Mysteriöse Todesfälle Monsanto-Gift im Verdacht

Wirtschaft

Zehntausende sind schon am mysteriösen Nierenversagen gestorben. Jetzt nimmt eine Studie das Herbizid Roundup ins Visier.

Phosphor-Fabrik von Monsanto in Caribou County, Idaho, USA.
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Phosphor-Fabrik von Monsanto in Caribou County, Idaho, USA. Foto: Akasped (CC BY 2.0 cropped)

30. April 2014
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Seit Mitte der 90er Jahre sind in Sri Lanka, El Salvador, Nicaragua und Costa Rica Zehntausende von Reis- und Zuckerrohr-Bauern an einem mysteriösen Nierenversagen gestorben. Hundertausende mussten hospitalisiert werden. Unzählige wissenschaftliche Studien suchten erfolglos nach den Ursachen der «Chronischen Nierenerkrankung unbekannten Ursprungs» (CKDu). Jetzt liefert eine internationale Studie (Sri Lanka, USA) eine plausible Erklärung, erstmals publiziert im «International Journal of Environmental Research and Public Health».

Sri Lanka: Glyphosat und hartes Wasser

Laut Studie kommt es in jenen Regionen von Sri Lanka zu einer deutlichen Erhöhung der tödlichen Nierenversagen beziehungsweise Hospitalisierungen wegen Nierenproblemen, wo zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens ist das Grundwasser in den betroffenen Regionen hart bis sehr hart, das heisst es ist stark mit Metallen wie Calcium, Magnesium, Strontium und Eisen angereichert. Zweitens wurden in diesen Gebieten hohe Mengen des Pflanzengifts Glyphosat, das in Monsantos Roundup enthalten ist, auf die Reisfelder ausgebracht.

Monsanto liess den Wirkstoff Glyphosat schon 1974 patentieren. Mittlerweile sind die Patente in den meisten Ländern abgelaufen, so dass auch die Konkurrenz-Firmen ihre eigenen glyphosathaltigen Herbizide auf den Markt brachten. Glyphosat bindet sehr leicht Metalle zu einem Glyphosat-Metall-Mix. Mit der Aufnahme von Flüssigkeit oder beim Einatmen kann Glyphosat laut Studie die Metalle in den menschlichen Körper transportieren, wo sie in der Niere abgelagert werden und das Nierengewebe zerstören können (siehe Grafik der Studie). Die Studie erhärtet durch ihre Untersuchungen die Hypothese, dass die tödlichen Nierenversagen in Sri Lanka durch eine Kombination des Pflanzengifts Glyphosat mit hartem Wasser verursacht werden. Monsanto hingegen weist die Resultate der Studie als «unbewiesen» zurück.

Tödliche Nierenversagen auch in Mittelamerika

Die Studienverfasser stützen ihre Hypothese mit drei weiteren Indizien:

1. Das Wasser im Norden von Sri Lanka ist sehr hart. Trotzdem ist dort keine erhöhte Zahl von tödlichem Nierenversagen zu beobachten, weil dort während des Bürgerkriegs nur wenig oder gar kein Glyphosat eingesetzt wurde.

2. In einigen Gebieten Sri Lankas wurde keine erhöhte Sterberate wegen Nierenversagen festgestellt, obwohl dort massiv Roundup (Glyphosat) eingesetzt wurde. Denn dort wurde die Bevölkerung mit weichem Wasser ohne erhöhte Metallanreicherung versorgt.

3. Mit dem politischen Wechsel in Sri Lanka im Jahr 1977 wurde der Einsatz von Herbiziden erlaubt. Dann dauerte es rund 15 Jahre bis der Glyphosat-Metall-Mix eine gesundheitsschädigende Konzentration im Boden und Grundwasser erreicht hatte. Das erklärt die Tatsache, dass die tödlichen Nierenversagen erst in den 90er Jahren auftraten.

Das Phänomen des tödlichen Nierenversagens tritt nicht nur in Sri Lanka auf, sondern auch in den mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Nicaragua und Costa Rica (siehe Video). Auch dort starben in den letzten zwanzig Jahren Zehntausende von Zuckerrohr-Bauern an Nierenversagen und auch dort liegt laut Studie die gleiche Kombination von hartem Grundwasser und massivem Roundup-Einsatz vor.

Bundesrat: «Vernachlässigbar geringes Gesundheitsrisiko»

Glyphosat ist der weltweit häufigste Wirkstoff in Herbiziden. In der Schweiz werden pro Jahr schätzungsweise 300 Tonnen Glyphosat auf Wiesen, Äckern und privaten Gärten versprüht. Tendenz steigend. Genaue Angaben verweigert das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) im Interesse der Pflanzengift-Produzenten. Auf der BLW-Liste der bewilligten Glyphosat-Herbizide stehen 100 Produkte, darunter zehn Variationen von Monsantos Roundup. Schon die Gefahrenhinweise auf der BLW-Homepage (z. B. für Monsantos Roundup Evolution) machen deutlich, dass diese Pflanzengifte keineswegs harmlos für Menschen, Tiere und Pflanzen sind.

Die Haltung des Bundesrats zum Glyphosat-Gift ist geprägt von aussergewöhnlicher Sorglosigkeit. In seiner Antwort vom November 2013 auf eine Anfrage des grünen Nationalrats Louis Schelbert wischt er alle Bedenken gegen das Pflanzengift kurzerhand vom Tisch (siehe Link unten). Es bestehe ein «vernachlässigbar geringes Gesundheitsrisiko für den Menschen». Der Bundesrat verlässt sich dabei gutgläubig auf die Untersuchungen der EU. Zurzeit läuft das Prüfverfahren für die weitere Zulassung von Glyphosat. Nächstes Jahr sollte das Zulassungsverfahren mit drei Jahren Verspätung abgeschlossen sein. Die Prüf-Behörde der EU hat den Produzenten grosszügig eine dreijährige Fristverlängerung gewährt, damit diese noch mehr Zeit haben, sich mit Lobby-Studien auszurüsten.

Stoffkombinationen sind vielfach toxischer

Weil Deutschland die Federführung im aktuellen EU-Zulassungsverfahren für Glyphosat hat, lieferte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) letzten Januar einen Bericht zuhanden der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) ab. Darin kommt das BfR zum Schluss, der Einsatz von Glyphosat sei «nicht gefährlich». Das Umweltinstitut München bezeichnete diesen Persilschein als «lächerlich» und forderte ein generelles Glyphosat-Verbot. Das BfR habe nur Studien herangezogen, «die die Industrie in Auftrag gegeben hat». Unterstützung erhielt das Umweltinstitut vom offiziellen deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das ein Verbot für Glyphosat-Anwendungen in privaten Gärten verlangte.

Im vergangenen Februar – einen Monat nach der Einreichung des BfR-Berichtes – erschien eine Studie des renommierten Biologie-Instituts der französischen Universität Caen unter der Leitung von Professor Gilles-Eric Séralini. Darin wird der EU-Zulassungsprozess für Herbizide hart kritisiert: Es würden immer nur einzelne Wirkstoffe isoliert geprüft, nicht aber die Kombination mit den zugefügten Beistoffen. Laut Studie sind aber diese Stoffkombinationen vielfach toxischer als die einzelnen geprüften und genehmigten Wirkstoffe. Eine Erkenntnis, die auch durch die Studie über die tödlichen Nierenversagen in Sri Lanka und Mittelamerika gestützt wird.

Am schlechtesten schnitt in der französischen Studie Roundup von Monsanto ab. Die Pflanzengift-Mixtur Roundup war 125-mal toxischer als der Wirkstoff Glyphosat allein. Im EU-Prüfverfahren wird aber nicht das hochtoxische Roundup geprüft, sondern nur der Wirkstoff Glyphosat. Die Glyphosat-Lobby, der auch Monsanto angehört, liess umgehend verlauten: «Die Studie zur Toxizität von Pflanzenschutzmitteln entbehrt der wissenschaftlichen Grundlage.» (siehe Link unten)

Keine «regulatorischen Konsequenzen»

Am 6. März war das Bundesinstitut für Risikobewertung gezwungen, auf die Vorwürfe aus Frankreich Stellung zu nehmen. In Bezug auf glyphosathaltige Herbizide gibt es laut BfR tatsächlich «ernstzunehmende Hinweise auf eine Erhöhung der Toxizität». Die kumulativen Effekte stellten «eine grosse Herausforderung für die experimentelle und regulatorische Toxikologie dar». Aufgrund der grossen Anzahl von zugelassenen Pflanzengiften sei es «jedoch nicht möglich, alle theoretisch möglichen Kombinationswirkungen bei wiederholter Exposition im klassischen Tierversuch zu prüfen». Mit anderen Worten, die hochtoxischen Kombi-Produkte werden gar nicht wirklich geprüft. Unter dem Druck der Kritiker unterstreicht nun auch das BfR den diesbezüglichen Forschungsbedarf.

Jahrzehntelang wurde die Kombinationswirkung von Glyphosat mit Beistoffen oder mit Metallen aus dem Grundwasser weltweit von den Aufsichtsgremien und der grossen Mehrheit der ForscherInnen ignoriert. Die Agrokonzerne lieferten ihre Gefälligkeits-Studien und setzten damit möglichst niedrige Grenzwerte durch. Deshalb ist es höchst erstaunlich, wenn das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung jetzt trotzdem festhält: «Für weiterreichende regulatorische Konsequenzen, etwa in Hinblick auf die erst kürzlich novellierten Datenanforderungen zu Pestiziden und ihren Wirkstoffen, ist die derzeit vorliegende Datenbasis nicht ausreichend.»

Kurt Marti / Infosperber