Menschliche Beziehungen ohne Hierarchie Erste revolutionäre Massnahmen

Politik

Gradmesser der gesellschaftlichen Leistungen und Anstrengungen ist angeblich der Geld-Wert.

Erste revolutionäre Massnahmen
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Erste revolutionäre Massnahmen Foto: Sascha Kohlmann (CC-BY-SA 2.0 cropped)

28. Juni 2023
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Abschaffung des Brutto-Sozial-Produkts

Seine Grundlage ist der (quantitative) Tauschwert von Waren und Dienstleistungen, gemessen in Geld (früher in Gold, aber wichtig ist nur die Zahl, deshalb gibt es keine Golddeckung des Geldes mehr. Je grösser die Zahl, desto reicher der Mensch (meist ein Mann). Die Ursache liegt im verkorksten Wertbegriff des Kapitalismus. Ihn interessiert nicht die Sache selbst, das Produkt der Arbeit, sondern nur sein quantitativer Wert, den er sich versilbern lässt. Marx nennt ihn den Tauschwert. Er ist abstrakt und kann in Gold, Geld oder Bitcoins gemessen werden, ohne mit der Sache selbst verbunden zu sein. Dagegen setzt Marx den konkreten Gebrauchswert eines Produktes, seine Qualität, für die sich der Kapitalismus nur am Rande interessiert:

Wenn Kohlekraftwerke nicht mehr gefragt sind, werden Atomkraftwerke gebaut. Nach mir die Sintflut ist die alte biblische Devise des Reichen. Bislang wurde Erdöl gebraucht, jetzt satteln die Kapitalisten um auf seltene Erden, Wasserstoff … Immer aber wird die Natur geplündert, und glücklich ist, wer Naturbesitzer ist, weil auf seinem Boden in der Erde versteckt Geld lagert.

JedeR ehrliche Grüne sollte zugeben, dass die grüne Partei nur Handlanger des Kapitals ist, der nicht nur aus der Krise helfen, sondern in grösserem Stil noch mehr Ausbeutung der Natur befördert. Neue Produktionszweige, neue Nachfrage, mehr Technik, weniger Arbeit… Letztlich geben die grünen Politiker neue Wachstumsimpulse und bleibt es fraglich, ob sie alte Technologien abschaffen.

Allerdings will ich anmerken, dass eine grosse Hilfe für die Steigerung des BSP Kriege sind, was besonders augenfällig in der Ukraine ist, wo die alten Waffensysteme verbraucht werden konnten und die Gemeinschaften der waffenproduzierenden Staaten sich jetzt für die Produktion neuer Waffensysteme verschulden und damit die Kriegsindustrie fördern. Die so politisch erzeugte Steigerung des Bruttosozialprodukts, die von der Gemeinschaft finanziert wird, kommt fast ausschliesslich den Kapitalisten zugute und schiebt die Probleme weiter an künftige Generationen.

Vergesellschaftung der Produktionsmittel

Der Kapitalismus ist von seinem Wesen her ein Zwangssystem. Nicht nur braucht er mittellose Menschen, die nicht anders können, als sich durch Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Er muss auch ständig menschliche Arbeit durch Technik (Maschinen) ersetzen, um die Konkurrenz mit seinen Branchen-Kollegen zu gewinnen, denn dadurch ist sein Profit höher als bei dem technisch unterlegenen Konkurrenten. Die Technik zur Ersetzung menschlicher Arbeit ist der treibende Motor und einzige Zweck von Technik im Kapitalismus. Nicht die Verbesserung des Lebens, sondern die Überflüssigmachung menschlichen Lebens treibt den Kapitalismus an. Allein die quantitative Menge des Profites macht den Unterschied und bestimmt den überlegenen Konkurrenten. Konkurrenz ist deshalb eine Grundhaltung aller kapitalistischen Gesellschaften, weswegen es kein Mitleid gibt und „Wirtschaftsflüchtlinge“ auch nicht geduldet werden können.

Die Ersetzung menschlicher Arbeit wird in der Landwirtschaft begleitet von der Zerstörung natürlicher Prozesse wie der Bestäubung durch Bienen oder der Ernährung mit Maschinen. Das Ende ist die Zerstörung natürlicher Zusammenhänge, für die nach technischen Alternativen gesucht wird, aber das Überleben ländlicher Gesellschaften verunmöglicht. Eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel bringt erst dann eine Veränderungsmöglichkeit, wenn aus dem Zwangssystem des „technischen Fortschritts“ ausgestiegen und die Natur (einschliesslich des Menschen) nicht mehr ausgebeutet wird.

Naturschutz

Der Mensch ist Teil der Natur und somit selbst Natur. In der Arbeit verwandelt er die äussere Natur jedoch und erstellt Produkte, die er gebrauchen kann. In der Arbeit wird die Natur somit zum Objekt und transformiert. Aber auch die eigene Natur des Menschen verändert sich in der Arbeit und passt sich den Arbeitsbedingungen an. Kooperation ist notwendig. So entstand vor langer Zeit auch die menschliche Sprache, die es möglich macht, zu planen, Werkzeuge zu entwickeln und in die Zukunft zu denken.

Solange sich der Mensch als Teil der Natur begreift, geht er pfleglich mit ihr um, weil er sie braucht. Mit der Bibel änderte sich in Teilen der Welt das Verhältnis zur Natur, denn er hat sie sich unterworfen. Das Ausbeutungsverhältnis des Menschen über die Natur wurde zur Selbstverständlichkeit für alle Menschen des „Buches“: Juden, Christen, Moslems. Der Mensch stellte sich der Natur gegenüber, die neben der menschlichen Arbeit die einzige Quelle von Reichtum ist, wie Karl Marx schon feststellte.

Mit dem Kapitalismus entstand der dem System eingeborene Zwang zur Naturausbeutung – sowohl der äusseren, wie auch der menschlichen Natur. Da das Sozialprodukt quantitativ wachsen muss, weil es keinen anderen Massstab für Reichtum gibt, muss die äussere Natur ständig mehr ausgenutzt und verbraucht werden. Zerstörung und Abfall wachsen mit. Zugleich braucht der Kapitalismus Armut und Mittellosigkeit, um immer mehr menschliche Natur ausbeuten zu können, denn freiwillig unterwerfen sich die wenigsten Menschen dem Arbeitszwang. Mit dem Siegeszug des Kapitalismus über weite Teile der Erde geht deshalb auch ein Wachstum der Erdbevölkerung einher.

In der feudalen Gesellschaft hatten sich Kirche und Adel mit dem Schwert hoch zu Pferde oder mit Kriegsschiffen die Naturschätze (Sklaven eingeschlossen) angeeignet, das entstehende Bürgertum wurde im Mittelalter ab dem Jahre 1000 zum Handelspartner. Juden, Christen, Moslems eroberten im Namen ihres Herren die Welt. Inzwischen sind nur noch wenige Urwälder und der Meeresboden frei von menschlicher Ausbeutung, aber diese werden heiss umkämpft. Die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen und die natürlichen Zusammenhänge werden dauerhaft zerstört.

Wir wissen inzwischen, dass die Zunahme von Pandemien (Aids, Covid…) Folge der Zerstörung der tierischen Grundlagen in den Urwäldern ist. Wir wissen noch nicht, welche Folgen die Zerstörung der Ozeane haben wird. Die Gefahr eines Atomkrieges mit unvorstellbarer Zerstörung der natürlichen Umwelt besteht, seitdem wir aus Erfahrung wissen, dass die USA zum Einsatz von Atombomben bereit sind.

Qualität statt Quantität

Quantitäten sind grenzenlos und damit auch der in Geld gemessene Reichtum. Es gibt viel und viel mehr Reichtum. Nicht nur kann man ihn nicht essen, wie Indianer sagen, sondern er ist auch nur ein Mittel zum Zweck des Kaufs und Verkaufs in einer Gesellschaft und zwischen Gesellschaften. In der kapitalistischen Gesellschaft werden auf Verdacht Waren produziert, die – oft nur mit teurer Werbung – verkäuflich werden sollen. Die Befriedigung von Bedürfnissen ist nicht das Ziel, sondern der Verkauf der produzierten Waren. Die Bedürfnisse müssen also erst geschaffen werden, wobei der Staat mit Vorschriften gern für Nachfrage sorgt. Da jeder Konkurrent seinen Marktanteil vergrössern möchte, kommt es im Kapitalismus zwangsläufig immer wieder zu Krisen der Überproduktion.

Qualität als oberstes Ziel würde zu einer gesellschaftlichen Debatte führen, den privaten Firmen die Entscheidungsmacht nehmen und die Werbung ausschalten. Stattdessen müssten inhaltliche Fragen geklärt werden: nach Sinn, Nutzen, Folgen, Gefahren usw. Man kann Qualität auch messen, aber nicht in Geld, sondern in Zufriedenheit, Gesundheit, Zustimmung, Konfliktfreiheit, Mitbeteiligung… Bei den sogenannten „unterentwickelten“ agrarischen Ländern gab es ein extrem niedriges Bruttosozialprodukt, das pro Kopf verschwindend gering war, so dass die „entwickelten“ kapitalistischen Staaten aus der angeblichen Armut geholfen haben. Damit aber brachten sie erst den Hunger in die „Entwicklungsländer“, denn bis dahin waren die Menschen Selbstversorger gewesen, die nur wenige Dinge zum Leben kaufen mussten. Sie kannten Armut, hatten ein hartes Leben, aber kein Elend.

Gerechte Verteilung der Arbeit

Die Verteilung der Arbeit betrifft die gesellschaftlich notwendigen Arbeiten, mit denen die Produkte und Leistungen erstellt werden, die gesellschaftlich gebraucht werden. Freikaufen, Müssiggang und Schmarotzertum auf Grund von Wohlstand und Reichtum soll es nicht mehr geben, sondern jeder Mann und jede Frau sollen gleichermassen ihren Beitrag zur Gemeinschaft leisten. Die Voraussetzung dafür ist allerdings eine Auseinandersetzung und regelmässige Erhebung der Bedürfnisse.

Alle Luxusbedürfnisse der Eliten fallen ersatzlos weg. Diese Streichung kommt der Umwelt zugute. Die Wirkung ist allerdings nur gering, wenn die Streichung im Rahmen eines einzelnen okzidentalen Staates bleibt. Es sei denn, die USA gingen beispielhaft voran, weil sie die meisten Ressourcen verbrauchen und Umweltschädigungen verursachen. Auch in den USA gibt es Armut und Elend, aber der notwendige Verzicht betrifft breite Mittelschichten. Der Gegner sind nicht nur die Kapitalisten, die sich umgewöhnen müssen, weil sie kein Dienstpersonal mehr haben und selbst gesellschaftlich nützliche Arbeit leisten müssen. Eine besondere Aufgabe bei der Verteilung der notwendigen Arbeit betrifft die Entmachtung des Mannes, der sich bislang zu leicht von häuslichen und Erziehungsaufgaben freikaufen kann. Gesunde Ernährung für alle

Die Ermittlung der gesellschaftlichen Bedürfnisse ist eine sinnvolle Aufgabe für Institute der Meinungsforschung. Anstatt zu erforschen, wie Werbung für überflüssige und/oder schädliche Produkte erfolgreich sein kann, wäre ihre Aufgabe, zeitnah den Bedarf für alle notwendigen Produkte zu ermitteln und damit auch den Arbeitsprozessen Vorgaben zu machen. Ernährung ist dabei der Schwerpunkt, denn sie betrifft die Landwirtschaft einerseits und die individuelle Gesundheit andererseits.

Die Covid-Pandemie hat blossgelegt, dass die Ernährungsgewohnheiten in den USA und ihr nachfolgend Mexiko zu den höchsten Todesraten geführt haben und vermutlich auch ursächlich sind für den Rückgang der Lebenserwartung in den USA. Das ist auch ein Indikator für Armut und Bildungsferne, aber vor allem eine Folge von Desinformation durch Werbung. Wenn ungesunde, schlechte Nahrungsmittel nicht mehr produziert werden, kann auch die Landwirtschaft sich wieder zum Erzeugen von Lebensmitteln zurück entwickeln. Da ihr Nährgehalt wächst und die Sättigung länger anhält, geht gleichzeitig die Menge der zu erzeugenden Lebensmittel zurück.

Aufhebung der Trennung von Stadt und Land

Die Entfremdung von der Natur und insbesondere der Landwirtschaft ist so stark fortgeschritten, dass sie lebensgefährlich wird. Vor einem Jahrhundert lebte die überwiegende Mehrheit nicht nur den, sondern auch auf dem Lande, heute lebt nur noch die Minderheit dort und hat keine Vorstellung davon, wo und wie ihre Lebensmittel hergestellt werden. Nur dadurch wurde es möglich, die Öffentlichkeit aus der Tierfleischproduktion auszuschliessen und Verhältnisse zu schaffen, die zum Himmel stinken.

Ein weiteres zentrales Problem ist die Privatsphäre kapitalistischer Betriebe. Selten hat der Staat einen Einblick in das Betriebsgeschehen, fast nie aber wird öffentlich, was in den Betrieben geschieht. Das betrifft die Zuchtanstalten mit zigtausenden von Tieren, aber auch die Schlachtbetriebe, deren Verhältnisse für die Tiere wie für die Arbeiter unwürdig sind. Schulausflüge mit Kindern zu den Schweine- oder Geflügelschlachtbetrieben würden die Zahl der Vegetarier gewiss drastisch anwachsen lassen. Voraussetzung ist die Aufklärung der Bevölkerung und Öffnung der Betriebe.

Menschliche Beziehungen ohne Hierarchie

Die Hierarchie kommt aus der Herkunft, ist gewissermassen erblich. Das fängt in den Mittelschichten an, wo der Sohn die Praxis seines Vaters übernimmt, und geht bis zu den Aldis und Quandts, wo die ganze Sippe so reich ist, dass kein Mitglied arbeiten muss. Bislang. Das muss geändert werden. Aber ebenso wichtig ist das Erziehungssystem, dessen bisherige Aufgabe die Auslese und gesellschaftliche Zuordnung in der Hierarchie ist. Das Fundament dieses Systems ist die Konkurrenz.

Die Kriterien für die Rangordnung wandeln sich, aber das Schüren der Konkurrenz (ausser für die Reichenkinder) bleibt die Triebfeder. Diese Voraussetzung muss abgeschafft werden, damit jedes Kind sich nach seinen Möglichkeiten entwickeln und seine Fähigkeiten entfalten kann. Ein Sockel von Wissen und Können muss für alle verbindlich und erreichbar sein, und die Lehrer müssen so ausgebildet werden, dass sie diesen Sockel für alle Kinder erreichbar machen, anstatt auszulesen. Auf diesem Sockel aufbauend kann differenziert werden, aber im Sinne von Förderung.

Die Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeiten geht dann nicht mehr nach den Abschlussnoten der Ausbildungsinstitute, sondern muss in einem demokratischen Prozess geregelt werden. Dann wird sich gewiss auch das Verhältnis und das Verhalten zum Abfall und Müll verändern, denn die Frage wird nicht mehr sein, „wer bringt den Müll runter“, sondern wer entsorgt ihn und wohin und warum so viel?

Gerd Stange