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Organhandel in China

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Die Verwicklungen der Pharmafirma Roche mit unethischen Transplantationspraktiken Organhandel in China

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Wirtschaft

China verkündet stolz, dass in seinen Kliniken etwa 10'000 Organtransplantationen pro Jahr vorgenommen werden. In China gibt es wegen kulturell bedingter Vorbehalte jedoch kaum freiwillige Organspenden aus der Bevölkerung. Woher stammen also die transplantierten Organe?

Roche Hauptsitz in Basel.
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Roche Hauptsitz in Basel. Foto: Taxiarchos228artlibrePhilippe Semanaz (CC BY-SA 2.0)

Datum 7. Februar 2010
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Ende 2008 räumte der chinesische Vize-Gesundheitsminister in einer medizinischen
Fachzeitschrift ein, dass mehr als 90% aller transplantierten Organe von hingerichteten
Gefangenen stammen. Die World Medical Association und andere internationale Organisationen
lehnen Transplantationen der Organe von Gefangenen übereinstimmend als unethisch ab. Selbst
wenn die Gefangenen einer Organspende angeblich zustimmen, kann eine solche Zustimmung in
Gefangenschaft nicht als freiwillig gelten.

Die Firma Roche vertreibt ihr Medikament Cell Cept, das
die Abstossung transplantierter Organe verhindert, trotz dieser unethischen
Transplantationspraktiken auch in China. Seit einigen Jahren produziert Roche Cell Cept sogar in
China. Darüber hinaus erforscht die Firma Roche die Wirkung ihres Medikaments nun in zwei
Studien mit ca. 300 transplantierten Organen auch in zahlreichen chinesischen Kliniken. Nach
eigenen Angaben verfügt die Firma jedoch über keine Informationen, woher die transplantierten
Organe stammen. Roche muss diese Studien daher unverzüglich einstellen, da die Firma nicht
ausschliessen kann, dass die Organe von Gefangenen stammen.

Transplantierten Organe von Gefangenen

Der chinesische Markt gewinnt für Roche zunehmend an Bedeutung. Im Jahr 2005 war Cell Cept
für Roche dort das drittwichtigste Produkt. Im Jahr 2006 wurde von der Firma eine Studie zur
Wirkung von Cell Cept nach ca. 36 Herztransplantationen in 3 chinesischen Kliniken durchgeführt.
Zurzeit erforscht Roche laut eigenen Angaben die Wirkung von Cell Cept nach ca. 300
Transplantationen von Niere oder Leber in zahlreichen chinesischen Kliniken, ohne über
Informationen zu verfügen, woher die transplantierten Organe stammen.

Da in China über 90%
aller transplantierten Organe von Gefangenen stammen, ist es höchst wahrscheinlich, dass auch
Organe in diesen Studien von Gefangenen stammen. Wenn die Firma Roche Geschäfte in einem
so fragwürdigen Umfeld macht und dort Studien an transplantierten Organen durchführt, ist sie
zumindest moralisch verpflichtet, sicher zu stellen und unabhängig nachprüfbar zu dokumentieren,
dass die Organe nicht von Gefangenen stammen. Da sie dies nicht kann, sind solche Studien ein
unverantwortliches Konzernverhalten.

Hohe Zahl von Hinrichtungen in China

Selbst chinesische Juristen haben öffentlich ihre Befürchtung geäussert, dass die Nachfrage nach
Organen zur exorbitant hohen Zahl von Hinrichtungen in China beiträgt, wo die Todesstrafe für fast
70 Delikte verhängt wird und die Zahl der Hinrichtungen als Staatsgeheimnis gehütet wird. Darüber
hinaus ist die UN-Kommission gegen Folter besorgt, dass auch Organe von Gewissensgefangenen
der Glaubensgemeinschaft Falun Gong für Transplantationen verwendet werden könnten und
fordert von der chinesischen Regierung eine unabhängige Untersuchung dieses Verdachts.
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Gefängnismauer in Chengdu, China.Foto: Philippe Semanaz (CC BY-SA 2.0)

Die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft werden in China als angebliche Staatsfeinde oft
jahrelang und meist ohne Gerichtsurteil in Umerziehungs- und Arbeitslagern gefangen gehalten
und kommen dabei häufig unter ungeklärten Umständen zu Tode. Die fundierten Hinweise, dass
möglicherweise auch Organe von Gewissensgefangenen für Transplantationen verwendet werden,
erfordern von Roche eine besondere Sorgfalt bei der Klärung der Herkunft von transplantierten
Organen. Wenn die Firma Roche in China Studien an Organen betreibt, bei denen sie nicht sicher
ausschliessen kann, dass sie von Gefangenen stammen, untergräbt sie die internationalen
Bemühungen, die unethische Nutzung solcher Organe in China zu beenden.

Für ein transparentes Organspendesystem in China

Die Firma Roche verteidigt ihre Studien damit, dass sie den neuesten gesetzlichen Bestimmungen
in China genügen. Diese Bestimmungen erlauben trotz internationaler Proteste aber nach wie vor,
dass Organe von Gefangenen transplantiert werden, obwohl dies international als unethisch gilt, da
die Einwilligung von Gefangenen nicht als freiwillig gelten kann.

Trotz diesbezüglicher
Bestrebungen gibt es in China auch noch kein unabhängiges, transparentes Organspendesystem,
das sicherstellen könnte, dass Organe nicht von Gefangenen stammen. Die
Weltgesundheitsorganisation fordert in ihren Prinzipien zur Organtransplantation aber eine
transparente Organisation der Organspenden sowie eine Rückverfolgbarkeit der Herkunft der
transplantierten Organe.

Solange die Firma Roche nicht nachweisen kann, dass die Organe in
ihren Studien nicht von Gefangenen stammen, muss sie auf solche Studien verzichten und die
laufenden Studien sofort einstellen! Internationale medizinische Organisationen, wie die World
Medical Association und The Transplantation Society, sollten ihre Richtlinien für das Verhalten von
Ärzten gegenüber der chinesischen Transplantationsmedizin erweitern auf das Verhalten von
Pharmafirmen, die in China von dortigen unethischen Transplantationspraktiken profitieren.

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