Analyse und Positionierung Die Querdenkenbewegung und linksradikale Antworten darauf

Politik

Dieser Text stammt von der Inhalts-AG des offenen antifaschistischen Treffen Köln, die sich gegründet hat, um einen gemeinsamen inhaltlichen Standpunkt zu Querdenken zu entwickeln.

Querdenker Demo in Frankfurt, August 2020.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Querdenker Demo in Frankfurt, August 2020. Foto: Good mood (CC BY 2.0 cropped)

9. Februar 2022
8
1
8 min.
Drucken
Korrektur
Wir haben zunächst in der AG diskutiert und die Überlegungen auf die wir uns einigen konnten aufgeschrieben. Dann haben wir die Ergebnisse unserer Diskussion mit dem gesamten OAT diskutiert und darauf hin diesen Text geschrieben. Er soll als Debattenbeitrag und Positionierung deutschlandweit, aber insbesondere in Köln, dienen. Wir freuen uns also auf Kritik, Gegenargumente und Zustimmung (gerne per Mail an: offenesantifatreffenkoeln@riseup.com oder direkt persönlich jeden 2. Montag im Monat bei OAT im Linken Zentrum Köln).

Es ist schwierig, viele verschiedene Meinungen in einem Text dazustellen und wir möchten uns im voraus dafür entschuldigen, falls wir Argumente aussen vor gelassen haben oder verschiedene Aspekte der Thematik nicht behandelt wurden. Mit dem Begriff „Querdenken“ meinen wir die einzelnen Gruppen in Köln die sich dieser Bewegung zu ordnen lassen. Wir beziehen uns auf unserer Erfahrung mit der Querdenken-Bewegung in Köln, deswegen kann dieser Text nicht universal auf die ganze BRD angewandt werden.

Analyse

Wir haben die Einschätzung getroffen, dass die Querdenkenbewegung hauptsächlich aus zwei enorm heterogenen Gruppen besteht (neben anderen weniger stark vertretenen Gruppen): Kleinbürger:innen die an verschiedenen Zeitpunkten auf Grund von starken Einschnitten in ihrer finanziellen Situation und daraus resultierenden existenziellen Ängsten, einen einfachen Ausweg aus der Pandemie genommen haben, nämlich die Leugnung der Pandemie oder einzelner Aspekte des gesellschaftlichen Pandemiegeschehens wie z.B. der Impfungen, der Maskenpflicht oder der tatsächlichen Todeszahlen.

Die zweite Gruppe besteht aus den „Vordenkenden“ der Bewegung, also Menschen die bereits vor der Pandemie einen Bezug zu Verschwörungsideologien hatten (z.B.: Impfgegnerbewegung, New World Order Anhänger:innen, Antisemit:innen). Während wir davon ausgehen, dass der zweiten Gruppe der Verschwörungsideolog:innen nicht durch Intervention zu helfen ist, wollen wir sehr wohl einräumen, dass die Kleinbürger:innen (also Kleinunternehmer:innen, Ladenbesitzer:innen, Soloselbständigen, etc.) in der Tat in einer Krise stecken die sie zu Recht dazu bringt auf die Strasse zu gehen.

Sie sind durch die Coronakrise und die entsprechenden Massnahmen der Regierungen oftmals stärker betroffen als weite Teile der restlichen Bevölkerung, darunter auch unsere Klasse. Während die Fabrikarbeiter:innen, das Handwerk, die öffentlich Bediensteten und viele andere ihre Arbeit während der Pandemie behielten oder zumindest schnell eine Neue finden konnten, wurden die Kleinunternehmer:innen und Selbstständigen, die bis dato vom Staat als „die Mittelschicht“ immerhin ideell unterstützt wurden, in ihrer Abhängigkeit zum Markt stark enttäuscht.

Wer eine Kneipe betreibt steht in der Pandemie mit seinem Risiko, von der Marktlage abhängig zu sein, näher an dem Verlust seines Einkommens als eine Arbeiterin bei Ford. Dazu kommt, dass Lohnabhängige oft bereits schon mehrere Berufswechsel hinter sich haben und sich in schwierigen Marktsituationen auch in der Vergangenheit zu helfen wussten.

Kurzum: die Arbeiter:innen sind krisenbeständiger und erprobter als die Kleinbürger:innen.

Daraus leitet sich für uns aber keineswegs ab, dass wir diesen Teil der Querdenkenbewegung als der lohnabhängigen Klasse oppositionell betrachten. Das Kleinbürgertum vermag es durchaus ein Teil progressiver Bewegung zu sein, es steht bildich gesehen zwischen den Stühlen. Ein Kioskbesitzer, eine Künstlerin oder ein Einpersonenbetrieb ist sehr wohl in der Lage kapitalistische Krisen zu begreifen und eine revolutionäre Haltung dazu zu entwickeln. Zwar sollte dieser Schicht nicht die ungeteilte Aufmersamkeit von linksradikalen Bestrebungen gewidmet werden, aber dennoch kann sie mit unserer Klasse zusammen kämpfen.

So steckt in den Klagen der Querdenkenden oft ein rationaler Ursprung. Auf manchen Demonstrationen wird der Abbau von Krankenhäusern als Argument dafür genutz, dass es die Pandemie nicht gäbe, anstatt zu erkennen, dass Profitinteressen zu diesem Rückbau geführt haben. So, als würden sie über Probleme des Kapitalismus sprechen und kurz bevor sie das erkennen und begreifen die Abbiegung in den Schwachsinn nehmen.

Eine andere Gruppe die sich in der Querdenkenbewegung findet, ist die der organisierten Rechten: Neo-Nazis, neue Rechte, Identitäre, AfD und Burschenschaftler sehen in den Protesten eine Möglichkeit ihre Ideologie nach vorn zu bringen. Sie haben keine Berührungsängste mit Verschwörungsideologien und sehen in der Bewegung der Kleinbürger:innen ihre Zielgruppe auf der Strasse. Wir denken, dass die deutsche Linke dieses Konglomerat aus verschiedenen Gruppen ganz klar als die reaktionäre Antwort auf die Krise sehen muss. Kein Wunder also, dass die Rechten mit von der Partie sind.

In Teilen des Landes nahm die extreme Rechte eine Speerspitzenposition für die Querdenkenbewegung auf der Strasse ein. In Köln hat diese Entwicklung bislang nicht stattgefunden, allerdings lässt sich in den letzten Wochen erkennen, dass die Rechten sich zunehmend an den Protesten beteiligen. Auch die Gründung der Gruppe „Revolte Rheinland“ die sich an Querdenkenprotesten in NRW beteiligt, ist ein Zeichen, dass die Faschisten:innen mehr und mehr versuchen werden eine Hegemonie in dieser Bewegung aufzubauen. Inhaltlich steht „Revolte Rheinland“ auf dem Boden der Identitären, diesmal mit neuer Propaganda zum Thema Wirtschaft, die mit einem antikapitalistischen Auftreten stark an die autonomen Nationalisten erinnert, aber im Grunde genommen wohl einfach Nationalsozialismus bedeutet. Erstaunlich ist, dass die fast tot geglaubten Identitären in NRW wieder auftreten, obwohl ihnen (gerade in Köln) in den letzten Jahren wiederholt entschieden entgegen getreten wurde.

Positionierung

Da wir nun unsere Beobachtungen der Querdenkenbewegung dargelegt haben, müssen wir uns damit beschäftigen wie eine antifaschistische Antwort auf die Querdenkenbewegung und eine linksradikale Antwort auf die Pandemie aussehen kann. Wir haben in unserem Text bis jetzt innerhalb der Querdenkenbewegung differenziert und eine antifaschistische Praxis muss diese Differenzierung auf die Strasse tragen. Ein generell feindseliges Auftreten gegenüber dieser sehr diversen Bewegung halten wir für falsch. Wir schlagen vielmehr vor, den kleinen Werkzeugkasten linker Aktionsformen hinter uns zu lassen und auf die verschiedenen Teile der Querdenkenden auch verschieden zu zu gehen. Den Verschwörungsideolog:innen ist bestimmt nicht mit Aufklärung zu helfen.

Deswegen halten wir es für richtig, dieser Gruppe keine Aufmerksamkeit zu schenken und stattdessen darauf zu achten nicht das von ihnen verbreitete Feindbild der „Antifa“ als staatstreue Schlägertruppe zu bedienen, was sich leicht verhindern lässt in dem wir nicht in schwarzen Jacken am Rand ihrer Demonstrationen stehen und sie wie die Wilden beleidigen. Die organisierten Rechten und Hooligansportgruppen die sich auf den Querdenkenprotesten aufhalten gilt es mittels handfestem und gezielten Antifaschismus von der Bewegung fern zu halten.

Den wütenden Bürgerlichen ,welche die Masse der Demonstrationen ausmachen, müssen wir eine Alternative aufzeigen. In der Vergangenheit hat es mehrere linke Versuche gegeben Bewegungen für eine antikapitalistische Perspektive aus der Krise aufzubauen (z.B.: Nicht auf unserem Rücken, zerocovid, wer hat der gibt) die leider wie so oft, wenn Linke versuchen eine Bewegung aufzubauen, mehr oder weniger, gescheitert sind. Allerdings gibt es Ansätze von Bewegungen abseits der Querdenker, die eine progressive Antwort auf die Krise fordern. Es sind die Streiks in der Pflege, in den Krankenhäusern und im öffentlichen Dienst.

Hier in Köln ist es vor allem die Uniklink an der es einen aktiven Arbeitskampf gibt. Diese Kämpfe begreifen wir als einen kleinen aber feinen Ansatz unserer Klasse eine Antwort auf die Pandemie zu geben, in der der Gesundheitssektor zusätzlich gefordert wurde. Wir können als Antifaschist:innen aktuell nicht Teil dieser Kämpfe sein, aber wir können sie unterstützen, uns solidarisieren und uns auf sie beziehen, denn: wir haben gemeinsame Feinde. Die Querdenkenden, die in manchen Teilen des Landes sogar schon Krankenhäuser stürmen wollten, verantworten (in kleinen Teilen) die Tragweite der Pandemie mit.

Ausserdem demonstrieren die Krankenhausbeschäftigten gegen die Privatisierung und diejenigen die sie betreiben. Wir sehen diese Arbeitskämpfe als die Antwort unserer Klasse auf die durch die Krise deutlicher gewordenen Widersprüche des Kapitalismus. Das ist der Ort an dem Menschen, die in der Pandemie den Kapitalismus in der Krise sehen, gut aufgehoben sind und der Ort an dem gemässigte Massnahmengegner:innen ihre Kritik äussern können, ohne Verschwörungsideologien oder Rechten hinterher zu laufen.

Haltung zum Staat

Eine andere wichtige Position die wir als Linke unbedingt einnehmen müssen, ist der Widerspruch zum Staat und der Regierung, was bedeutet, dass wir keine Bündnisse mit bürgerlichen Massnahmenbefürworter:innen eingehen können. Der Staat hat gegen die Wissenschaft gehandelt und um jeden Preis den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhalten versucht. Das alles auf dem Rücken der Arbeiter:innen.

Die Erweiterung der maximalen Arbeitszeit, die Aufrechterhaltung der Impfpatente, keine kostenlosen PCR Tests, die Verkürzung der Quarantänezeit und die Rückzahlung der Soforthilfen sind nur einige Beispiele in denen die Regierung komplett im Krisenmangement versagt hat. Dieses Versagen soll durch autoritäre Massnahmen aufgefangen werden. Ausgangssperren, Lockdowns, Demonstrationsverbote und die mögliche Impfpflicht sind die Mittel eines Staates, der keine solide Grundlage zur Bekämpfung der Pandemie geschaffen hat und diese unter kapitalistischen Bedingungen auch nicht schaffen kann.

Wir müssen unsere Wut über diesen Staat und sein Agieren in der Pandemie auf die Strasse tragen, denn sie ist berechtigt und wird geteilt. Wir können die Abschaffung des Kapitalismus und seines Staates nicht erreichen wenn wir sie erst gar nicht fordern. Die Krise hat die Grenzen des Kapitalismus aufgezeigt, wird ihm aber nicht das Rückrat brechen, es sei denn wir tun es.

Wir hoffen das wir mit unserem Text einen Beitrag zu den Diskussionen in der Linken um den Umgang mit Querdenken leisten konnten. Keine Meinung ist in Stein gemeisselt und zusammen mit den Erfahrungen auf der Strasse wird sich auch unsere inhaltliche Position wohl noch ändern. Wir werden als Inhalts AG weiter arbeiten und unsere Position überprüfen sowie eure Fragen und Argumente beantworten so gut es uns möglich ist. In dem Sinne: Die Rechten zu Boden! Unsere Seite aufbauen!

OAT Köln