Das Drama der gentechnisch veränderten Baumwolle in Indien Das Drama der gentechnisch veränderten Baumwolle in Indien
Wirtschaft
Das technologische Wunder der gentechnisch veränderten Baumwolle in Indien ist ausgeblieben. Im Gegenteil, ein wahres Desaster hat seit mindestens zehn Jahren eingesetzt.


Protest auf der Strasse gegen Monsanto in Bangalore, Indien. Foto: Infoeco (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)
Monsanto ist eine US-Firma, spezialisiert auf chemische Produkte, seit einiger Zeit insbesondere auf Biotechnologie, hauptsächlich auf die Produktion von hybridem und gentechnisch verändertem Saatgut, insbesondere um besser Insekten und Parasiten zu widerstehen.
Obwohl das Saatgut der Bt-Baumwolle bis zu zehnmal teurer ist als das klassische Saatgut, erscheint die Bt-Baumwolle sehr verführerisch: Monsanto verspricht nichts weniger als die Verdreifachung der Ernteerträge. Wenn man auf Schädlingsbekämpfungsmittel verzichten könnte, würde der hohe Anfangsaufwand schnell ausgeglichen und gar wettgemacht werden. Deshalb haben sich die indischen Bauern in grosse Schulden gestürzt. Innerhalb weniger Jahre wuchs Bt-Baumwolle auf 90% der Anbaufläche.
Nur einer hat nicht an das Wunder geglaubt: der Kapselwurm. Denn der hat schnell Resistenzen entwickelt, sogar so schnell, dass man sich fragt, ob er nicht eines Tages durch das von der Pflanze abgegebene Pflanzenschutzmittel befallen wurde. Und schliesslich schneidet die Bt-Baumwolle nicht besser ab als andere Baumwollarten. Um gegen sinkende Ernteerträge anzukämpfen, muss man jetzt massiv Pflanzenschutzmittel einsetzen, wodurch die Bauern auf 30% höheren Kosten sitzen bleiben.
Abgesehen davon ist der Preis für das Saatgut unaufhörlich gestiegen; heute ist es hundertmal teurer als das Saatgut für die klassische Baumwolle. Dabei muss noch berücksichtigt werden, dass diese hübsche Pflanze wie jede andere gentechnisch veränderte Pflanze steril ist und man deshalb jedes Jahr neues Saatgut kaufen muss.
Verschweigen darf man auch nicht, dass diese Perle der Natur Wasser und Nährstoffe mehr liebt als normale Baumwolle. Die Böden werden ausgelaugt, veröden; um die Ernteerträge aufrecht zu erhalten, müssen grosse Menge Kunstdünger und künstliche Bewässerung eingesetzt werden; all das ist sehr kostspielig, es herrscht Wassermangel…
2009 war zum Beispiel eines der trockensten Jahre, der Monsunregen war seit 37 Jahren nicht mehr so schwach. Die Ernteerträge waren wegen Wassermangel stark rückläufig.
Ohne Zweifel war die Bt-Baumwolle für Monsanto ein Verkaufserfolg. Aber technisch handelt es sich um ein völliges Fiasko. Menschlich bedeutet das Produkt ein wahres Drama.
Seit 1991 sind ca. 20 Millionen Bauern vom Land in die Stadt gezogen, wo sie in den Slums der Grossstädte gelandet sind. Aber diese Zahlen sagen noch nicht viel aus im Vergleich zu der unglaublichen Anzahl von Selbstmorden auf dem Lande in den Baumwollanbaugebieten. Man schätzt, dass ca. 150.000 Bauern ihrem Leben ein Ende gesetzt haben, einige sprechen von mehr als 200.000 seit den letzten 15 Jahren. 2009 brachten sich kollektiv 1500 Bauern um, 1500 Bauern, die keinen Ausweg mehr sahen aus ihrer Misere und keine Kraft mehr besassen um zu kämpfen – stattdessen beschlossen sie den kollektiven Selbstmord.
Nachdem man eine Zeitlang versucht hatte, den indischen Bauern die Verantwortung in die Schuhe zu schieben, die das Erzeugnis von Monsanto schlecht eingesetzt hätten, hat Monsanto mittlerweile eingestanden, dass das Saatgut ineffizient ist. All das ändert nichts am Schicksal der Toten oder derjenigen, die mittlerweile im Dreck der Slums leben und derjenigen, die noch heute versuchen zu überleben, indem sie sich bis über den Kopf verschulden, um ertragsstärkeres Saatgut zu kaufen.
Diese Geschichte ist ekelerregend; widerwärtig; leider ist sie nur ein Beispiel einer endlosen Reihe anderer Beispiele, die aufzeigen, dass der Kapitalismus sich nicht um Menschenleben kümmert, dass ihm der Schutz und die Entwicklung unserer Ressourcen nichts wert ist.
Die Bt-Baumwolle ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie der Kapitalismus in die Natur eingreift, mit dem Ziel, höhere Profite zu erzielen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Saatgut in Umlauf gebracht wurde, ohne auseichende Garantien hinsichtlich der Effizienz der Schädlingsabwehr aller möglichen Parasiten zu haben, die diese Pflanzen befallen können. Es ging Monsanto vor allem darum, sein Produkt zu verkaufen, das Versprechen höherer Ernteerträge war das dazugehörige Lockmittel.
Das menschliche Elend, die Schäden an der Natur untergraben wohl die Zukunft des Produktes; aber was durch seinen Verkauf eingenommen wurde, bleibt in den Kassen. Es handelt sich um die Logik eines Systems, das keine langfristigen Planungen und Aspekte berücksichtigt, stattdessen für immer mehr Zerstörung verantwortlich ist und unser Leben immer mehr bedroht. Nicht nur Monsanto müsste der Prozess gemacht werden, sondern dem ganzen Kapitalismus; er ist der wirklich Schuldige.
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