UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Gasboom in den USA wälzt die Energiemärkte um | Untergrund-Blättle

943

Die Wende, die das Schiefergas auslöst Gasboom in den USA wälzt die Energiemärkte um

Wirtschaft

»Die globale Energiekarte ändert sich dramatisch», schreibt die IEA. Grund: Der Schiefergas-Boom macht die USA zum Exporteur.

Schiefergasgewinnung mit der Fracking-Methode in Nord Dakota, USA.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Schiefergasgewinnung mit der Fracking-Methode in Nord Dakota, USA. Foto: Joshua Doubek (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

17. November 2012
0
0
3 min.
Drucken
Korrektur
Die Analysen und Ausblicke der Internationalen Energieagentur (IEA) hinken neuen Entwicklungen stets etwas hinter her. Die Risiken von Ölverknappung, Kohleboom und Klimawandel zum Beispiel entdeckte sie erst, nachdem andere Organisationen schon jahrelang davor gewarnt hatten.

Doch wenn die IEA einen Trend einmal erkennt, neigt sie zu starken Worten: Vor einem Jahr warnte sie noch vor einer «unsicheren, ineffizienten und kohlenstoffreichen Energiezukunft». Im neusten Weltenergie-Ausblick hingegen, den sie gestern veröffentlichte, schreibt die IEA: «Die globale Energielandschaft ändert sich dramatisch.» Das habe «weitreichende Konsequenzen für die weltweiten Energie-Märkte». Und IEA-Chefökonom Fatih Birol ergänzte laut Nachrichtenagentur dpa an der Medienkonferenz in London: «Die Grundpfeiler des weltweiten Energie-Systens werden verschoben.»

Die Wende, die das Schiefergas auslöst

Die Ursache für diese neue «Dramatik» ortet die IEA in den USA, dem Staat, der bislang am meisten Erdöl und Erdgas verbraucht und importiert. Denn in den letzten zwei Jahren haben die USA ihre inländische Förderung von Erdöl und vor allem von Erdgas nach jahrelangem Rückgang wieder deutlich gesteigert. Das ist primär auf neue Förderverfahren zurück zu führen. Diese erlauben es zum Beispiel, sogenanntes «Light Tight Oil» aus ölhaltigen Sedimenten heraus zu pressen und Erdgas aus Schiefer mittels «Fracking» abzubauen.

Aus diesem Grund ist der Preis für Erdgas in Nordamerika eingebrochen. Als Folge davon setzen die USA für die Stromproduktion und als Ersatz für teureres Erdöl vermehrt Erdgas ein. Gleichzeitig exportieren sie Kohle nach Europa. Denn in Europa ist der Gaspreis weiterhin hoch und die Verstromung von Kohle billiger.

Der Boom von Schiefergas, so prophezeit nun die IEA, werde die Gewichte auf dem globalen Energiemarkt verschieben. Der heutige Nettoimporteur USA werde sich bis zum Jahr 2020 zum Netto-Exporteur von Erdgas wandeln. Beim Erdöl könnten die USA ihre Förderung ebenfalls stark steigern und Saudi Arabien als heute mächtigsten Förderstaat vorübergehend ablösen. Ab 2035 schliesslich würden die USA in der Lage sein, sich mit Primärenergie vollständig selber zu versorgen.

Einen starken Zuwachs der Erdölförderung erwartet die IEA auch im Irak. Langfristig über die grössten Ölreserven verfügt weiterhin Saudi Arabien.

Starker Einfluss auf die globalen Energiemärkte

Die Umkehr der USA vom Im- zum Exporteur von Erdgas und Erdöl werde die globalen Handelsströme der Energie und den Einfluss aufs Weltklima weltweit beeinflussen, schreibt die IEA weiter. Das verändert auch ihr Energieszenario: Bis zum Jahr 2035 erwartet die IEA eine Zunahme des weltweiten Primärenergieverbrauchs um einen Drittel. Mit einer Steigerung von 50 Prozent werde dabei der Verbrauch von Erdgas überdurchschnittlich wachsen.

Für die Umwelt ist diese Entwicklung zweischneidig: Einerseits kann Erdgas Kohle ersetzen und damit die Zunahme des CO2-Ausstosses und mithin den Klimawandel etwas bremsen. Andererseits ist der Abbau von Schiefergas mittels Fracking energieintensiver als die konventionelle Förderung, und sie führt lokal zu grossen Umweltbelastungen. So verschmutzen die Schieferstein-Bohrungen Gewässer und Grundwasser. Europäische Staaten wie etwa Frankreich oder Bulgarien haben darum den Abbau von Schiefergas mittels Fracking verboten.

Grosses Effizienzpotenzial liegt brach

Zu den weiteren zentralen Themen, die der neuste «World Energy Outlook» behandelt, gehört die Steigerung der Energieeffizienz. Denn für die künftige Energieversorgung sei die Einsparung ebenso wichtig wie die zusätzliche Förderung von Primärenergie, schreibt die IEA. Chefökonom Birol beziffert das wirtschaftliche realisierbare Potenzial der Energieeffizienz auf 20 Prozent des trendmässigen Zuwachses des Energiebedarfs. Doch um dieses Potenzial auszuschöpfen, brauche es eine entsprechende Energiepolitik. Ohne politische Förderung der Energieeffizienz, so fürchtet die IEA, blieben zwei Drittel dieses Potenzials ungenutzt.

Hanspeter Guggenbühl / Infosperber

Mehr zum Thema...
Fracking in Nord Dakota, USA.
Ein Musterbeispiel für Budgetsanierung und VolksarmutSchiefergas-Boom bläht eine Blase auf

17.07.2013

- Fracking vergiftet Grund- und Trinkwasser. Aber auch ökonomisch wird der Traum vom grenzenlosen Schiefergas zum Alptraum.

mehr...
Die Weltkarte der Schiefergas-Vorkommen gemäss der U.S. Energy Information Administration.
Verschiebungen beim GasUmwälzungen in der globalen Energieversorgung

27.02.2013

- Der rasant wachsende Abbau von Schieferöl und Schiefergas führt zu gravierenden Verschiebungen in der Rangliste der Förderstaaten.

mehr...
Fragiles Fracking-Verbot in Frankreich

06.06.2013 - Interview mit Alain Roubineau von der nationalen Koordination der Bürgerkollektive in Frankreich gegen Schiefergas. Über die Widerstände in Frankreich gegen Schiefergasförderung und die Unsicherheiten um das Bestehen des Fracking-Verbots jenseits des Rheins.

Die deutsche Regierung hat einen Gesetzesentwurf zum Fracking erarbeitet

02.04.2015 - Fracking ist eine umstrittene Methode der Gas- und Öl-Förderung, bei der ein toxisches Gasgemisch in die Erde gepresst wird. Die Methode dient dazu Schiefergas aus Gesteinsschichten zu gewinnen, das gebunden ist und das mit normalen Bohrungen nicht gefördert werden könnte.

Dossier: Fracking
Reclaim the Power
Propaganda
Kapitalismus und Schaden

Aktueller Termin in Berlin

Vegan Soli Brunch

Vegan Brunch with lots of spreads, salad, pizza or Quiché and cake. Lots of gluten-free options

Sonntag, 2. April 2023 - 12:00 Uhr

Erreichbar, Reichenberger Str. 63a, 10999 Berlin

Event in Amsterdam

The Ironic Curtain Comedy Club

Sonntag, 2. April 2023
- 16:00 -

Check Point Charlie

Nassaukade 48

1052CM Amsterdam

Mehr auf UB online...

Hauptbahnhof in Zürich, September 2018.
Vorheriger Artikel

Offener Brief an die Schweizerischen Bundesbahnen SBB

Keine Massenüberwachung an Schweizer Bahnhöfen!

Die französische Regisseurin Marleen Gorris, Februar 1982.
Nächster Artikel

Lushins Verteidigung

Liebe, Schicksal, Vergangenheit, Trugbilder

Untergrund-Blättle