre neoliberale Gesinnung auch ganz gerne mal
10 000 Franken. Diverse Spitäler werden in der Schweiz mit der
beliebten Salamitaktik privatisiert: Ein kantonales Spital wird ausgelagert
und zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigenem Verwaltungsrat,
inkl. GAV anstelle der Personalgesetzte der Kantone.

Die Kantone
können sich so aus der Beteiligung der Gesundheitsversorgung
zurückziehen. Die Institutionen sollen von mehr unternehmerischer
Freiheit profitieren, um die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit
langfristig zu sichern. Und prompt folgt die Umwandlung in eine
Aktiengesellschaft, es werden private Investoren zugelassen und hoppla,
das Spital ist privatisiert. Das Spital Winterthur ist nur ein Beispiel von
vielen.

Fallpauschalen: Massnahmen zur Ökonomisierung

Ein zentraler Schritt hin zu dieser Ökonomisierung unseres
Gesundheitssystems stellen in diesem Zusammenhang die Fallpauschalen
(Englisch: „Diagnosis Related Groups“ DRG) dar. Die
Fallpauschalen sind daher entscheidend, weil der Gesundheitssektor seit jeher ein staatlich eher stark regulierter Bereich war und es so
wenig Möglichkeiten gab, Profit zu erwirtschaften.

Damit das Kapital
diesen Bereich erobern kann, muss der Staat zurückgedrängt und die
Regulierung so verändert werden, dass Profit gemacht werden kann
und genau das haben die Fallpauschalen gemacht. Denn nun wird
nicht mehr kostendeckend die effektive Leistung des Spitals bezahlt
sondern eine durchschnittliche Pauschale pro Krankheitsfall.

Die
Spitäler versuchen daher ganz nach kapitalistischer Logik sich auf
rentable Segmente in der Behandlung von Patient*innen zu
konzentrieren und in diesen Bereichen Investitionen durchzuführen und
die unrentablen Patient*innen möglichst schnell loszuwerden,
sogenannt „blutig zu entlassen“. Eine zweite wichtige Veränderung in
der Spitalfinanzierung betrifft die formale Gleichstellung zwischen
privaten und öffentlichen Spitälern in Bezug auf die finanzielle
Vergütung der Leistungen.

Faktisch führt diese „formale Gleichstellung“
aber zu einer grundlegenden Ungleichheit, da die privaten Spitäler
nicht den gleichen strukturellen Zwängen wie die öffentlichen Spitäler
ausgesetzt sind (z.B. die Aufnahme aller ihnen zugewiesenen
Patient*innen). Um im verstärkten Wettbewerb und Konkurrenzdruck
mithalten zu können, gilt es möglichst rentabel zu wirtschaften und in
„profitable“ Bereiche zu investieren. Dies wird jedoch nur durch eine
verstärkte Sparpolitik innerhalb der Spitäler möglich, wobei die
öffentlichen Spitäler aufgrund der strukturellen Zwänge zwangsläufig auf
der Strecke bleiben.

Somit sind neben den Krankenversicherungen die privaten Spitäler die
zweiten Hauptprofiteure der neuen Spitalfinanzierung. Die negativen
Konsequenzen tragen hingegen die Angestellten und Patient*innen.

TISA

Aktueller Stand TiSA-Gesundheit: Entwarnung? Soweit bekannt, hat die
Schweiz, wie auch die meisten anderen europäischen Staaten den
Gesundheitsbereich auf ihrer Negativliste aufgeführt. Alles was auf
dieser sogenannten Negativliste steht, ist von den Vertragsverhandlungen
ausgeschlossen. Auch die aktuellste schweizerische Offerte
vom Mai 2016 führt das gesamte Gesundheitswesen auf der Negativliste
auf.

Doch was gehört alles zum Gesundheitsbereich, wer bestimmt
das? Gilt für TiSA und Gesundheit also Entwarnung wenn sie ja auf der
Negativliste steht? Aus verschiedenen Gründen ist dem zu widersprechen.
Negativlisten enthalten die Zukunft nicht! Die Negativlisten
sind so aufgebaut, dass alles was nicht darauf festgehalten ist,
zwingend dem Markt geöffnet werden muss – list it or loose it. Wenn
TiSA heute unterzeichnet wird, kann die Negativliste nicht mehr
erweitert werden. Auch alle weiteren künftigen Dienstleistungsarten, die
wir heute nicht kennen, wären somit zwingend der Marktöffnung
unterstellt.

Aber können wir heute wirklich wissen, was in den nächsten
20 Jahren passiert, wie weit die Forschung voranschreitet, welche
technischen und medizinischen Möglichkeiten entstehen? Und ob wir
diese Fortschritte privaten Händen überlassen möchten oder nicht
doch lieber ein bisschen reguliert haben wollen. Mensch denke an
Reproduktionstechnologien, Genforschung oder an neue Therapien und
Technologien.

Vor 30 Jahren konnten wir Krebs nicht so heilen, wie wir
das heute können. Werden neu entwickelte medizinische Geräte nur
noch auf dem privaten Markt gehandelt werden können? Der Service
public muss angepasst werden können. TiSA liesse das nicht mehr zu.

Angehängte Verarschung: Anhänge

Im TiSA Abkommen existieren zu diversen Bereichen Anhänge,
sogenannte Annexe, welche für alle Länder generell gültig sind, egal
was im Haupttext steht. So gilt, was im Annex steht auch für Bereiche,
die auf der Negativliste eigentlich ausgenommen sind. Braucht es da
noch einen kämpferischen Satz wieso diese blöden Anhänge voll
scheisse sind? So existiert beispielsweise ein Anhang zum Bereich
Gesundheit, welcher von der Türkei in die Verhandlungen
hineingetragen wurde.

Die Türkei hat ein Interesse daran, dass sie
Zugang zu den Gesundheitssektoren anderer Länder haben, da sich
türkische Kliniken auf internationale Patient*innen spezialisiert haben.
Würde dieser Anhang durchkommen könnte es sei, dass die
obligatorische Krankenversicherung nur die billigste Behandlung bezahlt
– und diese würde vermutlich nicht durch Schweizer Spitäler erbracht
sondern eben in der Türkei.

Neokolonialismus

Die TiSA-Verhandler*innen werden die Aufnahme neuer Mitglieder an
Bedingungen knüpfen und Druck auf diese ausüben. Wenn
beispielsweise Indien später dazu stossen möchte, können die USA
verlangen, dass der Gesundheitssektor Indiens dereguliert wird,
Frankreich könnte die Wasserversorgung und die Schweiz würde im
Interesse der UBS den Finanzsektor liberalisieren wollen. Die Länder
des TiSA- Machtkartells müssen selber keine Konzessionen machen –
können aber beliebige Bedingungen stellen.

Es ist kein Zufall dass die
BRICS Staaten nicht mit am Verhandlungstisch sitzen; Jene hatten
während den vorgängigen Doha-Runden auch Forderungen an die
Industrienationen gestellt (insbesondere im Bereich der Landwirtschaft)
und damit die Verhandlungen aufgrund von Interessenskonflikten
blockiert.

Würde das TiSA-Abkommen jedoch verabschiedet werden,
würde ein grosser Druck auf nichtbeteiligte Staaten entstehen,
Zugeständnisse zu erzwingen. Somit entsteht mit TiSA eine neue Form
des Kolonialismus und zementiert die bestehenden globalen
Herrschaftsverhältnisse.

Fazit: Privatisierungen und Deregulierungen im Dienstleistungsbereich
geschehen bereits und werden von den Herrschenden vorangetrieben.
Mit dem Freihandelsabkommen TISA, das von der Schweiz und anderen
Staaten im Geheimen verhandelt wird, würden diese Privatisierungen
gefördert, gesetzlich verankert und nicht mehr rückgängig zu machen
sein.

Stadtrundgang gegen TiSA